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>Me farschtejt sich jo - me farschtejt sich najn ...<
>Efscher me wil sich oich dafke gornischt farschtejen?<
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Original Message From: henrich grunfeld Sent: Saturday, October 13, 2001
In Ihrem Artikel heißt es, dass der "Mameloschn" die Jiddische Sprache, nur noch von einigen Orthodoxen in ihren Jeschiwot verwendet wird und die Popularität dieser Sprache daher nie wieder den Status den sie vor dem II. Weltkrieg hatte erreichen wird. Diese Behauptung zeugt von eindeutige Unwissenheit und ist geradezu eine bemerkenswerte Verleumdung der orthodoxen Gesellschaft! Es gibt heute viele tausend Familien die nicht nur diese Sprache in den Jeschiwot verwenden - absurd - sie ist unsere gewöhnliche Umgangssprache in der Familie, im Haus und auf der Strasse. In zahlreiche Schulen und Lerninstutionen wird diese Sprache bereits den kleinen Kindern gelehrt und ihre Kenntnisse darin vertieft. Es gibt heutzutage zahlreiche Publikation, ja sogar Kinderbücher auf jiddisch werden immer zu einem gefragten Artikel. |
Betreff: Mameloschn Datum: Sun, 14 Oct 2001 Von: Chaim Frank <chfrank@arcormail.de> Firma: Dokumentations-Archiv http://www.juedisches-archiv-chfrank.de/
Sehr geehrter Herr Grünfeld! Ich finde es schade, daß Sie aus meinem Vortrag nur >Brocken< heraus nehmen und sich daher zurecht ärgern darüber! Auch ich bin traurig darüber, daß es oft Menschen gibt, die nur halbe Sachen lesen ... Aus diesem Grunde gebe ich Ihnen nochmals den Wortlaut des >originalen< Textes zum Nachlesen:
[Quelle: http://www.hagalil.com/jidish/cf-jid1.htm]
>Es steht jedenfalls fest, dass die MAME-LOSCHN, unser Jiddisch, eine Weltsprache war, die bis zum Ausbruch des II. Weltkrieg von rund 12 Mill. Menschen in Wort und Schrift gebraucht, verstanden und belebt wurde. Diesen Stellenwert kann und wird das Jiddisch nie wieder erreichen, denn zu groß war der Schaden, den man ihr zufügte - vor allem als man die Mamme's un Tates - die ja diese Sprache mit Liebe an ihre Kinder weitergaben -, samt diesen ermordete. Auch wenn heute vielerorts eine 'kleine' Renaissance zu verzeichnen ist, und einige jiddische Zeitungen noch existieren - sie liegen aber bereits in ihren letzten Atemzügen -, so wird es bald keinen mehr geben, der tatsächlich noch die ''Mame-Loschn'' als Umgangssprache spricht; abgesehen von den orthodoxen Juden, die in ihrer Jeschiwa mit einem ins Ivrith verdrehten Jiddisch diskutieren. Aus der alten ''Mamme-Loschn'' - die man nicht mehr Zuhause lernt, sondern an einer Universität - sogar mit einem Doktortitel versehen - erwerben muss, ist heute ein unpersönlicher Studien- und Freizeit-Spaß geworden. In einer unikalen, bis hin zur Charakterlosigkeit 'gestylten' Sprachform erlernt man heute das Jiddisch - oder was die Philologen davon noch übrig ließen - beispielsweise an den Universitäten in Oxford, in Jerusalem, in Amerika - und neuerdings auch in Deutschland.< (Ende des Zitats)
Da ich selber aus orthodoxen Verhältnissen komme und in Israel (Jerusalem) mit vielen Studenten des Rabbiner-Seminars diskutierte, weiß ich von was ich da sprach. Auch in New York hatte ich das glückliche Erlebnis geistige Menschen zu treffen, die ich überdies sehr, sehr verehrte, wie z.B. die Lubavitcher - resp. Rav Schneerson -.Meine Familie (und ich auch) stammen aus Besarabien, wo ich bereits seit meine >Kinder-Jorn< mit Jiddisch zunoifgewaksn bin. Etliche aus meiner väterlichen Mischpoche waren auch "Scharajber" und mit anderen sehr befreundet. Viele Schrajber gingen bei uns aus und ein, man traf sich in Czernovze, in Kishinev und in Odessa. So war es naheliegend, dass ich - ich lernte Jiddisch in Wort und Schrift (!) - auch Jiddischist wurde. Ich schrieb u.a. für das >Sovetisch Hejmland< für >Letzte Nayes< und >Forvertz< und gab viele Lessons in Jiddisch, auch hier in Deutschland. Ich weiß, daß das YIVO in NY viele Schriften in Yiddish herausgab und gibt, der Workman-Cercle, von den ehemaligen Bundisten auch. Aber - und das ist nicht zu verleugnen - die Leserschaft wird von Jahr zu Jahr kleiner und kleiner!!! Die alte, meine heißgeliebte >Lezte Najes<, Hand auf's Herz, was ist mit ihr? ... und weiters, wo sind die schönen Schriften z.B. >Di Jiddish Kval<, von den orthodoxen, mit denen wir uns religiös bildeten? Die wenigen Momente, daß es heute noch ein paar Bücher (auch für Kinder) in Jiddisch gibt, stimmen mich traurig, weil - wie ich es ja auch schrieb - das nur noch kleine Aufbäumungen sind, wenn Sie wollen Jiddische Romanzen, die nur noch für Insider, nicht mehr aber für die große >Jüdische Masse<. Auch in Frankreich (in Paris lebte ich Anfang der 70er Jahre) sind bis heute alle Zeitungen in Jiddisch >gestorben<. In meinem Archiv habe ich viele wertvolle Ausgaben, sie alle gibt es heute nicht mehr! So sind es eben nur noch die Frommen, b"h, die Jiddisch tatsächlich verwenden, um nicht in der Heiligen Loschen reden zu müssen. Seit Jahren betreue ich ehemalige
Sovjetische Juden, von denen lediglich nur die wenigsten, heute 70-90 jährigen tatsächlich noch Jiddisch
sprechen - verstehen ist etwas anderes. Meine Jahrgänge, also die 40-60 jährigen sprechen beispielsweise kaum noch Jiddisch, wohl einige Worte
versteht man - mehr nicht. Da wir orthodoxe Juden waren und früh die SU verließen, ein Teil nach Israel, der andere nach Wien, so waren wir
bereits in der SU und auch später immer Außenseiter geblieben, selbst unter der jüdischen Kehilla! Meine Tante, die nach Erez ausgewandert
war, mit ihrer Family, sie durfte le-moschl zu Ihrer Erinnerung >KEIN WORT JIDDISCH reden<! In Israel kann ich Ihnen viele Menschen als Zeugen
bringen, denen es genauso gegangen ist. Ich verstehe Ihren Argwohn, aber zum einen muß man meinen gesamten Text lesen (und da können Sie sofort meine Wehmut erkennen) und ferner muss man auch den Tatsachen ins Auge blicken, dass die Menschen, die Jiddisch noch >lebedig< sprechen und schreiben täglich weniger werden!
Mit beste Grüße Chaim FRANK (Dokumentations-Archiv) |
Original Message From: henrich grunfeld Sent: Monday, October 15, 2001
Sehr geehrter Herr Frank, Vielen Dank für Ihre prompte Antwort. Ich habe keineswegs nur halbe Sachen gelesen, sondern Ihren ganzen Artikel genossen. Auf jeden Fall wollte ich Sie nicht verunglimpfen, bin jedoch der
Ansicht, dass Ihre Worte nur aus einer einseitigen Perspektive gebildet sind. Ich verstehe Ihre Gefühle und Trauer die Sie jahrelang in der Nachkriegszeit
erleben mussten und daher die heutigen Bemühungen um das Jiddisch nicht ernst nehmen und kaum einer Beachtung schenken. Gerade deshalb wollte ich Sie
darauf aufmerksam, dass sich eben in den letzten zehn Jahren diesbezüglich vieles geändert hat. Wenn bisher das Jiddische nicht so stark gepflegt wurde und
insbesondere in Israel das Ivrit in allen Kreisen vorherrschend einzog, wird heute in unseren Kreisen vermehrt Gewicht auf die Förderung der jiddischen
Sprache gelegt. Ich möchte festhalten, dass dies überhaupt nichts mit einer eventuellen Verpönung des Iwrits zu tun hat. Es geht hier viel mehr um eine
Rückkehr zu den Wurzeln, zur Sprache unserer Väter und Vorfahren. Ich berichtet Ihnen dies deshalb, weil Sie sich anscheinend nur in den Universitätenwelt
bewegt haben aber nicht in unseren Kreisen verkehren. Ich persönlich lebe und verkehre mit meiner Familie die bereits seit vielen Generation - Vater- und
Mutterseits - jiddisch sprechen, in diesen Kreisen. Sei es nun London, Manchester, England, Zürich, Antwerpen, Israel oder Amerika, sprechen heutzutage
wie gesagt Tausende Familien diese Sprache. Wo ich nur hinkomme kann ich mich mit alten oder jungen Leute in dieser Sprache ohne weiteres unterhalten. Es
gibt immer mehr und mehr Schul- und Lesestoff, weil eben die Notwendigkeit dessen eine bemerkenswert steigende Tendenz besitzt. Ich muss jedoch
bemerken, dass in unseren Kreisen überhaupt kein Interesse an Bücher wie Scholem Alejchem und andere Czernowitzer Schreiber und Literateure vorhanden
ist, jedoch bereits sehr viele Bücher über das Leben von Zaddikim wie auch spannende Kinderbücher in Israel und Amerika erschienen ist. Selbstverständlich In Amerika gibt es mindestens zwei große jiddische Zeitungen, "Dos jiddische Wort" von der Agudas Jisroel und "der Jid" der Satmarer Chassidim, beide seit vielen Jahrzehnten. Wenn Sie also ein Zahlenvergleich zu früher ziehen können Sie natürlich mit Recht schreiben, dass die Menschen die heute jiddisch sprechen und schreiben täglich weniger werden. Aber die Tatsache ist, dass die jiddisch-sprechenden Leute heute wieder am aufblühen sind. Ich stimme jedoch mit Ihnen darin ein, dass das Jiddisch heute eine ganz andere Interessenwelt, wie auch vielerorts unterschiedliche Aussprache und Redewendungen, wie anno dazumal. Ich persönlich warte schon lange darauf, dass endlich einmal ein Fachmann wie Sie, ein Werk mit allen in der Jiddischen Sprache verwendeten Worte auflistet und jeweils deren Ursprung erläutert (bez. auch in welchen Gegenden man diese verwendet hatte).
mit freundlichen Grüssen Chajim Grünfeld |
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