Berliner Zeitung Politik 23.6.2001
BerlinOnline: Geld für Zwangsarbeiter reicht nicht aus
Mehr Anträge als erwartet / Opfer-Anwälte sollen Teil ihrer Honorare spenden
BERLIN/FRANKFURT A. M., 22. Juni. Eine unerwartet große Antragsflut könnte zur Kürzung der individuellen Entschädigungszahlungen an ehemalige NS-Zwangsarbeiter führen. Wie Hans Otto Bräutigam, Kuratoriumsmitglied der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" am Freitag nach einer Sitzung in Berlin sagte, muss mittlerweile mit etwa 1,5 Millionen Anträgen gerechnet werden. Das sind 300 000 mehr als ursprünglich angenommen. Der zur Verfügung stehende Gesamtbetrag betrage aber weiter rund zehn Milliarden Mark.
200 Mark pro Fall
"Die Befürchtungen nehmen zu, dass wir mit dem Geld nicht auskommen", sagte Bräutigam. Das würde - bei dem vereinbarten System der Auszahlung in zwei Raten - bedeuten, dass die zweite Rate gekürzt werden muss. "Wir hoffen, dass dieser Fall nicht eintritt", sagte Bräutigam. Die Entschädigungsstiftung verfügt derzeit über 9,5 Milliarden Mark. Mit den noch fehlenden 600 Millionen Mark der Wirtschaft rechnet Bräutigam noch vor der Sommerpause.
Das Kuratorium appellierte an die Opfer-Anwälte, auf einen Teil ihrer Honorare in Höhe von 123 Millionen Mark zu verzichten und forderte die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft auf, sämtliche Zinserträge zu überweisen. Der Münchner Anwalt Michael Witti nannte die Forderung abwegig. Die 51 Anwälte hätten von vornherein auf umfangreiche Honorare verzichtet. Bei mehreren zehntausend Anträgen in seiner Kanzlei werde jeder der von ihm vertretenen Zwangsarbeiter-Fälle mit 200 Mark honoriert.
Die am 11. August auslaufende Frist für Anträge auf Entschädigung wollen alle Fraktionen des Bundestages bis Jahresende verlängern. Eine am Freitag eingebrachte entsprechende Gesetzesänderung soll nächste Woche beschlossen werden. Ferner soll nach Angaben der Stiftungsinitiative jetzt auch denjenigen ehemaligen Zwangsarbeitern gezielt geholfen werden, die keine Dokumente zum Nachweis ihres Anspruchs auf Entschädigung mehr besitzen. Tausende Briefe dieser Art hätten die Stiftung bereits erreicht. In 30 Prozent der Fälle könne der internationale Suchdienst des Roten Kreuzes helfen. Für die übrigen 70 Prozent werde schnellstmöglich eine Verteilstelle eingerichtet, die Anfragen gezielt an Landes-, Gemeinde- oder Firmenarchive weiterleite. Höchste Priorität räumte die Stiftung jenen Zwangsarbeitern ein, die im KZ schwere Gesundheitsschäden erlitten haben oder Opfer medizinischer Versuche geworden sind. Für deren Entschädigung zum Höchstsatz von 15 000 Mark stellte die Stiftung besondere Regeln auf.
In Tschechien und Frankfurt am Main haben unterdessen die ersten ehemaligen Zwangsarbeiter eine Abschlagszahlung erhalten. Die Postanweisungen, die am Freitag in zahlreichen Haushalten eintrafen, waren vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds zu Wochenbeginn an 2 500 ehemalige KZ-Häftlinge und an die 7 500 ältesten Zwangsarbeiter geschickt worden.
In einem symbolischen Akt überreichte in Frankfurt am Main der deutsche Repräsentant der Opferorganisation Jewish Claims Conference, Karl Brozik, jeweils 10.000 Mark an die Überlebenden. (AP, dpa)
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Berliner Zeitung Politik 23.6.2001
BerlinOnline: Verhöhnung der NS-Opfer
Verhöhnung der NS-Opfer
Rainer Pörtner
Die Auszahlung von Entschädigungen an Zwangsarbeiter hat begonnen. Nach vielen Jahren des Verdrängens, des Verweigerns und schließlich des juristischen Finassierens kommt die Industrie endlich ihrer moralischen Pflicht nach, die Sklaven des NS-Regimes zu entschädigen. Aber kaum sind die ersten Schecks feierlich überreicht, verdrängt Wut die Freude. Bereits jetzt wird klar, dass die Prognosen über die Zahl der noch lebenden, anspruchsberechtigten Zwangsarbeiter viel zu tief angesetzt wurde. Die zwangsläufige Folge: Der ohnehin dürftig dotierte Entschädigungsfonds reicht nicht aus. Da jedoch keine Vorsorge für eine Aufstockung getroffen ist, wird das einzelne NS-Opfer noch weniger erhalten als ohnehin vorgesehen.
Diese an sich schon unerträgliche Konstruktion des Fonds wird durch den penetranten Geiz vieler Unternehmen endgültig zum Skandal. Noch immer haben sie ihren vertraglich vorgesehenen Anteil nicht voll eingezahlt; noch immer weigern sich die milliardenschweren Firmen, die aufgelaufenen Zinsen in Gänze dem Fonds zur Verfügung zu stellen; noch immer wollen US-Unternehmen nicht Verantwortung für ihre deutschen Tochterfirmen übernehmen. Wie eine Verhöhnung der Opfer wirken schließlich die Honorare der 51 amerikanischen und deutschen Anwälte, die für ihre juristische Begleitung des Verhandlungsprozesses rund 125 Millionen Mark kassieren. Selbst der Opferanwalt Witti streicht mehr als acht Millionen Mark ein, weist die Bitte des Fonds um eine Spende jedoch brüsk ab. Diese Differenz zwischen Opferentschädigung und Anwaltslohn ist mehr als obszön. Sie ist widerlich.
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Berliner Zeitung Vermischtes 23.6.2001
BerlinOnline: Kirche zahlt Zwangsarbeitern sofort 1 000 Mark
Kirche zahlt Zwangsarbeitern sofort 1 000 Mark
Gemeinden wollen Ukrainer zum Besuch einladen
Marlies Emmerich
Die evangelische Kirche will ehemaligen NS-Zwangsarbeitern eine Soforthilfe von 1 000 Mark zahlen. Wie Generalsuperintendent Martin-Michael Passauer am Freitag sagte, kennt die "Arbeitsgemeinschaft für ausländische Arbeiter auf Berliner Friedhöfen" nach einjähriger Forschung die Namen von 74 osteuropäischen Zwangsarbeitern. Diese waren mit vermutlich weiteren 300 Männern zwischen 1942 und 1945 auf dem Neuköllner Friedhof Hermannstraße eingesetzt. Zu drei von ihnen hat die Kirche schon Kontakt. Kirchenhistoriker Lorenz Wilkens will nächste Woche in die Ukraine reisen und die Überlebenden zum Bußtag im November nach Berlin einladen.
Die Gemeinden werden außerdem den festgelegten Betrag im offiziellen Entschädigungsfonds von sich aus aufstocken. Die als "landwirtschaftliche Mitarbeiter" eingestuften Zwangsarbeiter bekommen laut Gesetz 1 300 Mark, Industrie-Zwangsarbeiter dagegen 5 000 Mark. "Diese Differenzsumme übernehmen wir", sagte Passauer. Außerdem können Frauen von verstorbenen Zwangsarbeitern - anders als bundesweit üblich - mit Unterstützung rechnen. Die Landeskirche hat sich darüber hinaus bereits mit 360 000 Mark am Entschädigungsfonds beteiligt. "Eine Entschädigung im juristischen und moralischen Sinn kann es eigentlich gar nicht geben", sagte Wilkens.
Laut Wilkens steht fest, dass 34 Friedhofsgemeinden stadtweit von dem Einsatz der Zwangsarbeiter profitiert haben. In nächster Zeit dehnt die Kirche ihre Forschung auf Berlin, Brandenburg und die Diakonie aus. "Ich fürchte, dass wir zu Entdeckungen kommen, die nicht sehr erfreulich sind", sagte Passauer. So soll die Gemeinde Siemensstadt für Siemens Zwangsarbeiter untergebracht haben. Gegebenenfalls müsse das Kirchenparlament im Herbst eine Sonderkollekte beschließen. Vorstellbar sei auch eine feste Summe aus dem Haushalt.
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Neue Zürcher Zeitung Politik 23.6.2001
Flut von Anträgen beim Zwangsarbeiter-Fonds
300 000 Anträge mehr als angenommen
Berlin, 22. Juni. (ap) Eine unerwartet grosse Flut von Anträgen könnte zur Kürzung der individuellen Entschädigungszahlungen an ehemalige NS-Zwangsarbeiter führen. Wie das Kuratoriumsmitglied Bräutigam der Stiftung «Erinnerung, Verantwortung und Zukunft» am Freitag nach einer Sitzung in Berlin berichtete, muss mittlerweile mit rund 1,5 Millionen Anträgen gerechnet werden, 300 000 mehr als ursprünglich angenommen. Der zur Verfügung stehende Gesamtbetrag bleibe hingegen bei rund 10 Milliarden Mark gleich gross. Falls mit dem Geld nicht auszukommen ist, würde dies bei dem vereinbarten System der Auszahlung in zwei Raten bedeuten, dass die zweite Rate gekürzt werden müsste.
Die Jewish Claims Conference in Deutschland begann vor kurzem mit den Entschädigungszahlungen. Zunächst erhalten 10 000 Personen bis zu 10 000 Mark, wie der Vertreter der Claims Conference in Deutschland sagte. Bis Ende Juli sollen in allen Ländern die ersten Entschädigungen ausbezahlt sein. Wie Bräutigam in Berlin weiter sagte, hat das Kuratorium der Stiftung die Honorare der Opfer-Anwälte in Höhe von insgesamt 123 Millionen Mark gebilligt, weil dies im Entschädigungsvertrag so vorgesehen sei. Es habe aber zugleich förmlich an die Anwälte appelliert, einen angemessenen Teil davon der Stiftung oder für einen vergleichbaren Zweck zu spenden.
Fehlende Belege
Nach Angaben von Bräutigam soll jetzt auch denjenigen ehemaligen Zwangsarbeitern gezielt geholfen werden, die keine Dokumente zum Nachweis ihres Anspruchs auf Entschädigung mehr besitzen. Tausende von Briefen dieser Art hätten die Stiftung bereits erreicht. In 30 Prozent der Fälle könne der internationale Suchdienst des Roten Kreuzes helfen. Für die übrigen 70 Prozent werde chnellstmöglich eine Verteilstelle eingerichtet, die die Anfragen gezielt an Landes-, Gemeinde- oder Firmenarchive weiterleite. Sei auch das erfolglos, werde eine spezielle Arbeitsgruppe weitere Archive durchsuchen und bisher unerschlossene Dokumentationen aufarbeiten.
Beschlossen wurden nach Angaben Bräutigams auch Richtlinien für die Entschädigung von Opfern des nationalsozialistischen Regimes mit schweren Gesundheitsschäden. Mit Priorität und dem Höchstsatz von 15 000 Mark werden danach Opfer medizinischer Versuche entschädigt, dazu Kinder, die in Zwangsarbeiter-Kindergärten schwere psychische Defekte erlitten haben, sowie Mütter, deren Kinder in diesen Stätten umgekommen sind.
23. Juni 2001
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Münchener Merkur Politik 23.6.2001
Zwangsarbeiter: Antragsflut bringt Stiftung in Nöte
Weiter Streit um Anwaltshonorare
Die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter bekommen wahrscheinlich weniger Geld als erwartet. Nach Angaben der Entschädigungsstiftung gab es weit mehr Anträge als erwartet. Der Streit um die Anwaltshonorare dauert an.
Hans Otto Bräutigam, Kuratoriumsmitglied der Stiftung, rechnet inzwischen mit 1,5 Millionen Anträgen, 300 000 mehr als angenommen. Der zur Verfügung stehende Gesamtbetrag bleibe hingegen bei rund zehn Milliarden Mark. "Die Befürchtungen nehmen zu, dass wir mit dem Geld nicht auskommen", sagte Bräutigam. Das würde - bei dem vereinbarten System der Auszahlung in zwei Raten - bedeuten, dass die zweite Rate gekürzt werden müsse.
Nach Angaben Bräutigams billigte das Kuratorium der Stiftung die Honorare der Opfer-Anwälte in Höhe von insgesamt 123 Millionen Mark (62,9 Millionen Euro), weil dies in dem Entschädigungsvertrag so vorgesehen sei. Es habe aber zugleich förmlich an die Anwälte appelliert, einen "angemessenen Teil" des Honorars der Stiftung oder für einen vergleichbaren Zweck zu spenden. Zuvor hatte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, die Honorare als "unmoralisch" kritisiert. Auch Spiegel forderte die Anwälte zu Spenden auf.
Der Münchner Opferanwalt Michael Witti sagte: "Ein Abtreten von Honoraransprüchen kommt für mich nicht in Frage." Witti erhält 8,3 Millionen Mark. Der Sprecher der Stiftungsinitiative, Wolfgang Gibowski, erklärte: "Herr Witti gehört zu dieser Gruppe von Leuten, die Wasser predigen und Wein trinken."
Mm
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Kölner Stadt-Anzeiger Politik 23.6.2001
Entschädigungsfonds reicht eventuell nicht
Berlin - Die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter werden wegen einer unerwarteten Flut von Anträgen möglicherweise nicht die volle Entschädigung erhalten.
Nach aktuellen Angaben der Stiftung für die Entschädigung wachsen die Sorgen, das Geld aus dem von Staat und Wirtschaft gespeisten 10-Milliarden-Mark-Fonds (5,1 Milliarden Euro) könnte nicht ausreichen.
In Tschechien und in Frankfurt haben am Freitag die ersten ehemaligen Zwangsarbeiter eine Abschlagszahlung erhalten. Alle Fraktionen des Bundestages sind sich einig, die am 11. August auslaufende Antragsfrist bis Jahresende zu verlängern.
Nach dem jetzigen Stand sei mit 1,5 Millionen oder mehr Anträgen zu rechnen, meldete Stiftungsvorsitzender Michael Jensen am Freitag, 300.000 mehr als bisher angenommen. Jüngsten Schätzungen zufolge leben noch etwa 1,8 Millionen der einst zehn bis zwölf Millionen Zwangsarbeiter.
"Die Befürchtungen nehmen zu, dass wir mit dem Geld nicht auskommen", sagte Stiftungsvorstandsmitglied Hans Otto Bräutigam in Berlin.
Das Kuratorium appellierte an die Anwälte, auf einen Teil ihrer Honorare zu verzichten und forderte die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft auf, sämtliche Zinserträge zu überweisen. Es hatte zuvor die von zwei Schiedsstellen geprüften Anwaltshonorare in Höhe von knapp 125 Millionen Mark gebilligt.
Der Münchner Anwalt Michael Witti nannte die Verzichtsforderung abwegig. Die 51 Anwälte hätten von vornherein auf umfangreiche Honorare verzichtet. Bei mehreren zehntausend Anträgen in seiner Kanzlei werde jeder der von ihm vertretenen Zwangsarbeiter-Fälle mit 200 Mark honoriert.
Bisher sind laut Bräutigam 350.000 Anträge geprüft und entschieden worden. Sollte das Geld nicht ausreichen, müsste die zweite Rate gekürzt werden. "Wir hoffen, dass dieser Fall nicht eintritt."
Zu wenig Geld sei für die International Organisation for Migration (IOM) eingeplant, die mit 540 Millionen Mark nichtjüdische Opfer in der restlichen Welt außerhalb Ost- und Mitteleuropas entschädigen soll.
Am Freitag sind bei rund 10.000 ehemaligen Zwangsarbeitern in 25 Ländern erste Zahlungen eingegangen, sagte eine Sprecherin der Opferorganisation Jewish Claims Conference, die weltweit für die Auszahlung an jüdische Zwangsarbeiter zuständig ist.
In Tschechien erhielten mehrere tausend NS-Zwangsarbeiter gestern ihre erste Entschädigungsrate per Postanweisung. (dpa,afp)
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Handelsblatt Wirtschaft 23.6.2001
Mehr zum Thema: Zwangsarbeiter-Entschädigung Bundestag öffnet Weg für Zwangsarbeiter-Entschädigung (30.05.)
HANDELSBLATT, Freitag, 22. Juni 2001
Unerwartete Flut von Anträgen
NS-Zwangsarbeiterfonds eventuell nicht ausreichend
dpa BERLIN. Die ehemaligen NS-Zwangsarbeiter werden wegen einer unerwarteten Flut von Anträgen möglicherweise nicht die volle Entschädigung erhalten. Damit wachsen die Sorgen, das Geld aus dem von Staat und Wirtschaft gespeisten 10-Mrd.-Mark-Fonds (5,1 Mrd. Euro) könnte nicht ausreichen. In Tschechien und in Frankfurt/Main haben am Freitag die ersten ehemaligen Zwangsarbeiter eine Abschlagszahlung erhalten. Alle Fraktionen des Bundestages wollen die am 11. August auslaufende Antragsfrist bis Jahresende verlängern. Die am Freitag eingebrachte Gesetzesänderung soll nächste Woche beschlossen werden.
Nach dem jetzigen Stand sei mit 1,5 Millionen oder mehr Anträgen zu rechnen. Jüngsten Schätzungen zufolge leben noch etwa 1,8 Millionen der einst 10 bis 12 Millionen Zwangsarbeiter.
"Die Befürchtungen nehmen zu, dass wir mit dem Geld nicht auskommen", sagte das Vorstandsmitglied der Bundesstiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", Hans Otto Bräutigam, am Freitag in Berlin. Das Kuratorium appellierte an die Anwälte, auf einen Teil ihrer Honorare zu verzichten und forderte die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft auf, sämtliche Zinserträge zu überweisen.
Anwaltshonorare gebilligt
Das Kuratorium hatte die von zwei Schiedsstellen geprüften Anwaltshonorare in Höhe von knapp 125 Mill. Mark gebilligt. Der im Kuratorium vertretene US-Opferanwalt Burt Neuborne habe den Appell zum Honorarverzicht begrüßt, sagte Bräutigam. Der Münchner Anwalt Michael Witti nannte die Forderung dagegen abwegig. Die 51 Anwälte hätten von vornherein auf umfangreiche Honorare verzichtet. Bei mehreren zehntausend Anträgen in seiner Kanzlei werde jeder der von ihm vertretenen Zwangsarbeiter-Fälle mit 200 Mark honoriert.
Bisher sind laut Bräutigam 350 000 Anträge geprüft und entschieden worden. Sollte das Geld nicht ausreichen, müsste die zweite Rate gekürzt werden. "Wir hoffen, dass dieser Fall nicht eintritt." Zu wenig Geld sei für die International Organisation for Migration (IOM) eingeplant, die mit 540 Mill. Mark nicht-jüdische Opfer in der restlichen Welt außerhalb Ost- und Mitteleuropas entschädigen soll.
Mit einer zusätzlichen Nachforschungsstelle will die Bundesstiftung jenen Nazi-Opfern helfen, die den erforderlichen Nachweis über ihre Zwangsarbeit nicht leisten können. In Berlin seien bereits Tausende von Briefen mit der Bitte um Hilfe eingegangen. Von der Bundesregierung abgestellte Spezialisten sollen jetzt in weiteren Archiven nach Belegen suchen.
Höchste Priorität räumte die Stiftung jenen Zwangsarbeitern ein, die im KZ schwere Gesundheitsschäden erlitten haben oder Opfer medizinischer Versuche geworden sind. Für deren Entschädigung zum Höchstsatz von 15 000 Mark stellte die tiftung besondere Regeln auf. Dafür gibt es aus dem Stiftungsfonds 50 Mill. Mark.
Für die Entschädigung der Zwangsarbeiter sind aus dem Fonds gut 8,2 Mrd. vorgesehen, die durch Zinserträge noch wachsen können. Die Stiftung verfügt jetzt über 9,5 Mrd. Mark. Mit den noch fehlenden 600 Mill. Mark der Wirtschaft rechnet Bräutigam noch vor der Sommerpause. Der Bundesanteil brachte bislang 116 Mill. Mark Zinsen ein. Die Wirtschaft hat bisher 100 Mill. Mark Zinsen überwiesen. Aus Zustiftungen, zu denen unter anderem der Schriftsteller Günter Grass aufrief, kommen 20,3 Mill. Mark.
Erste Rate erhalten
In Tschechien haben am Freitag mehrere tausend NS-Zwangsarbeiter die erste Rate ihrer Entschädigung erhalten. Die Postanweisungen, die am Freitag in zahlreichen Haushalten eintrafen, waren vom Deutsch- Tschechischen
Zukunftsfonds zu Wochenbeginn an 2 500 ehemalige KZ-Häftlinge und an die 7 500 ältesten Zwangsarbeiter geschickt worden.
In einem symbolischen Akt überreichte in Frankfurt/Main der deutsche Repräsentant der Opferorganisation Jewish Claims Conference (JCC), Karl Brozik, jeweils 10 000 Mark an die Überlebenden. Am Freitag seien bei rund 10 000 ehemaligen Zwangsarbeitern in 25 Ländern erste Zahlungen auf den Konten eingegangen, sagte eine Sprecherin. Die JCC ist mit Ausnahme der osteuropäischen Stiftungsländer weltweit für die Auszahlung an jüdische Zwangsarbeiter zuständig.
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Fränkischer Tag Lokales 23.6.2001
Das Geld bekommt die Nichte
Zwangsarbeiter-Entschädigung lässt den Prager Bedrich Blasko eher kalt
PRAG. Am 22. Juni 1941 dachte der Tscheche Bedrich Blasko, er hätte den Zweiten Weltkrieg hinter sich. Nach monatelanger harter Zwangsarbeit auf einem Bauernhof unter SS-Aufsicht wurde der Tischler zurück nach Prag geschickt. Der damals 23-Jährige ahnte nicht, dass das Schlimmste erst kommen sollte. Auf den Tag genau 60 Jahre nach seinem Frondienst in Deutsch- Brod (heute Havlickuv brod) hat Blasko als einer der ersten früheren Zwangsarbeiter eine Entschädigung erhalten.
Wenn Bedrich Blasko sagt, dass "bestimmte Dinge nicht mit Geld wieder gutgemacht" werden könnten, denkt er nicht nur an sein Rückgrat. Die schlimme Verkrümmung stammt vom Raubbau, den der damals 45 Kilo "schwere" Zwangsarbeiter in den Lagern deutscher Faschisten mit seinem Körper treiben musste, um zu überleben. Nach seinem Leidensweg durch Gestapo-Gefängnisse und in Nazi- Transporten lässt ihn die finanzielle Geste aus Deutschland aber eher kalt.
Nach der Zwangsarbeit auf dem Bauernhof war Blasko im Herbst 1941 unter den ersten 300 Juden, die in das Getto Theresienstadt (Böhmen) gebracht wurden.
Der Kontakt mit "normalen Tschechen" war verboten. "Eines Tages wurde ich mit 13 Insassen beschuldigt, Postlieferungen aus dem Getto zu schmuggeln", so Blasko. Zwölf Kameraden wurden gehenkt, er entging als "Facharbeiter" dem Tod.
Wochen später wurde er jedoch in die gefürchtete "Große Festung Theresienstadt" geschickt - "Da zog ich still für mich Bilanz", sagt Blasko.
Wieder entkam er der sicher geglaubten Ermordung: "Mit typisch deutschem Ordnungssinn hat ein SS-Mann auf die Liste geschaut und gesagt: Moment, das ist ja ein Häftling zuviel", sagt Blasko mit bitterem Schmunzeln. Er wurde zurück ins Getto geschickt, wo er zwei Jahre lang als Heizer arbeitete. Im Herbst 1944 aber kam Blasko dem Tod so nah wie nie: "Mit 5000 Häftlingen, darunter mein Vater, wurde ich nach Auschwitz geschickt. An der Rampe wählten die heute oft gedächtnisgestörten Vertreter der deutschen Industrie Arbeiter aus: Ich wurde nach links geschickt, mein Vater nach rechts. Ich habe ihn nie wieder gesehen.
In Schlesien sollten wir mit primitivsten Mitteln eine unterirdische Fabrik bauen, aber im Februar 1945 wurden wir in eine Propellerfabrik gebracht." Dort, in der Nähe von Nachod (Ostböhmen), erfuhr er vom Kriegsende. Die mehreren tausend Mark für seine damaligen Leiden zahlte der Senior noch am Freitag auf ein Konto für seine Nichte ein. "Sie wird im Januar 18 Jahre alt. Dann kann sie mit dem Geld machen, was sie will", betont Blasko.
© Fränkischer Tag 2001
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Financial Times Politik 23.6.2001
Zwangsarbeiter: Angst vor Sickerlöchern
Von Andrzej Rybak, Moskau, und Anton Notz, Berlin
Aus der FTD vom 22.6.2001
Unter Russlands NS-Opfern wächst die Befürchtung, dass bei der Zwangsarbeiter-Entschädigung Millionen in falsche Hände geraten.
An der großen Menschentraube ist der Sitz der "Stiftung für Verständnis und Versöhnung" leicht zu erkennen. Seit Beginn der Marktreformen vor neun Jahren sind die Schlangen in Moskau selten geworden. Diese zieht noch aus einem anderen Grund die Aufmerksamkeit an: Die Wartenden sind alte Menschen, die sich kaum auf den Beinen halten können. Ihre ärmliche Kleidung, ihre ausgelatschten Schuhe zeugen von einer untergegangenen Epoche.
In der Stolowyj Gasse versammeln sich seit Wochen ehemalige NS-Zwangsarbeiter und KZ-Insassen, die 56 Jahre nach dem Krieg endlich auf eine Entschädigung für ihre verlorene Jugend und ruinierte Gesundheit hoffen. Bei der Stiftung, die die Gelder verteilen wird, suchen sie Auskunft über die Antragsbestimmungen, die Auszahlungspraxis und die Beschaffung von notwendigen Dokumenten.
An Sprechtagen reihen sich bis zu 50 Menschen in die Schlange ein, die sich vor dem Eingang bildet - bei Sonnenschein wie bei Regen. Die Alten sind verbittert: "Das ganze Leben haben wir auf eine Entschädigung gewartet", schimpft Tatjana Gurjewa, eine stämmige Frau mit breitem Gesicht. "Nun müssen wir noch mal durch die Mühlen der Bürokratie, um ans Geld zu kommen."
Der Zorn und das Misstrauen gilt heute nicht mehr den Deutschen, sondern den eigenen - russischen - Stellen. Zumal die Befürchtung wächst, dass Millionensummen verschwinden und in falsche Hände geraten könnten. "Unsere Beamten sind doch nicht daran interessiert, das Geld schnell zu verteilen - je länger es dauert, desto länger werden sie ihre Pfründen behalten", sagt Walerij Petrow, ein schlecht rasierter schlaksiger Mann mit Hut.
Russland hinkt hinterher
Anders als etwa die polnische und die tschechische Partnerstiftung war die Dependance in Moskau lange Zeit vorwiegend mit sich selbst beschäftigt: mit Postengeschachere, Umzug, Bürokratie. Erst in den nächsten Tagen soll - nach monatelangem Hinhalten - ein Vertrag mit der deutschen Stiftung zustande kommen, der die Auszahlungsmodalitäten regelt.
Schlusslicht Russland: Während in Polen 185.000 der 450.000 Anträge bereits verifiziert sind, hat Moskau gerade einmal 20.000 Anträge überprüft. "Wir brauchen jetzt zwei Jahre, bis alle Anspruchsberechtigten die erste Rate erhalten haben", bedauert Michael Jansen, Vorstandsvorsitzender der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft". Bis dahin sind viele der NS-Opfer tot.
Fünf Millionen Sowjetbürger, darunter viele Kinder, waren während des Krieges nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt worden. In Russland dürften heute noch mindestens 350.000 der ehemaligen Arbeitssklaven am Leben sein. Für sie stehen etwa 835 Mio. DM bereit aus dem Zehn-Milliarden-Fonds, den die deutsche Wirtschaft und die Bundesregierung eingerichtet haben.
Die Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Natalja Malyschewa, bittet angesichts des Unmuts unter russischen Antragstellern um etwas Geduld. Die frühere Mitarbeiterin von Präsident Wladimir Putin im Bürgermeisteramt von St. Petersburg hat die Stiftung erst Ende Mai übernommen. Jetzt will sie elementare Ordnung schaffen, damit "keine Zweifel an der gewissenhaften Verteilung der Gelder" mehr aufkommen können. Ihr Vorgänger, Alexander Sasonow, ein ehemaliger KGB-General, hatte den Job entnervt nach nur fünf Monaten hingeworfen. Er habe einen derartigen "Sumpf" nie zuvor erlebt, soll er gesagt haben.
Geld versickert
Die Sorge, Millionenbeträge könnten in dunklen Kanälen verschwinden, kommt nicht von ungefähr: Von der ersten Wiedergutmachung in Höhe von 400 Mio. DM, die die Bundesregierung 1993 an Russland gezahlt hatte, sind rund 83 Mio. DM versickert. So steht es im jüngsten Bericht des russischen Rechnungshofes. Nach den Zuweisungssätzen hätten damit zusätzlich 60.000 Menschen entschädigt werden können.
Das damals in drei großen Batzen aus Deutschland überwiesene Geld wurde bei zwölf Banken deponiert, die zum Teil alles andere als solide waren. Die Tweruniversalbank beispielsweise ging Pleite - 40 Mio. DM konnten nicht mehr gerettet werden. Zudem ließ sich das Management der russischen Stiftung auf riskante Wertpapiergeschäfte ein, um selbst Geschäfte zu machen. Das Finanzabenteuer endete in der Rubelkrise 1998 mit hohem Verlust. Gegen den früheren Vorstandsvorsitzenden Viktor Knjasew ermittelt bis heute die russische Staatsanwaltschaft.
Es ist nie geprüft worden, ob jene 305.000 Russen, die damals unter den 375.000 Anspruchsberechtigten ausgewählt wurden, tatsächlich das erhielten, was ihnen zustand. Nach Informationen der russischen Tageszeitung "Iswestja" flossen auf Grund von gefälschten Urkunden etwa 26 Mio. DM an allerlei Schwindler, die nie in deutscher Gefangenschaft waren. Auch diesmal dürften wieder "tote Seelen" um die Entschädigung streiten. Allerdings müssen Gauner unter erschwerten Bedingungen tricksen: Erben von Zwangsarbeitern, die nach dem 16. Februar 1999 verstarben, haben ebenfalls Anspruch.
Staatsbank verteilt Gelder
"So wie manche das Finanzamt bescheißen, werden einige jetzt versuchen, uns zu bescheißen", sagt Michael Jansen. "Aber wir haben zahlreiche Sicherungen eingebaut." So werden die Gelder in zwei Tranchen ausgezahlt: 65 Prozent in einer ersten, 35 Prozent später in einer zweiten Rate. Die Entschädigungen liegen je nach Härte der Schicksale zwischen 15.000 DM (KZ-Häftlinge) und 5000 DM (Zwangsarbeiter).
Die Verteilerrolle übernimmt ausschließlich die Sberbank, die vom Staat kontrollierte russische Sparkasse. Mit 25.000 Zweigstellen hat sie das größte Filialnetz des Landes und auch die höchste Kapitalausstattung vorzuweisen. Zunächst erhält sie nur eine Teilsumme für jeweils 10.000 Berechtigte. Binnen zehn Tagen muss die Bank das Geld an die Opfer weiterreichen - "belegt durch eine Originalbestätigung, die wir hier in Berlin archivieren werden", wie Stiftungssprecher Kai Hennig betont. Wirtschaftsprüfer überwachen, ob die Stiftung ordentlich haushaltet.
In Polen und Tschechien unterstützen Opfer- und Veteranenverbände die Arbeit der nationalen Stiftungen. In Russland bleiben sie außen vor: "Wir werden überhaupt nicht berücksichtigt oder konsultiert", klagt Nikolai Uwajskij vom Veteranenverband. "Ein Fehler, denn wir haben ein echtes Interesse an einer gerechten Abwicklung der Zahlungen und könnten sie wenigstens beaufsichtigen."
In Kiew und Minsk sind gerade Prüfteams unterwegs, die Stichproben machen, um Missbrauch zu verhindern. Demnächst werden sie auch in Moskau anrücken. Doch russische Experten halten die Kontrollen für wenig effektiv. Höchstens vier Prozent aller bewilligten Anträge können gecheckt werden. Insgesamt sind drei Teams mit jeweils drei Mann für alle Länder zwischen dem Baltikum und dem Schwarzen Meer zuständig. "Das ist doch ein Witz, was sollen die schon merken", grinst ein russischer Stiftungsmitarbeiter.
Die deutschen Partner halten die Kontrollen für ausreichend. "Wir können nicht 100 Prüfer einstellen. Das ginge alles auf Kosten der Zwangsarbeiter", sagt Stiftungsvorstand Jansen. Aus gutem Grund seien die Verwaltungskosten auf maximal fünf Prozent begrenzt worden. "Damit müssen wir auskommen." Bei seinen Besuchen vor Ort hat Jansen den Eindruck gewonnen, dass die Anträge "sehr streng" bearbeitet würden. Bisher wisse er lediglich von "einzelnen Fälschungsversuchen, die aber so plump waren, dass sie auffallen mussten".
Der Kampf, der im Mai um den Vorsitz der russischen Stiftung ausgebrochen war, lässt allerdings Schlimmeres vermuten. Hohe Beamte und einflussreiche Geschäftsleute sollen sich um den mit 400 DM im Monat dotierten Posten beworben haben, erzählt die Aufsichtsratsvorsitzende der Stiftung, Ljudmilla Narusowa. Die Witwe des früheren Bürgermeisters von St. Petersburg, Anatolij Sobtschak, versucht sich gerne als Sauberfrau in Szene zu setzen. Ihr selbst eilt jedoch auch nicht gerade ein guter Ruf voraus. Zwar wurden die früheren Ermittlungen gegen das Ehepaar Sobtschak nach einem Kreml-Befehl eingestellt, aber die Gerüchte über Korruption sind nicht aus der Welt.
Der "Stiftung für Verständnis und Versöhnung" steht noch eine gigantische Aufgabe bevor.
Während in Mitteleuropa seit Monaten eine massive Informationskampagne läuft, beschränkten sich die Russen bisher auf Mundpropaganda. Die Sozialämter in der Provinz sind schlecht unterrichtet, geschweige denn auf die Eingaben vorbereitet "Sie haben meinen Antrag angenommen, baten mich aber, niemandem davon zu erzählen", erzählt Sergej Kostin. Beim russischen Veteranenverband sind bereits alarmierende Berichte eingegangen, dass Beamte für ihre Hilfe bei der Bearbeitung Geld verlangen.
© 2001 Financial Times Deutschland
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Rheinpfalz Online Lokales 23.6.2001
Tagung Fremdarbeit in der Pfalz
Rundgang bei Melchior Hess - "Es hat sich fast nichts verändert"
Zum Thema "Fremdarbeit in der Pfalz während des Nationalsozialismus" hatten die Wissenschaftliche Kommission des "Historischen Vereins der Pfalz" in Zusammenarbeit mit der "Arbeitsgemeinschaft Speyerer Archive" zu einer Tagung in die Domstadt eingeladen.
Dr. Gabriele Stüber vom Zentralarchiv der evangelischen Kirche der Pfalz begrüßte am Freitagvormittag die Teilnehmer aus der Pfalz, dem Elsass und dem Saarland.
Den Vorträgen des Vormittags folgte am Nachmittag eine hautnahe Begegnung mit der Vergangenheit: Dorothee Menrath, die Leiterin des Speyerer Stadtarchivs, führte die Gruppe durch die ehemalige Munitionsfabrik Melchior Hess. Sie folgte dabei einem Rundgang, den sie selbst vor drei Jahren mit der Russin Olga Marquard unternommen hatte. Diese war im Mai 1942 - im Alter von 17 Jahren - mit ihrer Mutter als Zwangsarbeiterin nach Speyer gekommen.
"Sie hat alles wiedererkannt, es hat sich fast nichts verändert", erzählt Menrath. Links neben der Einfahrt steht noch die alte Sanitätsbaracke, etwas weiter, gegenüber dem Kesselhaus, ist das ehemalige Wohnhaus der 60 russischen Frauen vollständig erhalten. "Oben waren die Schlafzimmer, unten der Aufenthaltsraum", zeigt sie.
Ganz am Ende rostet eine Wellblechbaracke vor sich hin. Menrath: "Hier wohnten 35 Ukrainerinnen." Etwa 2000 Zwangsarbeiter aus Russland, der Ukraine, Polen und Frankreich haben in 135 Speyerer Betrieben, bei Handwerkern, in der Landwirtschaft und in Haushalten gearbeitet, meint sie weiter. Die großen Betriebe, wie Siemens, die Flugzeugwerke oder Melchior Hess hätten eigene Unterbringungsmöglichkeiten gehabt, viele hätten aber auch in Lagern gelebt.
Die Geheimhaltung, der die Flugzeugwerke im Dritten Reich natürlich besonders unterworfen waren, funktioniere bis heute, weiß die Chefin des Speyerer Archivs: "Bis heute wissen wir nicht, wie viele Zwangsarbeiter dort gearbeitet haben."
Für mehr Aufklärung sorgt dagegen die deutsche Bürokratie, die offensichtlich selbst unter den Umständen jener Tage funktioniert hat. So berichtete Franziska Blum-Gabelmann aus Mannsweiler-Cölln von einem Brief, den ihre Projektgruppe aus Russland erhalten hatte.
"Die Frau wusste nur noch, dass sie in Gau Algesheim in einer Küche geboren wurde." Sie habe eine Geburtsurkunde haben wollen. Beim Standesamt wurde man fündig. "Das war dort verzeichnet, man konnte ihr helfen." Viele andere Briefe, die das Speyerer Archiv erreichen, berichten von schlechter Ernährung, mangelhafter Bekleidung. Vor allem aber auch vom diskriminierenden Aufnäher "OST", den alle tragen mussten, wenn sie das Lager verlassen durften. (www)
RON - RHEINPFALZ ONLINE, Samstag, 23. Jun , 03:45 Uhr
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Nordwest Zeitung Lokales 23.6.2001
Privathilfen für Ex-Zwangsarbeiter
dpa Göttingen. Mehr als 100 Bürger engagieren sich inzwischen in einer privaten Initiative zur Direkthilfe für ehemalige Göttinger Zwangsarbeiter. Sie haben sich bereit erklärt, das Projekt mit monatlich 50 DM zu fördern. An 15 frühere Zwangsarbeiter aus Osteuropa seien bereits Beträge von jeweils 500 DM geflossen, berichtete ein Sprecher gestern. Die Initiative habe mittlerweile Kontakt zu weiteren rund 85 ehemaligen Zwangsarbeitern. Auch sie sollen möglichst bald Zahlungen erhalten.
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Neue Osnabrücker Zeitung Lokales 23.6.2001
Rund um Osnabrück
Ein Groschen für jeden Bissendorfer
Bissendorf (ra)
"Sehr bemerkenswert. Die Bissendorfer beweisen vorbildlich ihr Verantwortungsbewusstsein für die gesamte deutsche Geschichte". Mit diesen Worten hat Erika Steinbach aus dem Vorstand der Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen" gestern die einstimmige Entscheidung des Gemeinderates gelobt, für ein Dokumentationszentrum in Berlin 1500 Mark zu spenden.
Die im September vergangenen Jahres gegründete gemeinnützige Stiftung der deutschen Heimatvertriebenen will vor allem mit der Einrichtung eines Zentrums weltweit Vertreibungen entgegenwirken. Geplant ist eine „zentrale Informations-, Dokumentations-, Archiv- und Begegnungsstätte in Berlin als nationales und internationales Zentrum gegen Vertreibung, für menschliche Begegnung, friedliche Nachbarschaft zwischen den Völkern, Verständigung und Versöhnung. Gleichberechtigte Vorsitzende der überparteilichen Stiftung sind die CDU-Bundestagsabgeordnete Steinbach und der frühere Bundesgeschäftsführer der SPD, Peter Glotz.
Erika Steinbach, die zugleich Präsidentin des Bundes der Vertriebenen ist, bezifferte den Kapitalbedarf, aus dessen Zinserträgen die Aktivitäten finanziert werden sollen auf rund 15 Millionen Mark. Das Gebäude in Berlin, in dem das „Zentrum gegen Vertreibung" eingerichtet werden solle, sollte nach den Vorstellungen der Stiftung vom Bund kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Finanzielle Zuschüsse erhofft sich die Organisation außerdem von den Bundesländern. Durch die Übernahme von Patenschaften und die Gewährung einmaliger Spenden sollen auch die deutschen Städte und Gemeinden das Projekt unterstützen.
„Jede Gemeinde, die sich einmalig mit einem Groschen pro Einwohner zugunsten der Stiftung beteiligt, wird in unser Internet-Patenbuch aufgenommen und erhält eine Patentafel im Zentrum gegen Vertreibungen", heißt es in einen Schreiben, das im April auch in der Bissendorfer Gemeindeverwaltung eingetroffen ist. Würden alle deutschen Kommunen die Initiative wie gewünscht unterstützen, kämen rund acht Millionen Mark zusammen. „Uns geht es weniger um die finanzielle Seite als um ein Zeichen der Solidartät", meinte die CDU-Bundestagabgeordnete Steinbach gestern auf Anfrage. Aus ganz Deutschland liegen nach ihren Worten bislang gut 50 feste Zusagen sowie mehrere Dutzend Absichtserklärungen vor. Das „Zentrum gegen Vertreibung" soll allgemein zugänglich einen Gesamtüberblick über die Vertreibung der mehr als 15 Millionen Deutschen geben und der Aufarbeitung dieses Teils deutscher und europäischer Geschichte dienen.
„In der Hauptstadt Berlin und über das Internet wollen wir dazu beitragen, Vertreibungen weltweit zu ächten und die Völkergemeinschaft zu sensibiliseren", heißt es in dem von Steinbach und Glotz unterzeichneten Schreiben an die Kommunen, „wir wollen auch die Integration der vielen entwurzelten Landsleute in den Städten und Gemeinden mit den Auswirkungen auf alle Lebensbereiche dokumentieren und darstellen. Die Leistungen der Gemeinden sollen dabei ebenso sichtbar werden wie der Integrationswille der Heimatvertriebenen und Aussiedler".
Wie Bissendorfs hauptamtlicher Bürgermeister Georg Harcke gestern auf Anfrage erklärte, wolle die Gemeinde mit ihrem Engagement „ein Zeichen setzen". Harcke, auf dessen Inititive hin der Beschlussvorschlag im Verwaltungsausschuss und am Donnerstagabend auch im Gemeinderat einstimmig gebilligt wurde, sprach von einer moralischen Verpflichtung.
Viele Vetriebene hätten ebenso entsetzlich gelitten wie Zwangsarbeiter.
Bissendorf war im vergangenen Jahr die erste und bislang einzige Kommune in der Osnabrücker Region, die sich mit einem symbolischen Betrag von 15000 Mark (eine Mark für jeden Einwohner) an dem Entschädigungsfond für die Zwangsarbeiter beteiligt hat.
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Frankfurter Neue Presse Vermischtes 23.6.2001
Salomon Korn: Zahlungen kommen zu spät
Frankfurt. In einem symbolischen Akt haben gestern ehemalige NS-Zwangsarbeiter in Frankfurt die erste Rate ihrer Entschädigung erhalten. Der deutsche Repräsentant der Opferorganisation Jewish Claims Conference (JCC), Karl Brozik, übergab jeweils 10 000 Mark an die Holocaust-Überlebenden.
Er wisse, so Brozik, "dass die bescheidene Summe in keiner Weise das erlittene Leid und die persönlichen Verluste wieder gut machen kann". Der ehemalige Zwangsarbeiter Siegfried Grünebaum bezeichnete die Zahlungen als "Taschengeld". "Ich habe damals alles verloren, Geld kann das nicht aufwiegen", sagte der 75-Jährige.
Salomon Korn, Mitglied des Präsidiums des Zentralrats der Juden und Vorsitzender des Vorstandes der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, betonte, dass ein Teil des materiellen Wohlstandes in Deutschland auf die Leistung der Zwangsarbeiter zurück gehe: "Ohne sie hätte es das Wirtschaftswunder nicht gegeben." Die Entschädigungszahlungen beurteilte er deshalb "nicht allein als moralischen Akt, sondern als materielle Teilkompensation einer materiellen Schuld". Keinen Zweifel ließ Korn an seiner Enttäuschung über den immer wieder verzögerten Termin des Beginns der Auszahlung: "Es kommt zu spät." Um weiteren ehemaligen Zwangsarbeitern die Möglichkeit einer Entschädigungszahlung zu geben, wird die Antragsfrist bis zum 31. Dezember dieses Jahres verlängert. Ursprünglich sollte sie im August enden.
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TAZ Vermischtes 22.6.2001
Andrang beim Fonds
Die Stiftung der Wirtschaft rechnet mit 300.000 mehr Anträgen von
NS-Zwangsarbeitern. Geld wird knapp: Opfer-Anwälte sollen spenden
BERLIN dpa/ap Eine unerwartet große Antragsflut könnte zur Kürzung der individuellen Entschädigungszahlungen an fühere NS-Zwangsarbeiter führen. Wie Hans Otto Bräutigam von der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" am Freitag berichtete, muss mit rund 1,5 Millionen Anträgen gerechnet werden, 300.000 mehr als angenommen. Der zur Verfügung stehende Gesamtbetrag bleibe bei rund zehn Milliarden Mark.
"Die Befürchtungen nehmen zu, dass wir mit dem Geld nicht auskommen", sagte Bräutigam. Die erste Zahlung an die Opfer, ein Abschlag von mindestens 65 Prozent, sei für alle Betroffenen gesichert. Ob Kürzungen bei der zweiten Rate erforderlich seien, lasse sich erst nach Eingang aller Anträge entscheiden. Im Stiftungsgesetz sind feste Fonds für polnische, tschechische, russische, weißrussische, ukrainische und jüdische Opfer vorgesehen. Zwischen diesen Fonds ist kein Ausgleich vorgesehen, da die Ländervertreter ihren Anteil festschreiben wollten. Die Forderung an die Rechtsanwälte der Zwangsarbeiter, einen Teil ihrer Honorare zu spenden, wurde unterdessen zurückgewiesen.
taz Nr. 6478 vom 23.6.2001, Seite 2, 39 Zeilen Agentur
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Frankfurter Rundschau Politik 22.6.2001
Mehr Antragsteller als erwartet
NS-Opfer dürfen nicht mit der versprochenen Summe rechnen
Von Matthias Arning
Ehemalige NS-Zangsarbeiter können nicht damit rechnen, die komplette versprochene Entschädigung zu bekommen. Die für die Zahlungen zuständige Bundesstiftung geht inzwischen von wesentlich mehr Antragstellern aus als ursprünglich geplant: "Wir rechnen jetzt mit 1,5 Millionen plus X", sagte Stiftungsvorstand Hans Otto Bräutigam am Freitag der FR.
FRANKFURT A. M., 22. Juni. Die Bundesstiftung ging nach eigenen Angaben bislang davon aus, dass etwa 1,2 Millionen "plus X" ehemalige Zwangsarbeiter Ansprüche an den Entschädigungsfonds anmelden würden. Doch der Vorstand muss diese Prognose mittlerweile nach oben korrigieren. Genaue Zahlen ließen sich allerdings erst dann nennen, wenn Ende des Jahres die mittlerweile verlängerte Frist für entsprechende Anträge abläuft, sagte Vorstand Bräutigam nach der jüngsten Sitzung des Kuratoriums.
Das führt dazu, dass die Opfer mit einer wesentlich geringeren Entschädigung rechnen müssen. Festgesetzt wurden Beträge zwischen 5000 und 15 000 Mark, gestaffelt nach "der Schwere des Leids". Davon gezahlt werden zunächst erste Raten, die von den Partnerorganisationen der Bundesstiftung zumeist bei 65 Prozent festgesetzt worden sind. Nach den ersten Zahlungen aus dem mit insgesamt zehn Milliarden Mark ausgestatten Fonds berechnet die Bundesstiftung dann auf der Grundlage der verbleibenden Mittel die Höhe der zweiten Rate. "Wir gehen nur davon aus, dass für die erste Rate genug Geld da ist", sagte Bräutigam.
Die Bundesstiftung hofft auf Zinserträge. Bislang seien 116 Millionen Mark für das Stiftungskapital angefallen, hinzukommen 100 Millionen, die die Wirtschaft zusammen mit ihrem Beitrag zum Entschädigungsfonds zu überweisen hatte.
"Wir haben dieses Problem kommen sehen", sagte der Bündnisgrüne Volker Beck.
Vor allem bei den Ländern, die nicht an den Verhandlungen über den Entschädigungsfonds beteiligt waren und in der Vereinbarung über die Verteilung der Mittel unter den Posten "Rest der Welt" fallen, habe sich frühzeitig abgezeichnet, dass es wesentlich mehr Antragsteller geben würde. Beck, Mitglied des Kuratoriums, sieht das Problem "einer Gerechtigkeitslücke", die nun entstehen könnte, vor allem auf die beiden Stifter, den Bund und die Wirtschaft, zukommen.
Die Bundesstiftung appellierte an die Anwälte der Opfer, zumindest einen Teil ihres Honorars zu spenden. Der Münchner Opferanwalt Michael Witti, dem eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Bund und der Stiftungsinitiative der Wirtschaft einen Betrag von acht Millionen Mark zuspricht, wehrte solche Forderungen ab: Gemessen an Honoraren in den USA sei das Salär nicht üppig, sagte Witti der FR.
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Süddeutsche Zeitung Politik 22.6.2001
Kuratorium erwartet 300000 zusätzliche Anträge
NS-Opfern droht Kürzung der Entschädigung
Stiftungsvorstand Bräutigam: Wir befürchten, dass wir mit den acht Milliarden Mark nicht auskommen
Von Marianne Heuwagen
Berlin – Die unerwartet große Zahl von Anträgen könnte zu einer Kürzung der Entschädigungszahlungen an die Zwangsarbeiter führen. „Die Befürchtungen nehmen zu, dass wir mit dem Geld nicht auskommen", sagte Hans-Otto Bräutigam, Vorstandsmitglied der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" am Freitag in Berlin. Das Kuratorium appellierte an die Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft, nicht nur den Restbetrag von 700 Millionen Mark möglichst bald in den Fonds einzuzahlen, sondern auch alle erwirtschafteten Zinsen. Die Unternehmen wiesen diese Forderung umgehend zurück.
Bei den Entschädigungsverhandlungen waren Experten von 1,2 Millionen ehemaligen Zwangsarbeitern ausgegangen, denen individuelle Entschädigungen von bis zu 15000 Mark zustehen.
Nun aber stelle sich heraus, dass man mindestens mit 1,5 Millionen, möglicherweise sogar mit 1,8 Millionen berechtigten Anträgen rechnen müsse, sagte Bräutigam. Sicher sei, dass alle Berechtigten eine Abschlagszahlung von mindestens 65 Prozent erhielten. Die zweite Rate und damit die volle Höhe der Entschädigung könne aber erst nach Eingang aller Anträge ausgezahlt werden. Da der Gesamtbetrag von 8,1 Milliarden Mark feststehe, könne dies bei der Auszahlung „zu Ungleichheiten von einem zum anderen Land" führen, sagte Bräutigam.
Erste Auszahlung in Frankfurt
Wie viel Geld jeder Opfergruppe und den einzelnen Ländern zusteht, wurde im Stiftungsgesetz genau festgelegt. Ein Ausgleich von Defiziten zwischen den einzelnen Töpfen ist nicht vorgesehen. Während man davon ausgeht, dass die Fonds für die Zwangsarbeiter in den mittel- und osteuropäischen Staaten ausreichen, ist schon lange bekannt, dass der Fonds für die Zwangsarbeiter im so genannten „Rest der Welt" ungenügend ausgestattet ist. Deshalb hofft die Stiftung, diesen Fonds mit angelaufenen Zinsen aufstocken zu können.
Der Entschädigungsfonds wurde jeweils zur Hälfte vom Bund und der Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft aufgebracht. Der Bund hatte seine fünf Milliarden Mark bereits Ende vergangenen Jahres überwiesen. Darauf wurden 116 Millionen Mark Zinsen erwirtschaftet. Die Stiftungsinitiative aber hat erst 4,4 Milliarden Mark eingezahlt, darunter 100 Millionen Mark an Zinsen.
Bräutigam geht davon aus, dass die Restsumme noch vor der Sommerpause überwiesen wird. Wolfgang Gibowski, Sprecher der Initiative, lehnte weitere Zinszahlungen ab: die Wirtschaft sei dazu rechtlich nicht verpflichtet.
Das Kuratorium appellierte an die Anwälte, einen angemessenen Teil ihrer Honorare der Stiftung oder ähnlichen humanitären Zwecken zur Verfügung zu stellen. Das Kuratorium habe wie vereinbart 125 Millionen Mark für die Honorare der Anwälte gebilligt, sei aber der Meinung, dies sei viel Geld, sagte Bräutigam. Die Aufteilung der Honorare war von zwei amerikanischen Schiedspersonen vorgenommen worden.
US-Anwalt Burt Neuborne, der Mitglied des Kuratoriums ist, habe den Appell nicht nur begrüßt, sondern sei diesem auch schon gefolgt, erklärte Bräutigam. Der Münchner Opfer-Anwalt Michael Witti hingegen wies die Forderung umgehend zurück.
Mit 1,2 Millionen Mark pro Jahr will das Kuratorium zudem den NS-Opfern beim Nachweis ihrer Zwangsarbeit helfen. Für die Nachbarländer Polen und Tschechien seien die Nachweise kein Problem, sagte Bräutigam, aber in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion seien diese nur selten vorhanden. Viele Zwangsarbeiter seien nach der Rückkehr in ihre Heimatländer der Kollaboration verdächtigt und interniert worden, sagte Bräutigam. Deshalb hätten sie ihre Dokumente vernichtet und heute Probleme, ihre Zwangsarbeit zu belegen.
Unterdessen wurden in Frankfurt von der Jewish Claims Conference (JCC) in einem symbolischen Akt ehemaligen Zwangsarbeitern eine erste Rate ihrer Entschädigung in Höhe von 10000 Mark überreicht. Diese „bescheidene Summe" könne in keiner Weise das erlittene Leid und die persönlichen Verluste wieder gutmachen, sondern nur als „Geste der Anerkennung der durchlebten Gräuel" verstanden werden, sagte der Repräsentant der JCC in Frankfurt, Karl Brozik. Auch in Tschechien erhielten 2500 ehemalige KZ-Häftlinge und die 7500 ältesten Zwangsarbeiter erste Abschlagszahlungen auf die ihnen zustehenden Entschädigungssummen.
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Standard (Wien) Vermischtes 22.6.2001
Zwangsarbeiter: Engpass bei Finanzen befürchtet
Berlin - In Deutschland ist der Andrang auf Auszahlungen an NS-Zwangsarbeiter aus dem Entschädigungsfonds größer als erwartet. "Die Befürchtungen nehmen zu, dass wir mit dem Geld nicht auskommen", sagte das Vorstandsmitglied des Stiftungskuratoriums, Hans Otto Bräutigam, am Freitag in Berlin.
Insgesamt sind 8,2 Milliarden Mark (57,7 Mrd. S/4,19 Mrd. Euro) vorgesehen. Bisher war von der Annahme ausgegangen worden, dass rund eine Million Menschen Ansprüche haben. Inzwischen sind aber so viele Anträge eingegangen, dass sich Schätzungen zufolge die Zahl auf mindestens 1,5 Millionen erhöht.
Zudem hat die Wirtschaft erst vier von zugesagten fünf Milliarden Mark (35 Mrd. S/2,54 Mrd. Euro) eingezahlt. Das Kuratorium appellierte an die Wirtschaft, sämtliche angelaufene Zinserträge an die Stiftung zu überweisen. Die Mitglieder forderten auch die Opferanwälte auf, einen Teil ihrer Honorare der Stiftung zur Verfügung zu stellen. Die Anwälte sollen zusammen rund 123 Millionen Mark Honorar (865 Mio. S/62,9 Mio. Euro) erhalten. Der Münchener Opferanwalt Michael Witti, der 8,3 Millionen Mark erhält, lehnte dies ab. (afs)
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Neues Deutschland Politik 22.6.2001
Zwangsarbeit: Stiftung rechnet mit mehr leistungsberechtigten NS-Opfern
Hauptprobleme: Reicht das Geld? Wie kommen alle an Nachweise ihrer Fron?
Von Claus Dümde
Die Bundesstiftung für NS-Zwangsarbeiter und andere Opfer des Nazi-Regimes rechnet statt mit rund 1,2 Millionen nun mit bis zu 1,8 Millionen Antragstellern, denen eine Leistung zusteht. Um so fraglicher wird, ob das Geld reicht.
Während gestern in Frankfurt (Main) von der Jewish Claims Conference in einem symbolischen Akt jeweils 10000 Mark an Überlebende des Holocaust überreicht wurden und in Tschechien bei rund 2500 KZ-Häftlingen und den 7500 ältesten Zwangsarbeitern Postanweisungen eintrafen, informierte Stiftungsvorstand Hans-Otto Bräutigam über die Kuratoriumssitzung am Vortag. Zwei Hauptprobleme stellten sich dabei heraus: Reichen die für Einmalzahlungen an Sklaven- und Zwangsarbeiter vorgesehenen 8,1 Milliarden des insgesamt 10 Milliarden Mark betragenden Stiftungskapitals aus? Und wie kann der offenbar großen Zahl Leistungsberechtigter vor allem aus der ehemaligen Sowjetunion geholfen werden, die keine Nachweise über die von ihnen geleistete Zwangsarbeit besitzen?
Bereits jetzt liegen laut Bräutigam bei den »Partnerorganisationen« der Stiftung mehr als eine Million Anträge sowie darüber hinaus Anfragen und Mitteilungen vor. Da sich viele Opfer erst melden würden, wenn sie erfahren, dass andere wirklich Geld erhalten haben, sei mit mindestens 1,5 bis 1,8 Millionen Anträgen zu rechnen. Überdies stünde weit mehr Antragstellern als erwartet die für Häftlinge in KZ, Ghettos und vergleichbaren Haftstätten vorgesehene Höchstsumme von 15000 Mark zu. Deshalb könne zwar mit Sicherheit an alle Berechtigten eine erste Rate von 65 Prozent ausgezahlt werden, die von manchen »Partnern« auf 75 Prozent erhöht worden ist. Doch trotz »einer gewissen Reserve« aus Zinserträgen, nähmen hinsichtlich der zweiten Rate die »Befürchtungen zu, dass wir nicht auskommen«. Dies betrifft insbesondere die nichtjüdischen Opfer außerhalb Osteuropas.
Laut Bräutigam verfügt die Stiftung derzeit über 9,5 Milliarden Mark, wovon 116 Millionen Mark Zinserträge von dem 5-Milliarden-Beitrag des Bundes und 20,3 Millionen Mark Zustiftungen insbesondere von Bürgern und Kommunen sind. Die »Stiftungsinitiative« der Wirtschaft ist ihrer Zahlungsverpflichtung in Höhe von 5,1 Milliarden Mark noch immer nicht voll nachgekommen. Sie vertrete nun die Auffassung, dazu erst nach Abweisung auch der letzten Klage in den USA verpflichtet zu sein, sagte Bräutigam. Auch Zinsen müsse sie erst danach müsse erwirtschaften. Dass sie dennoch angeblich bereits 100 Millionen Mark Zinsen überwiesen habe, bezeichne sie als »großzügige Geste«. Bräutigam gab sich optimistisch, dass ein Appell des Kuratoriums an die Wirtschaft, den Fehlbetrag schnell einzuzahlen und auch sämtliche Zinsen zu überweisen, Wirkungen zeitige. Kuratoriumsmitglied Ulla Jelpke (PDS) forderte die Banken auf, von ihnen für Überweisungen an die Partnerorganisationen berechnete Gebühren – sie sprach von 40 Millionen Mark – an die Bundesstiftung zu spenden.
Das Kuratorium rief auch die Klägeranwälte auf, einen Teil ihrer Honorare in Höhe von knapp 125 Millionen Mark der Stiftung zu spenden. Kuratoriumsmitglied Burt Neuborne habe dies bereits getan.
Was die Unterstützung der Nachweisbeschaffung für ehemalige Zwangsarbeiter anlangt, hat das Kuratorium am späten Abend doch die zuvor von den Vertretern der Wirtschaft und der Regierung verweigerten 1,2 Millionen Mark bewilligt. Sie sollen nun statt aus dem Zukunftsfonds durch Zustiftungen finanziert werden.
Mit dem Geld soll u.a. eine »Verteilungsstelle« finanziert werden, die ergebnislose Anfragen nach Nachweisen beim Internationalen Suchdienst in Arolsen an die Landesarchive weiterleiten oder auf andere Weise bearbeiten soll. Nichts solle unversucht bleiben, um den überlebenden Opfern zu helfen, betonte Bräutigam.
Bis Jahresende erwarte man, dass bei der Stiftung mehrere 100000 geprüfte Anträge eingehen. 350000 lägen bereits vor. Das Kuratorium beschloss vorgestern Richtlinien für die Behandlung so genannter »sonstiger Personenschäden« und entschied, vorrangig Auszahlungen an Opfer medizinischer Versuche sowie traumatisierte Mütter und Kinder vorzunehmen, die in KZ und Zwangsarbeitslager voneinander getrennt wurden. Auch sie erhalten die Höchstsumme von 15000 Mark. (ND 23.06.01)
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Schwäbische Zeitung Lokales 23.6.2001
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Aus "humanitärer Anteilnahme" 12 000 Mark für NS-Zwangsarbeiter
BAD WALDSEE (mik) - Die Firma Dr. Schaette war schon immer ein etwas anderes Unternehmen. Das bewies der Betrieb jetzt wieder mit seiner 12 000 Mark-Spende für NS-Zwangsarbeiter. Auch sonst setzt Dr. Schaette Zeichen - für ein nachhaltiges Wirtschaften, für die Umwelt, für seine MitarbeiterInnen.
Während sich Deutschlands Wirtschaftsbosse lange zierten und vor der Weltöffentlichkeit ein reichlich blamables Schauspiel boten, haben Dr. Roland Schaette und seine Belegschaft Taten sprechen lassen:
Anlässlich der Umwandlung der Gebr. Schaette KG in eine Aktiengesellschaft (siehe Bericht oben und Wirtschaftsteil der SZ)
entschlossen sich Firmenleitung und Beschäftigte, rund 12 000 Mark an die Stiftungsinitiative der Deutschen Wirtschaft für NS-Zwangsarbeiter zu überweisen - "ohne in irgendeiner Weise betroffen zu sein", auf absolut freiwilliger Basis also. Mit ihrer Spende habe die Dr. Schaette AG schlicht ihrer "humanitären Anteilnahme Ausdruck verleihen" wollen. Zwangsarbeiter hat das 1919 von Adolf Schaette gegründete Unternehmen nie beschäftigt.
Auch in anderer Hinsicht ist der Hersteller von biologisch-pharmazeutischen Präparaten Vorbild (und Ausnahme). Dass die Schaettes das erste Elektroauto in Bad Waldsee fuhren, mag man noch als PR-Gag werten; mittlerweile installierte das Unternehmen jedoch die größte Photovoltaik-bzw. Solar-Anlage in ganz Oberschwaben und erzeugt so, zusammen mit einem Rapsöl-befeuerten Blockheizkraftwerk, jährlich bis zu 70 000 Kilowattstunden "Öko-Strom". Nicht umsonst erhielt die Firma für ihre nachhaltige - weil Ressourcen schonende - Produktionsweise als erster von rund 26 000 Betrieben im Bereich der IHK Bodensee-Oberschwaben das Öko-Audit-Zertifikat. Auch ganz persönlich setzt sich Dr. Roland Schaette für ein Umdenken in der Wirtschaft ein, was sein starkes Engagement für die Lokale Agenda 21 unterstreicht.
Viele weitere Punkte belegen, dass die Dr. Schaette AG tatsächlich ein etwas anderes Unternehmen ist. Bereits seit 1985 zum Beispiel sind die Mitarbeiter am Gewinn beteiligt, seit 1991 können sie sich dazuhin als stille Gesellschafter an "ihrem" Betrieb beteiligen (und machen davon, wie die Einlagen in Höhe von mittlerweile rund 500 000 Mark zeigen, rege Gebrauch). Und wo sonst ist es üblich, dass die Beschäftigten Freikarten für Kabarett und Kleinkunst erhalten, für Gerhard Polt und "Die Kleine Tierschau" etwa?
Sogar um das leibliche Wohl seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist das Unternehmen besorgt. Regelmäßig kann die Belegschaft Brot und andere Backwaren von einem Demeter-Betrieb aus der Region ordern, alle 14 Tage sogar biologisch-dynamisch erzeugtes Obst und Gemüse von einer Kooperative auf Sizilien. Und das Beste: Die Firma bezuschusst die Lebensmittel-Einkäufe ihrer Beschäftigten sogar noch - mit stolzen 50 Prozent!
(Stand: Sa. 23.06.2001)
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