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Die Welt, Politik 23.6.2001

Paul Spiegel ruft NS-Opferanwälte zu Honorarspende auf

Mehr Anträge auf Zwangsarbeiter-Entschädigung als erwartet - Anwälten stehen 118 Millionen Mark zu

 

Berlin bos - Der Präsident des Zentralrates der Juden, Paul Spiegel, hat die Opferanwälte der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter aufgefordert, auf einen Teil ihrer Honoraransprüche zu verzichten.

"Wir müssen uns in die Situation der Menschen versetzen, die erfahren, dass ihre Anwälte mehrere Millionen Mark für die Tätigkeit erhalten, während sie selbst für die geleistete Zwangsarbeit nur eine Minimalentschädigung erhalten. Ich bin fest davon überzeugt, dass dies juristisch zwar einwandfrei, ethisch aber bedenklich ist. Man darf das Geldverdienen doch nicht über die moralische Intention stellen," sagte Spiegel der WELT am SONNTAG.

Nach der Entscheidung eines New Yorker Schiedsgerichts stehen den 51 Anwälten - darunter als einzigem Deutschen dem Münchner Michael Witti - umgerechnet rund 118 Millionen Mark zu. Paul Spiegel schlug vor, einen eigenen Stiftungsfonds zu gründen, in dem die Opferanwälte ihren eventuellen Honorarverzicht, falls sie sich dazu bereit erklären, einbringen sollten. Daraus wiederum könnte dann Geld für wohltätige und humanitäre Zwecke fließen. "Die Anwälte könnten ihren Honorarverzicht aber auch direkt in den Entschädigungsfonds der deutschen Wirtschaft fließen lassen", sagte Spiegel weiter.

Denn angesichts der Tatsache, dass der Höchstauszahlungsbetrag bei 15.000 Mark liege und sich inzwischen wesentlich mehr anspruchsberechtigte Opfer als ursprünglich erwartet gemeldet hätten, bestehe zudem die Gefahr, dass die von der Bundesregierung und der deutschen Wirtschaft eingezahlten zehn Milliarden Mark nicht ausreichen könnten. "Ich kann allerdings nichts vorschreiben, sondern nur an das Gewissen der Anwälte appellieren", sagte Spiegel.

Er wies darauf hin, dass höchstens zehn Prozent der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter Juden gewesen seien. "Sie haben aber mit Nichtjuden gemeinsam gelitten, geschuftet, wurden gequält und sind zum großen Teil auch gemeinsam gestorben. Deswegen setzen wir uns solidarisch für eine gerechte Entschädigung ein", sagte Spiegel.

Der Zentralratspräsident drückte seine Genugtuung darüber aus, dass nach dem langen Hickhack und vielen juristischen Hürden um Rechtssicherheit in den Vereinigten Staaten die Entschädigungszahlungen endlich angelaufen seien. "Was mich trotzdem sehr traurig stimmt, ist, dass nach den juristischen Winkelzügen und den dadurch entstandenen Verzögerungen viele Hunderte ehemalige NS-Zwangsarbeiter gestorben sind und nicht mehr in den Genuss dieser moralischen Entschädigung kommen."

 

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EXPRESS (Köln) Politik 23.6.2001

NS-Zwangsarbeiter

Münchner Anwalt will 8,3 Millionen Mark Honorar behalten

 

Ludwigshafen (AP) Der Streit um die Millionenhonorare für die Anwälte der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter dauert an.

Das Kuratorium der Entschädigungsstiftung will nun die Anwälte auffordern, Teile ihres Honorars in den Zwangsarbeiterfonds einzubringen oder anderweitig zu spenden, wie die Zeitung "Rheinpfalz" berichtet. Die Anwälte sollen zusammen rund 123 Millionen Mark Honorar erhalten.

Der Münchner Opferanwalt Michael Witti sagte: "Ein Abtreten von Honoraransprüchen kommt für mich nicht in Frage." Witti erhält ein Honorar in Höhe von 8,3 Millionen Mark.

"Herr Witti gehört zu dieser Gruppe von Leuten, die Wasser predigen und Wein trinken", kritisierte der Sprecher der Stiftungsinitiative, Wolfgang Gibowski.

Witti kündigte dem Bericht zufolge aber an, eine Zeit lang in Israel in der Sozialarbeit tätig sein zu wollen. Damit werde er seine besondere Verantwortung dokumentieren, hieß es.

 

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Oberösterreichische Nachrichten Politik 23.6.2001

Anwälte sollen spenden

 

BERLIN. Die Stiftung zur Entschädigung früherer Zwangsarbeiter fürchtet, dass sie Zahlungen an die Opfer kürzen muss, da die Zahl der Antragsteller deutlich höher ist als erwartet. War man ursprünglich von 1,2 Millionen Opferanträgen ausgegangen, so rechnet der Stiftungsrat inzwischen mit 1,5 Millionen Anträgen. Deshalb appellieren deutsche Politiker und Stiftungsrat an die Opferanwälte und Vereinigungen, einen Teil ihrer hohen Honorare und Allgemeinanteile für die Verteilung an die Opfer zu spenden.

OÖN vom 23.06.01

(c) 2001 Medienhaus Wimmer

 

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Stuttgarter Zeitung Politik 23.6.2001

Ein schöner und ein ehrlicher Tag

Opferanwälte und ihre Honorare

 

Ohne Frage, die ganze Angelegenheit findet allzu spät erst ihren Abschluss. Weit mehr als fünfzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und weit mehr als zwei Jahre nach den ersten großen Ankündigungen beginnt in diesen Tagen, was längst hätte geschehen müssen: die Zwangsarbeiter unter der Nazi-Herrschaft werden finanziell für ihr Leid entschädigt. Das erste Geld wird quasi zur Stunde an ehemalige Zwangsarbeiter in Tschechien ausgezahlt. Das ist - nach all dem Hin und Her - eine gute Sache. Und deshalb ist heute ein schöner Tag.

Verantwortung verjährt nicht. Bundesregierung und Wirtschaft demonstrieren das endlich.

Die Ereignisse des Tages aber sind nicht nur schön, sie sind auch ehrlich. Denn zeitgleich zur ersten Auszahlung korrigiert die Bundesstiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft ihre Prognosen über die Zahl der Antragsteller. Ursprünglich gingen Politik und Wirtschaft von 1,2 Millionen Antragstellern aus.

Jetzt rechnen sie mit 600000 mehr. Dass dies am Ende eintreten könnte, hielten Kritiker für möglich.

Dass es sich aber bereits am ersten Tag abzeichnet, nährt die Befürchtung, das Geld könnte alsbald knapp werden und das Projekt der Entschädigung an Glaubwürdigkeit einbüßen. Kein Wunder, dass nun die Honorare der Anwälte in den Blick geraten.

Knapp 125 Millionen Mark für 51 Anwälte - das ist verdammt viel. Auch wenn das Honorar, wie es heißt, den marktüblichen Gepflogenheiten entspricht, lenkt die Kritik doch zu Recht den Blick auf die Moral derer, die während der gesamten Verhandlungen das Wort Moral stets und stets besonders laut im Munde führten. Sie selbst betonten, es gehe nicht nur um finanzielle, sondern auch um moralische Fragen. Sie haben Recht.

Von Stefan Braun

 

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