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Verbrechen der Wehrmacht< (1)

 

Jan Philipp Reemtsma

 

"Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944",

Kunst-Werke Berlin, Auguststrasse 69. 28.11. - 13. Januar 2002

Siehe: http://www.verbrechen-der-wehrmacht.de/docs/home.htm

 

Netzeitung, 28. Nov 2001

Wehrmachtsausstellung neu konzipiert Mit neuem Konzept und daher doppelt so umfangreich wie bisher, präsentiert sich die Neuauflage der umstrittenen, 1999 geschlossenen Wehrmachtsausstellung. Unter dem Titel «Verbrechen der Wehrmacht - Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944» wird die Ausstellung ab Mittwoch bis 13. Januar 2002 in Berlin gezeigt.

 

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TAZ 2.12.2001

DIE WEHRMACHTSAUSSTELLUNG PROVOZIERT DIE RECHTSRADIKALEN

Nazis auf Symbolsuche

 

Auf die überarbeitete Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg wollen Alt- und Neonazis heute mit einem großen Aufmarsch durch das einst jüdische Scheunenviertel reagieren. Die Symbolik ist empörend. Doch so dreist das Vorhaben auch ist: Die Wehrmachtsausstellung ist heute nicht mehr geeignet, eine politisch gefährliche Nähe zwischen Rechtsradikalen und Rechtskonservativen herzustellen. Zeitgleiche Veranstaltungen von NPD und CSU gegen die Schau wie 1997 in München sind heute nicht mehr vorstellbar. Das hat inhaltliche und politische Gründe.

Jetzt bleiben die Bürgerlichen weg, die noch vor ein paar Jahren eine "saubere Wehrmacht" von der verbrecherischen SS abgrenzen wollten. Ihr Versuch, die eigene Ehre, die der Väter und die der Nation zu retten, sorgte in den Neunzigerjahren für erregte Debatten. Das war von den Ausstellungsmachern beabsichtigt und führte - trotz fehlerhafter Präsentationen - zum Erfolg. Das Ansehen der Wehrmacht in der Öffentlichkeit hat sich dank ihrer Arbeit dramatisch verschlechtert, und bei der persönlichen Verantwortung von Soldaten für eine Teilnahme an Kriegsverbrechen ist die Beweislast jetzt vom Befehlsnotstand zur Schuldvermutung umgedreht.

Der NPD läuft die Zeit davon, und das Argumentieren ist zu gefährlich geworden. Ihr droht das Verbot, weil sie sich zum Sammelbecken von Alt- und Neonazis entwickelt hat. Ihre radikale Identität in der Gegenwart findet sie im Ausländerhass, aber auf ihrer Suche nach Vergangenheit muss sie vorsichtig sein. Den Holocaust kann sie nicht leugnen - das würde das Verbotsverfahren arg vereinfachen -, bejahen kann sie den Judenmord aber erst recht nicht. Vom Wehrmachtsthema, das ihr einst als Einfallstor ins bürgerliche Lager diente, kann sie auf Grund ihres Selbstverständnisses nicht zurück, obwohl es nicht mehr zur Bündnispolitik taugt. Auf ein einigendes Geschichtsbild muss sie deswegen verzichten. Die Mobilmachung der NPD schrumpft auf einen symbolischen Antisemitismus, der unausgesprochen bleiben muss - jedenfalls solange das Parteiverbot droht.

DIETMAR BARTZ

taz Nr. 6615 vom 1.12.2001, Seite 12, 48 Zeilen (Kommentar),

 

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Berliner Zeitung Lokales 2.12.2001

BerlinOnline: "Ein Zeichen setzen"

Stiller Protest: 1 375 Menschen besuchten am Sonnabend die Wehrmachtsausstellung - von Iris Brennberger

 

Es ist eine stille Demonstration. Mit ernsten Gesichtern stehen die Menschen vor den Schautafeln der Wehrmachtsausstellung in den Räumen der "Kunst-Werke", studieren Berichte von Erschießungen und Todesmärschen. Einige sitzen in den Glaskabinen, wo sie über Kopfhörer Augenzeugenberichte von Gräueltaten oder Reden von NS-Führern hören.

Einige hundert Meter entfernt marschiert an diesem Sonnabend die NPD, um gegen die Ausstellung zu demonstrieren. In der Oranienburger Straße fliegen Steine. Doch hier in der Auguststraße ist alles ruhig. Wer es an diesem Tag trotz Straßensperren bis in die "Kunst-Werke" geschafft hat, protestiert auf seine Art. "Ich will mit meinem Besuch ein Zeichen setzen", sagt ein älterer Herr aus Mahlsdorf: "Ich will zeigen, dass es in Deutschland Leute gibt, die gegen Naziparolen sind." Wie er denken viele hier. Darunter sind Prominente wie der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der demonstrativ vorbeischaut. Aber vor allem die vielen unbekannten Leute: 1 375 "zahlende Besucher" kommen im Lauf des Tages. Bereits ab Mittag sind so viele Menschen in der Ausstellung, dass sich draußen Schlangen bilden. Zeitweise warten 250 Menschen in der Kälte. Junge Leute sind darunter, aber auch viele ältere Frauen und Männer. Wenn jemand herauskommt, dürfen Wartende nachrücken.

Drinnen gehen die Menschen allein von Station zu Station. Oder sie schließen sich einer der Führungen an. Die Ausstellung, die nach heftiger Kritik überarbeitet wurde, erfordert Zeit. Besucher müssen

Dokumente lesen und Tonbandaufnahmen zuhören. Immer wieder entspinnen sich Diskussionen zwischen Besuchern und Historikern, die Führungen anbieten: Was wussten einzelne Soldaten, was sah das Völkerrecht vor? Ein Mann schreibt mit. Andere erzählen von ihren Vätern, die in der Wehrmacht dienten, aber nie darüber sprachen. Eine Touristin aus dem Rheinland sagt: "Meine 84-jährige Mutter verherrlicht noch immer die Wehrmacht. Damit muss doch in unserer Generation mal Schluss sein."

Immer wieder kommt die Rede auf die NPD-Demo. "Mir macht der Aufmarsch Angst", sagt eine Sekretärin aus Hellersdorf. Sie sei hergekommen, "um etwas gegen diese Angst zu tun". Ihre 14-jährige Tochter steht vor Fotos, die ermordete Menschen zeigen. Sie sagt: "Ich verstehe die Skinheads nicht, obwohl auch aus meiner Klasse welche dabei sein könnten." Wird ihre Klasse die Ausstellung besuchen? "Ich glaube nicht, dass sich unsere Lehrer dafür interessieren."

Neo-Nazis kommen am Sonnabend nicht in die Ausstellung. Aber am Tag zuvor seien zwei pöbelnde Skinheads hinausgeworfen worden, berichtet der Historiker Gerhard Wolf. Ein anderer Mann habe zwei Stunden lang ruhig zugehört, was der Historiker über die Wehrmachtsverbrechen sagte. Als schließlich die Rede auf die "Nazidemo" kam, habe er empört gesagt: "Ich bin Neo-Nazi und kein Nazi." Wolf lacht bitter: "Er dachte wohl, das sei was Besseres."

 

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Neues Volksblatt (Linz) Politik 2.12.2001

Neues Volksblatt – Chronik

 

Neo-Nazis marschierten wieder in Berlin auf - - BERLIN — Beim größten Aufmarsch von Rechtsextremen in Berlin seit dem Zweiten Weltkrieg haben am Samstag rund 3300 NPD-Anhänger entlang des historischen jüdischen Viertels gegen die neue Wehrmachtsausstellung demonstriert. Bei einer Gegendemonstration vor der neuen Synagoge in Berlin-Mitte, an der nach Polizeiangaben 4500 Menschen teilnahmen, kam es zu schweren Ausschreitungen. - - Aus Protest gegen den NPD-Aufmarsch besuchten Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und weitere Prominente zeitgleich die am Dienstag eröffnete Wehrmachtsausstellung, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. - Zahlreiche Gegendemonstranten riefen den aus dem gesamten Bundesgebiet angereisten Neonazis „haut ab" und „Nazis raus" entgegen. Die Polizei war mit einem Großaufgebot von 4000 Beamten im Einsatz. Darunter waren auch rund 1500 Polizisten des Bundesgrenzschutzes und aus anderen Bundesländern. Große Teile der Innenstadt waren abgesperrt. - 17 Teilnehmer der NPD-Demonstration sowie 13 Gegendemonstranten wurden festgenommen. Acht Beamte wurden bei den Ausschreitungen verletzt. Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte, die NPD-Demonstration sei von Anfang an als reine Provokation angelegt gewesen. - Daher habe die Innenverwaltung die angemeldete Route, die an der Ausstellung vorbei und damit mitten durch das alte jüdische Viertel führen sollte, nicht zulassen können. - -

 

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Süddeutsche Zeitung Vermischtes 2.12.2001

Was auf der Strecke blieb

 

Steine von links, Parolen von rechts: Anlässlich der NPD-Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung befand sich die Berliner Mitte im Ausnahme-Zustand

Die Polizisten: Der größte Gegner der Beamten, die am Samstagvormittag vor der Bauruine des Kulturzentrums Tacheles in Berlin-Mitte stehen, ist die Kälte. Von linken und rechten Demonstranten ist nichts zu sehen, die halten die Kollegen in den Wasserwerfern auf Abstand. Also schauen die Beamten aus Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern fröstelnd durch die Scheiben der Lokale, die sie nur aus den Berlin-Reportagen in Geo oder Merian kennen und die nun so gut wie leer sind. Ihre Kollegen, die den größten Neonazi-Aufmarsch der Berliner Nachkriegsgeschichte flankieren, haben immerhin ein wenig Bewegung. Begegnen werden sich die linken und die rechten Demonstranten nicht; die Nazis dürfen nicht durch das ehemalige jüdische Viertel marschieren, wie sie beabsichtigt hatten. Obwohl die veränderte Route schon wochenlang feststand, hatte Innensenator Ehrhard Körting die Öffentlichkeit bis zuletzt nicht darüber informiert, um den Gegendemonstranten keine Möglichkeiten zu geben, sich am Rand der tatsächlichen Strecke zu postieren.

Der Anwohner: Die Sonne scheint wie im Hochgebirge, aber es ist unklar, ob das gut ist. „Das ist doch ein Superlicht", sagt ein Fotograf und zückt seine Leica. „Nur, wenn Du die als Helden zeigen willst", sagt sein Kollege und verschwindet. Während dieses Streits um die richtige Inszenierung nähert sich ein großer Mann in einem langen blauen Mantel. Der Intendant des Berliner Ensembles, Claus Peymann, nutzt die Probenpause, um vor die Tür zu treten. Und da stehen an diesem Tag rund 3500 Rechte, schauen grimmig in die Kameras und schwenken ihre NPD-Fahnen. „Besser, man sieht sie, als wenn sie im Verborgenen agieren", sagt Peymann, der noch stilvoller als sonst aussieht – mit all dem Bomberjacken und Pickel tragenden Jungvolk im Rücken. Auf dem Weg zurück ins Theater fällt ihm noch ein schöner Kommentar ein: „Da stehen wir doch mit unserem Stellvertreter heute Abend gut da."

Die Neonazis: Sie wissen: wenn sie sich provozieren lassen, ist die Demo noch schneller vorbei als ihnen lieb sein kann. Sie wissen, dass die Polizisten, die in voller Kampfmontur neben ihnen her stiefeln, nur darauf warten, dass einer sein Hakenkreuz-Tattoo zeigt. Darum benehmen sie sich so brav wie möglich. „Kameraden, ich verlese nun die Auflagen", plärrt es vom Lautsprecherwagen. Demnach ist nur eine NPD-Fahne auf 100 Teilnehmer erlaubt. Das Tragen von Uniformen oder Uniformteilen ist untersagt, ebenso Springerstiefel und Bomberjacken. Da aber ein Großteil der Demonstranten bei strikter Durchsetzung dieses Verbots nur noch in Unterhosen in der Kälte stünde, drücken die Beamten ein Auge zu. Dann geht es los. So langsam, dass selbst die älteren Männer mitkommen, die auf ihre Pappschilder vergilbte Fotos von noch älteren Männern geklebt haben. „Mein Vater war kein Mörder" steht darauf. Eigentlich können die Neonazis froh sein, dass die Demo nun doch kürzer ist als gedacht und nicht vor der Wehrmachtsausstellung endet, sondern am Nordbahnhof, wo die Sonderzüge warten. Denn schon nach wenigen Metern gehen ihnen die Parolen zum Mitgrölen aus. Sieg Heil geht ja nicht, die erste und zweite Strophe der Nationalhymne sind auch verboten. Stattdessen rufen die Rechten, an deren Spitze Horst Mahler und der NPD-Vorsitzende Udo Voigt marschieren: „Reemtsma, lass das Hetzen sein – pack die Koffer und fahr’ heim. " Und schauen stolz zu den Anwohnern hoch, die auf den Balkonen stehen.

Die Gegendemonstranten: Stefan Felmy wusste nichts von der Absprache zwischen dem Innensenator und der NPD. Er wusste nicht, dass man nie vorhatte, die NPD durch das ehemalige jüdische Viertel marschieren zu lassen, dass schon am 6. November eine andere Route feststand. Er wusste nicht, dass der Innensenator die halbe Republik im Ungewissen gelassen hatte, und in Kauf nahm, dass empörte Briefe aus der ganzen Welt in Berlin ankamen. Hätte Stefan Felmy, der evangelische Pfarrer aus Brandenburg, das alles gewusst, er hätte sich vielleicht nicht am Samstag auf die Oranienburger Straße neben die Mitglieder der Jüdischen Gemeinde zu Berlin gestellt – und er wäre nicht von den Wasserwerfern der Polizei von der Straße gewischt worden. „Dabei wollten wir gerade ein gemeinsames Gebet beginnen", sagt Felmy zitternd, und man fragt sich, ob es daran liegt, dass er völlig durchnässt bei drei Grad auf der Oranienburger Straße steht, oder ob er noch immer Angst vor einem der Wasserwerfer hat.

Um kurz vor eins haben sich etwa 4500 Gegendemonstranten auf der Oranienburger Straße vor der Neuen Synagoge versammelt. Ein paar Jugendliche, mit bunten Haaren, Kapuzenpullis und Bierflaschen in der Hand, mischen sich unter die Menschen. Sie ziehen sich die Kapuzen ins Gesicht, den Schal über den Mund und beginnen, die Polizisten zu beleidigen. „Haut ab, ihr Arschlöcher", ist noch so ziemlich das netteste, was sie sagen. Die Einsatzleitung hat befohlen, niemanden in den abgesperrten Bereich zwischen Gegendemo und NPD-Aufmarsch zu lassen. Um eins geht es los. Die Autonomen brechen aus dem Bürgersteig Pflastersteine heraus und werfen sie zusammen mit ihren Bierflaschen auf die Polizisten. Anschließend verstecken sie sich zwischen den anderen Demonstranten. Die Polizisten stürmen in die Menge, einige ziehen den Schlagstock, der Wasserwerfer wird aktiv.

Zehn Minuten später ist alles vorbei. Irgendwo dazwischen, nicht weit von der Neuen Synagoge, sitzt Stefan Felmy, der doch nur für Toleranz und Verständnis demonstrieren wollte.

Die Ausstellungsbesucher: Thomas Welter bibbert trotz seines schönen Lodenmantels und hält ein selbst gebasteltes Schild hoch: „Gegen braune Leugner". Der 32-jährige Volkswirt steht am Toreingang der Kunstwerke in der Auguststraße, wo die Wehrmachtsausstellung zu sehen ist. Welter wohnt gleich um die Ecke, weshalb ihm der Protest gegen die NPD ein besonderes Anliegen ist: „Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, aber den Inhalten der Rechtsradikalen muss man sich entgegen stellen."

Es ist 11 Uhr vormittags, noch ist kaum etwas los in der Auguststraße.

Bald aber wird hier eine Samba-Band trommeln und laute türkische Musik aus einem Fenster tönen. Junge Männer mit blonden BDM-Perücken und gestapo-mäßigen Ledermänteln inszenieren ein ironisches Happening. An der Hauswand hinter ihnen hängt ein Transparent mit der Aufschrift „Yuppies gegen Faschismus". Es entwickelt sich ein demonstratives Spazierengehen im Viertel mit den engen Straßen, viele hundert Menschen laufen auf und ab. Denn niemand weiß so recht, wer wann wo demonstriert und welche der vielen Polizeisperren durchlässig sind und welche nicht. Mancher kommt gar nicht durch bis zur Ausstellung.

Sechs Kamerateams, darunter auch welche aus Finnland und Holland, sind im großen Saal der Ausstellung unterwegs. Warum sind Sie an diesem Tag hierher gekommen, das ist die wichtigste Frage der Journalisten. „Es geht mir darum, Interesse zu zeigen an einem kritischen Tag", sagt Christoph Haschka, 24 Jahre alt und Student. „Mein Vater war in der faschistischen Wehrmacht", sagt die Diplom-Philosophin Roswitha Schneider, 57. „Von ihm weiß ich, dass es sich so abgespielt hat – man sollte das nicht verdrängen." Sie wolle mit dem Besuch der Ausstellung ein Zeichen setzen und nachher noch auf der Straße gegen die NPD demonstrieren, sagt sie. Der Bautechniker Kristof Grzymislawski, 50, ist nicht extra an diesem besonderen Tag gekommen. Er interessiert sich schon lange für das Thema NS-Vergangenheit, weil Teile seiner Familie „ziemlich nationalsozialistisch" waren. Zu den NPD-Leuten meint er: „Die sind Null für mich, das sind Menschenjäger." Auch Prominente wie Klaus Wowereit und Gregor Gysi besuchen später die Kunstwerke, äußern sich aber nicht ganz so prägnant.

Der Politiker: Gysi kommt lange nach den Ausschreitungen. Er sei noch in der Wehrmachtsausstellung gewesen, sagt er, während er wie die Queen den Leuten zuwinkt. Die Menschen vor der Synagoge klatschen ihm zu. Einige schreien: „Gysi for President." Gysi geht zum Pressesprecher der Polizei. „Wäre es möglich eine kleine Delegation der Jüdischen Gemeinde bis zum NPD-Aufmarsch durchzulassen?", fragt er. Man wolle ein Zeichen setzen. Der Pressesprecher sagt, dass dies vielleicht möglich gewesen wäre, wenn man sich früher darum gekümmert hätte. Die Nazis seien schon lange weg. Gysi gibt noch ein paar Interviews. Der Sprecher dreht sich weg, und sagt leise: „Was für eine Show der hier macht."

hhk, jumo, oge

 

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Standard (Wien), Vermischtes 2.12.2001

Glatzen-Demo gegen Wehrmachtsausstellung

 

Beim größten Aufmarsch von Rechtsextremen in Berlin seit dem Zweiten Weltkrieg haben am Samstag rund 3300 NPD-Anhänger entlang des historischen jüdischen Viertels gegen die neue Wehrmachtsausstellung demonstriert.

Bei einer Gegendemonstration vor der neuen Synagoge in Berlin-Mitte, an der 4500 Menschen teilnahmen, kam es zu schweren Ausschreitungen. Acht Beamte wurden dabei verletzt. Zur Zahl der verletzten Demonstranten gab es zunächst keine Angaben.

Aus Protest gegen den NPD-Aufmarsch besuchten Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und weitere Prominente zeitgleich die Ausstellung. Sie zeigt in neu überarbeiteter Form die systematische Beteiligung des deutschen Militärs an der Hinrichtung von Millionen Zivilisten und der Ermordung von Juden in Ost- und Südosteuropa.

 

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FOCUS Politik 2.12.2001

Die Wehrmachtsausstellung

 

"Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944" heißt die Ausstellung, die das Hamburger Institut für Sozialforschung unter Leitung von Jan Philipp Reemtsma zusammengestellt hat. Die Schau war

nach Kritik überarbeitet worden

 

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STERN Politik 2.12.2001

Neue Ausstellung mit alter These

 

Nach dem Mittagessen ergriff General Artur Nebe das Wort. Der SS-Brigadeführer sprach zu mehr als 60 Offizieren über "die Judenfrage mit besonderer Berücksichtigung der Partisanen". Der "jüdische Bolschewismus" müsse "rücksichtslos" bekämpft werden und man dürfe Zivilisten nicht verschonen. Protokoll und Teilnehmerliste der Konferenz, die nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion östlich von Minsk stattfand, sind bis heute erhalten. Sie sind in der neuen Wehrmachtsausstellung in Berlin nachzulesen und ein Beleg für die systematische Beteiligung des deutschen Militärs an den Kriegsverbrechen zwischen 1941 und 1944.

Neuer Ansatz für die Darstellung

Nach Absetzung der ersten Wehrmachtsausstellung vor zwei Jahren haben die Ausstellungsmacher rund um Jan Philipp Reemtsma und seinem Hamburger Institut für Sozialforschung einen neuen Ansatz für die Darstellung eines der dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte gewählt. "Wir haben uns für einen differenzierten Blick entschieden", sagt die Leiterin des Ausstellungsteams, Ulrike Jureit.

Nicht mehr großformatige Fotos von Erschießungskommandos und Leichenbergen beherrschen die Schau "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944" in den Berliner "Kunst-Werken" - es sind vor allem kleine Bilder und lange Texte, mit denen die Mitschuld der Wehrmacht am Holocaust und den Kriegsverbrechen im Osten und Südosten Europas dokumentiert wird. Sie widersprechen dem im Nachkriegsdeutschland gepflegten Bild einer "sauberen Wehmacht".

 

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Stichwort: Die neue Wehrmachtsausstellung

 

Die neue Wehrmachtsausstellung in Berlin dokumentiert die Verbrechen des deutschen Militärs in Ost- und Südosteuropa in den Jahren 1941 und 1944. Auf einer Fläche von rund 1000 Quadratmetern wird in der ehemaligen Margarinefabrik „Kunst-Werke" in Berlin-Mitte mit Fotos, Dokumenten und Toneinspielungen die Verstrickung und systematische Beteiligung deutscher Soldaten an der Ermordung von Zivilsten und dem Holocaust dargestellt. Während zur ersten, 1999 abgesetzten Ausstellung rund 1400 Fotos gezeigt wurden, kommt die neue Ausstellung mit weitaus weniger Bildern aus.

Die erste Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung hatten von 1995 bis 1999 mehr als 800 000 Besucher gesehen. Institutsleiter Jan Philipp Reemtsma setzte die Ausstellung ab, nachdem auf einigen wenigen Bildunterschriften Verbrechen sowjetischer Truppen als Taten der Wehrmacht ausgegeben wurden.

Eine Historikerkommission erklärte, der Irrtum betreffe jedoch nicht die Kernaussage, dass die Wehrmacht systematisch an den Verbrechen Nazi-Deutschlands beteiligt war. In der neuen Ausstellung werden neben den Verbrechen auch Fragen des Völkerrechts sowie das Verhalten einzelner Soldaten dokumentiert.

Gegen die Ausstellung hatten viele ehemalige Wehrmachtsangehörige heftig protestiert. Bei Demonstrationen von Rechtsextremisten kam es auch zu gewaltsamen Ausschreitungen. In Saarbrücken wurde ein Anschlag auf die Räume der Ausstellung verübt.

In Glaskabinen können die Besucher die mörderischen Befehle oder Schilderungen von Zeitzeugen über das Wüten der Soldaten in der einstigen Sowjetunion oder in Griechenland hören.

 

Minutiöse Rekonstruktion

 

Minutiös rekonstruiert die Ausstellung die Verstrickung der Militärs in Hitlers Vernichtungsfeldzug: Von den geheimen Befehlen an das Oberkommando der Wehrmacht, im Osten keine Milde walten zu lassen, über den Einsatz der Soldaten bei der Erfassung und Verschleppung der Juden in Gettos und Konzentrationslager bis hin zum Hungertod von Millionen Sowjetbürgern im "Ernährungskrieg".

Doch anders als die erste Ausstellung, deren Präsentation eine vom Hamburger Institut eingesetzte Historikerkommission als "zu plakativ und pauschal" kritisiert hatte, möchte die neue Schau einen Lichtblick als "Dimension der Zivilcourage" geben, wie Reemtsma sagte: Sie erzählt unter anderem die Geschichte des Oberstleutnants Josef Sibille, einem strammen NSDAP-Mitglied, der sich 1941 weigerte, jüdische Kinder und Frauen aus dem Dorf Krutscha in Weißrussland als Partisanen hinzurichten. Daraufhin übernahm ein anderer Kompanieführer, Oberstleutnant Hermann Kuhls, das Kommando und befehligte die Hinrichtung - ohne Protest.

 

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Bocholter Borkener Volksblatt Kultur 2.12.2001

BBV-Net – Kultur

 

Hamburg (rpo). 1999 war sie hoch umstritten und wurde letztlich zurückgezogen, jetzt ist sie wieder da: Die Wehrmachtsausstellung. Die jetzt 1.000 Quadratmeter große Schau legt deutlich mehr Beweise für die Beteiligung deutscher Soldaten an Kriegsverbrechen in der NS-Zeit vor. Jan Phillip Reemtsma, Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, öffnete die Tore.

Neue Wehrmachtsausstellung: Mehr Beweise für Kriegsverbrechen

Hamburg (rpo). 1999 war sie hoch umstritten und wurde letztlich zurückgezogen, jetzt ist sie wieder da: Die Wehrmachtsausstellung. Die jetzt 1.000 Quadratmeter große Schau legt deutlich mehr Beweise für die Beteiligung deutscher Soldaten an Kriegsverbrechen in der NS-Zeit vor. Jan Phillip Reemtsma, Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, öffnete die Tore.

"Hier kann man sich umfassender zu diesem Thema informieren als irgendwo sonst", sagte er. Die Ausstellung ist nach Angaben der verantwortlichen Historikerin Ulrike Jureit keine überarbeitete Version der alten Schau, sondern etwas komplett Neues. "Wir haben einen neuen Zugang erarbeitet", erklärte sie. Die alte Ausstellung hatte Reemtsma 1999 zurückgezogen, als die falsche Beschriftung von Bildern bekannt geworden war.

An sechs Kapiteln erläutert die Schau mit dem offiziellen Namen "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944" wie die Wehrmacht in die Ermordung von Zivilisten und Kriegsgefangenen verstrickt gewesen ist. Der Ansatz ist deutlich umfassender als in der vorigen Schau, die nur drei Großkampfplätze untersucht hatte.

Die so genannte Wehrmachtsausstellung wurde 1995 in Hamburg zum ersten Mal gezeigt. An drei Beispielen in Osteuropa legte das Ausstellungsteam aus Reemtsmas Institut Beweise und Fotos für die These vor, dass die Wehrmacht im Zeiten Weltkrieg an der systematischen Ermordung von Zivilisten beteiligt war.

Konservative Kreise wehrten sich dagegen, weil damit die Vorstellung von der "sauberen Wehrmacht" im Gegensatz zur verbrecherischen SS oder Gestapo nicht mehr zu halten war. Auch viele frühere Soldaten fühlten sich angegriffen. Reemtsma betonte mehrfach, dass keine generelle Verurteilung aller Wehrmachtssoldaten beabsichtig sei. Die Ausstellung zog durch mehr als 30 deutsche Städte und hatte insgesamt rund 900.000 Zuschauer. Am 9. März 1998 wurde in Saarbrücken ein Sprengstoffanschlag auf die Ausstellung verübt. Die NPD demonstrierte fast überall gegen die Ausstellung.

1999 war Kritik von Historikern an der Schau laut geworden. Der Geschichtsforscher Bogdan Musial wies nach, dass manche Bilder nicht zu den Bildunterschriften passten. Die Ausstellung wurde nach den Fälschungsvorwürfen zurückgezogen. Ein Expertengutachten ergab, dass die Wehrmachtsausstellung zwar Fehler und Ungenauigkeiten aufwies, in ihrer Kernaussage aber richtig und notwendig gewesen sei.

Laut Reemtsma hält die neue Schau an der Aussage fest, wonach die Wehrmacht mit Absicht einen Vernichtungskrieg geführt habe. In einem Extra-Raum soll auch die Geschichte der vorigen Ausstellung gezeigt werden.

Die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944" ist bis zum 13. Januar dienstags bis sonntags in den Kunst-Werken in der Auguststraße 69 in Berlin-Mitte zu sehen. Erwachsene zahlen acht Mark Eintritt, Schüler zwei Mark.

 

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Frankfurter Allgemeine Zeitung Kultur 2.12.2001

Medienschau

Analogien und Veränderungen: Zur neuen Wehrmachtsausstellung

 

29. Nov. 2001 Auf ein Marx-Wort verweisend, nach der sich bedeutende Ereignisse ein erstes Mal als Tragödie ereigneten, ein zweites Mal aber als Farce wiederkehrten, beschreibt die "Süddeutsche Zeitung" einen Moment in der Geschichte der umstrittenen Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht". Die alte, nach Vorwürfen der Ungenauigkeit und Pauschalisierung abgesetzte Ausstellung, vielmehr die Stellwände, auf der die Bilder und Texte angebrachte waren, sollte von einer Spedition zum Schreddern gefahren, während eine andere Spedition den Auftrag hatte, eben diese Bretterwände zu retten. Ein Amtsgericht hatte die Vernichtung der Ausstellung untersagt. Und das Deutsche Historische Museum zu Berlin will die Bretter gern übernehmen. Sie könnten "zur Erhellung einer deutschen Debatte in den neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts dienen, von deren Schärfe spätere Generationen sich vielleicht nur mehr mühsam ein Bild machen können".

 

Mythenbildung

 

Verbindende Grundthese der alten wie der neuen Ausstellung: Auch die Wehrmacht war an der Planung und Durchführung von Hitlers Rassen- und Vernichtungskrieg maßgeblich beteiligt. Der Mythos der - im Gegensatz zu SS und Gestapo - "sauber" gebliebenen Wehrmacht, gegen den sich diese These wendet, hat Geschichte. Der Politikwissenschaftler Peter Reichel erzählte und deutete sie in der Dienstags-Ausgabe der "Süddeutschen Zeitung".

Reichel arbeitete in seinem Beitrag mit der Gegenüberstellung von Schilderungen der Soldaten, beispielsweise des damals 24-jährigen Gefreiten Heinrich Böll, über den Wahnsinn des Krieges und dem offiziell gezeichneten Bild. Er verwies auf einen Rezensenten, der in den kürzlich in einem Buch veröffentlichten Briefen Bölls eine "einzelne, ohnmächtige Menschenstimme gegen den Krieg" gesehen hat, "das Objektive schlechthin". Der Wissenschaftler fuhr fort: "Aber nicht sie, nicht diese Stimme - oder die anderen ungezählten Briefschreiber unter den rund 18 Millionen deutschen Soldaten - wurden maßgebend für das populäre Bild von Krieg und Wehrmacht in dem amtlich-geschönten Nachruf auf die Schlacht".

 

Spielräume

 

Auch die Alliierten hätten zu diesem Bild beigetragen, wurde die deutsche Armee doch von den einstigen Kriegsgegnern "wegen ihrer Professionalität und Effizienz insgeheim auch bewundert". Zudem beschäftigten sie in ihrer "Historical Division" mehr als 300 deutsche Offiziere mit der Kriegsgeschichtsschreibung. Nicht nur die Kriegsgeschichtsschreibung ist eine Frage der Deutung, der Erzählung. Die "Stuttgarter Zeitung" weist auf eine Abteilung der neuen Ausstellung mit dem Titel "Handlungsspielräume" hin, nach ihrer Sicht die "beeindruckendste Sektion der Ausstellung". Sie zeigt die Möglichkeiten der Soldaten, auf die ihnen erteilten Befehle zu reagieren. Drei Kompanieführer hatten 1941 den Befehl von ihrem gemeinsamen Vorgesetzten erhalten, die jüdische Bevölkerung an ihren Quartiersorten zu erschießen. Während der eine den Befehl ohne zu zögern ausführte, bat der zweite um schriftliche Bestätigung und gehorchte dann. Der dritte hingegen weigerte sich mehrfach, den Befehl auszuführen.

Zusammenhänge

Der "Tagesspiegel" stellt in

einem Meinungsstück Zusammenhänge her. Auch wenn der Inaugurator der Ausstellung, der Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Jan -Philipp Reemtsma, jede Analogie ablehne, assoziiere der Besucher der Wehrmachtsausstellung die Bilder der Schau unwillkürlich mit denen aus dem gegenwärtigen Krieg in Afghanistan. Die Zeitung formuliert vorsichtige Kritik an der Ausstellung in ihrer ersten Fassung: Die habe gezeigt, dass Polarisierung die Aufklärung nicht nur fördert. Zudem habe sie der Erkenntnis keinen Raum gegeben, dass "es ein richtiges Leben im falschen" geben könne. Diese Problematik allerdings würde Deutschland noch an einem zweiten Punkt in der Gegenwart betreffen: In der Auseinandersetzung um eine Bewertung und Beurteilung des Lebens in der DDR.

 

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Frankfurter Allgemeine Zeitung Kultur 2.12.2001

Wehrmachtsausstellung

Vergangenheit neu gesehen: Berlin zeigt "Verbrechen der Wehrmacht"

 

27. Nov. 2001 Zwei Jahre nachdem die umstrittene Wehrmachtsausstellung wegen Fälschungsvorwürfen geschlossen wurde, eröffnet die Schau nun an diesem Dienstag in einer komplett überarbeiteten Fassung in Berlin.

Der Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung, Jan Philipp Reemtsma, der für die Konzeption der umstrittenen Schau verantwortlich zeichnet, stellte am Vormittag die Änderungen in der wissenschaftlich neu konzipierten Fassung vor. Die Ausstellung ist nach Auskunft der Veranstalter keine korrigierte, sondern eine Neufassung der Vorgängerschau. Kultur-Staatsminister Julian Nida-Rümelin eröffnet am Abend die Ausstellung in den Räumen der Berliner Kunst-Werke.

 

Geschichte, neu geschrieben, blieb anfechtbar

 

Vor sechs Jahren wurde die "Wehrmachts-Ausstellung" in Hamburg vorgestellt. Mit bisher unveröffentlichtem Foto- und Dokumentarmaterial berichtete sie zum ersten Mal über systematische Morde der deutschen Wehrmacht an Zivilisten in Osteuropa während des Zweiten Weltkriegs. Die Wellen schlugen hoch. Es gab positive und negative Stimmen. Vor allem konservative Kreise wehrten sich aber, weil ihre Vorstellungen von einer „sauberen Wehrmacht" nicht mehr zu halten waren. Auch viele ehemalige einfache Soldaten, die nicht bei der verbrecherischen SS oder Gestapo gedient hatten, fühlten sich angegriffen. Die "Wehrmachts-Ausstellung" zog zwischen 1995 und 1997 durch 33 deutsche und österreichische Städte. Über 900.000 Besucher strömten in die Schausäle und diskutierten über ein Kapitel deutscher Vergangenheit, das sich für viele Zeitgenossen nun noch düsterer darstellte. Die Ausstellung schlug hohe Wellen. Am 9. März 1998 wurde in Saarbrücken ein Sprengstoffanschlag auf die Schau verübt.

 

Kritik wurde laut, die spektakuläre Schau wurde geschlossen

 

Im November 1999 wurde auch Kritik von Historikern laut. Damals wies Bogdan Musial nach, dass manche der gezeigten Fotografien nicht zu den Bildunterschriften passten. Nach massiven Vorwürfen wurde die Ausstellung geschlossen und ein Gremium einberufen, das das ausgestellte Material noch einmal kritisch untersuchte. Ein Jahr später wurden die Ergebnisse veröffentlicht. Es hatte sich herausgestellt, dass sachliche Fehler, Ungenauigkeiten und Flüchtigkeiten bei der Zuordnung des Materials unterlaufen waren und durch die Art der Präsentation "pauschale und suggestive Aussagen" getroffen wurden. Den Fälschungsvorwurf wies das Hamburger Institut für Sozialforschung allerdings zurück. Die Hauptthesen der Ausstellung bedurften auch nach genauer Prüfung des 16-köpfigen wissenschaftlichen Ausschusses keiner Korrekturen.

 

Unveränderte Thesen, neue Präsentation

 

Auch die neue Ausgabe hält an der These fest, dass "die Wehrmacht als Institution während des Zweiten Weltkrieges an der Planung und Durchführung eines beispiellosen Rassen- und Vernichtungskrieges umfassend beteiligt war". Ein Teil der neuen Schau widmet sich der Nachkriegszeit und den Nürnberger Prozessen sowie der Strafverfolgung und Integration ehemaliger Wehrmachtsoffiziere in die Nachkriegsgesellschaft. Ab Mittwoch ist die Schau für das Publikum zu besichtigen. Es darf neu diskutiert werden.

 

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Bremer Nachrichten Politik 1.12.2001

Die Kraft der Kriegsbilder

Historikerin Marszolek: Virtuelle Welt und Realität vermengen sich

Von unserem Redakteur Ben Zimmermann

 

Bremen. Schon immer gehörten Gewalt und Tod zum Krieg, schon immer blieben auf den Schlachtfeldern verstümmelte Leichen zurück. Doch erst mit dem Ersten Weltkrieg kamen diese Bilder auch in der Heimat an. Von Anfang an wurden sie dazu benutzt, dem Feind Gräueltaten zuzuschreiben, ihn wie ein Tier erscheinen zu lassen. Es gab jedoch auch andere Aufnahmen:

So wurden anekdotische Bilder vom Soldatenleben verbreitet, damit der Krieg zu Hause nicht allzu unappetitlich erschien. Schnell wird somit klar: Jeder Mensch hat andere Bilder vom Krieg im Kopf.

Die Bilder vom Krieg – was zu Beginn des Jahrhunderts anfing, hat seit mehreren Wochen traurige Aktualität. „Der 11. September", schildert Prof. Inge Marszolek (54) ihren ganz persönlichen Eindruck von den ins World Trade Center stürzenden Flugzeugen, „hat mir unsere eigene Verwundbarkeit vor Augen geführt. Mir war klar, dass eine Zeit großer Instabilität und eine neue Form von Krieg beginnt." Die jüngsten Ereignisse bewogen sie schließlich auch, genau dieses Thema – „Die Kriegsbilder im 20. Jahrhundert" – zum Thema ihrer Rede zum 20.

Benefizessen der Villa Ichon zu machen. Neben der Historikerin der Universität Bremen referierte gestern Abend außerdem der Theaterwissenschaftler Dr. Ulrich Fuchs zum Thema „Ist (Theater-)Kunst zwecklos?".

Ein wirkliches Spiegelbild des Krieges, erzählt Inge Marszolek im Gespräch mit unserer Zeitung, liefern die Bilder nie. Sie zeigten immer nur einen kleinen Ausschnitt. „Die Reporter gelangen nicht überall hin oder sie kommen zum falschen Ort oder zur falschen Zeit. Auch der Fotograf selbst ist ja nicht unbeteiligt." Auf der anderen Seite würden einige Aufnahmen gar nicht erst gezeigt. Dazu kommt: Jeder Mensch verbindet das Gesehene mit seinen individuellen Erfahrungen und bastelt sich somit ein ganz eigenes Bild. Es wird also schwer oder gar unmöglich für den Einzelnen, zwischen der virtuellen Welt und der Realität zu unterscheiden.

Und doch, so die Einschätzung der Wissenschaftlerin, könne man sich heute ein präziseres Bild vom Krieg machen als es früher der Fall war. „Man hat natürlich eine viel größere Auswahl", sagt sie und zählt auf: die verschiedensten Zeitungen und Zeitschriften, Fernsehen, Internet. „Damit ergibt sich ein genaueres Bild."

Der Missbrauch der Kriegsbilder zu Propagandazwecken (Marszolek: „Das wird natürlich immer wieder versucht.") ist dadurch erschwert. Trotzdem: Gerade viele arabische Medien, berichtet die Historikerin, hätten ein verzerrtes Bild verbreitet. Auch in den USA sieht sie „Probleme". Es gebe kaum noch differenzierende Stimmen, was sie für „bedenklich" halte. Von „Gleichschaltung" der Medien könne trotzdem keine Rede sein.

Letztlich, so erklärt die Professorin, baue sich jeder Betrachter seinen individuellen Eindruck zusammen. „Es kommt darauf an, wie man die Bilder mit eigenen Gefühlen und Wahrnehmungen verbindet." So blieben auch die Eindrücke des 11. September fester haften, als etwa der Völkermord in Ruanda – obwohl dort viel mehr Menschen niedergemetzelt worden waren.

Wie stark die Wirkung der Bilder vom Krieg auf den Menschen ist, lässt sich ganz exemplarisch auch anhand der Wehrmachtsausstellung feststellen. Wie in anderen Städten hatte die Schau auch in Bremen für eine lang anhaltende Debatte gesorgt. „Wir hatten hier Diskussionen auf höchstem Niveau", blickt Inge Marszolek zurück – was ihre Meinung bestätigt: „Das sagt wohl genug über die Kraft der Bilder aus."

 

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Frankfurter Allgemeine Zeitung Vermischtes 2.12.2001

Kleine Fehler, große Anstrengung :Wir sind seriös geworden

 

Auch die neue "Wehrmachtsausstellung" ist nicht fehlerfrei, wird es Kritikern aber schwer machen / Von Bogdan Musial

Die neue "Wehrmachtsausstellung" erinnert in ihrer Anmutung nur durch bestimmte Begleitumstände - etwa die angekündigten Demonstrationen von Neonazis ... (Der Artikel war leider nicht mehr zugänglich.)

 

 

 

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