Junge Welt 18.5.2001
[Ausland]
Perspektiven und Probleme der exemplarischen Stätte der Naziverbrechen.
Von Hans G. Helms
Falls es die ihm diktierten Privatisierungs- und Deregulierungsgebote brav erfüllt, wird Polen in einigen Jahren der EU beitreten dürfen. In Vorbereitung auf die damit auch Oswiecim, das Deutsche als Auschwitz kennen, bedrohenden Konsequenzen betreibt die Stadtverwaltung eine eigenartige Politik des Anlockens von Investoren und der Verdrängung. Aus neuen Werbepublikationen der Stadtverwaltung gewinnt man vor allem den Eindruck, mit seinen 45 000 Einwohnern blicke Auschwitz auf eine lange, beeindruckende Geschichte zurück, sei seit dem Bau der Eisenbahnen in österreichischer Zeit ein erstrangiger Verkehrsknotenpunkt und ein traditionsreicher Industriestandort. Wohlrestaurierte Bürgerhäuser, Schulen und katholische Kirchen, Denkmäler und Sportstätten, sanitäre Anlagen und Umweltschutz werden Investoren angepriesen.
"Oswiecim ist herrlich"
In einer Broschüre wendet sich die Stadtverwaltung an den Duzfreund Investor: [Oswiecim] ist herrlich [in den] gut entwickelten Regionen [...] Südpolens und [mitten in] attraktiven Erholungsgebieten gelegen. Das ist die Stadt der kompetenten Menschen und Behörden, die freundlich und offen für alle sind! [...] Wenn du davon träumst, daß deine Firma ihren Sitz in einer Stadt [hat, die] über eine ausreichende Menge erfahrener Arbeitskräfte verfügt, [die] eine Möglichkeit hat, mit den im Inland bedeutenden Betrieben und Institutionen zusammenzuarbeiten [...]; Wenn du eine Stadt [...] suchst, in welche alljährlich mehr als eine halbe Million Touristen [kommt], wovon die Hälfte Ausländer sind, [...] Dann sollst du in Oswiecim investieren!"
Gleichsam nebenbei verrät einem die Hochglanzbroschüre, daß die halbe Million Touristen lediglich das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau besucht. Es dürfe "nicht vergessen werden, [daß auf dem] Gebiet des ehemaligen KZ- Lagers Auschwitz-Birkenau [...] etwa 1,5 Millionen Leute ermordet wurden, vor allem Juden, aber auch Polen, Zigeuner, russische Kriegsgefangene sowie Vertreter 20 anderer Nationen. [...] Das Verbrechensausmaß, aber auch das riesengroße Gebiet des Lagers entscheiden über seinen einmaligen Charakter. Es [kann] nicht erstaunen, daß dieser Ort für die Welt eine besondere Bedeutung hat. [... ] Die Stadt Oswiecim ist sich dieser Sache bewußt, bemüht sich, diese Herausforderung zu bewältigen und ist offen [für] alle Initiativen, welche dazu führen, daß diese Losung >Nie mehr Auschwitz< nicht nur ein gängiger Slogan bleibt."
Details ausgeblendet
Wenn Aufklärung über Auschwitz als Ort des größten faschistischen Konzentrations- und Vernichtungslagers der Stadtverwaltung so wichtig ist, warum erfährt man aus den städtischen Veröffentlichungen nicht, daß die ersten Häftlinge, die ab Juni 1940 in die polnischen Kasernengebäude des Stammlagers Auschwitz eingeliefert wurden, Polen aus Tarnow waren? Der Erste Schutzhaftlagerführer, SS- Hauptsturmführer Karl Fritzsch, begrüßte sie beim Appell mit den Worten: "Ihr seid hier nicht in ein Sanatorium gekommen, sondern in ein deutsches Konzentrationslager, aus dem es keinen anderen Ausgang gibt als durch den Schornstein des Krematoriums. [...] Wenn in einem Transport Juden sind, dann haben sie kein Recht, länger zu leben als zwei Wochen, die Priester einen Monat und die übrigen drei Monate."
Solche historischen Details bleiben ausgeblendet, weil sie Fremde ebenso wie Einheimische verschrecken könnten. Die Mehrzahl der heutigen Bürger von Oswiecim sind nach dem Krieg umgesiedelte Ostpolen und deren Nachkommen, die zu Auschwitz unter dem Naziterror keine Beziehung haben. Deshalb wird nirgendwo im städtischen PR-Material auch nur ein flüchtiger Blick auf die im Lager herrschenden Zustände geworfen: den Terror, die Zwangsarbeit, die Seuchen, den Hunger, die massenhafte Menschenvernichtung.
Stadtpräsident Józef Krawczyk hegt offenbar die Befürchtung, genauere Kenntnisse der Naziverbrechen, vor allem auch an seinen Landsleuten, und eine allzu enge Verbindung zwischen der Kommune Auschwitz, den drei Lagern und dem Lagermuseum könne der Stadt schaden.
Krawczyk: "Menschen, die das Besondere dieser Stadt nicht kennen, deren Vorstellung von den Medien geprägt ist, haben vor Auschwitz Angst. Deshalb sehe ich in Besuchern eine Chance für unsere Entwicklung: Uns fehlen ausländische Investoren."
"Keine normale Stadt"
Mit dem ersten Transport aus Warschau traf der damals noch 17jährige, in einer Straßenrazzia aufgegriffene Pole Stanislaw Hantz am 15. August 1940 an der Rampe des Stammlagers ein. Als Schreiner und Tischler "durchlebte" der nun 78jährige drei Folterungen und viereinhalb Jahre Sklavenarbeit. Nach dem Krieg arbeitete er mit anderen Überlebenden am Aufbau des Museums. In der ihm eigenen "Lagersprache", einem von deutschen Mithäftlingen und von SS-Leuten gelernten gebrochenen Deutsch, reagiert Hantz auf die amtlichen Broschüren und die Äußerungen des Stadtpräsidenten mit Verwunderung und Ärger: "Das ist für mich nicht zu verstehen, daß die Stadt will Abstand haben vom Museum. Aber die Stadt lebt vom Museum. Tausende Touristen kommen hierher, da bleiben Tausende, Tausende Zloty. Die Weltgeschichte hat es so gewollt, daß Auschwitz keine normale Stadt ist. Es wird keine normale Stadt sein, solange wir über Auschwitz und den Holocaust sprechen werden."
Chemische Werke Dwory
Kein Zweifel, das künftige Wohl der Stadt Auschwitz wird im verstärkten Maß von einer engen Kooperation mit dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau und der polnisch- deutschen Stiftung Internationale Jugendbegegnungsstätte Auschwitz abhängen. Schon jetzt, bevor die von der EU geforderte allgemeine Privatisierung der Staatsbetriebe recht begonnen hat, herrscht im benachbarten oberschlesischen Industriegebiet um Katowice hohe Arbeitslosigkeit. Wegen des kostspieligen Untertageabbaus kann die polnische Kohle in der EU nicht mehr mit der billigen Kohle aus Südafrika, Australien und den USA konkurrieren.
Die im heutigen Ortsteil Dwory von Häftlingen und Zwangsarbeitern aus ganz Europa errichteten Raffinier- und Bunawerke der IG Farben "haben die Sowjets gleich nach Kriegsende demontiert". Mit gebrauchten Anlagen aus der DDR haben Polen sie wieder aufgebaut, um Buna, synthetischen Kautschuk, zu produzieren. Seit den 80er Jahren ist die Belegschaft des Staatsbetriebs Chemische Werke Dwory von 8 000 auf jetzt 2 000 reduziert worden. Weitere 1 500 Werktätige haben noch Jobs bei fünf anderen Unternehmen, die sich auf dem Werksgelände angesiedelt haben. Bei einer Besichtigung des Riesenareals sieht man, daß drei Viertel der Anlagen als Ruinen verwittern oder abgerissen sind. Herr Patik, der Leitende Technologe des Werks, ist stolz auf die 100 000 Tonnen synthetischen Kautschuks, die pro Jahr an Reifenfirmen wie Dunlop oder Michelin abgesetzt werden, die zum Teil schon polnische Filialen besitzen, doch die Privatisierung und den Wegfall der staatlichen Subventionen wird das Werk kaum überstehen. Damit bräche dann wohl auch die vom Werk gesicherte Fernwärmeversorgung der Stadt zusammen.
Das nach seinem Umsatz zweitgrößte Unternehmen der Stadt ist das Museum Auschwitz-Birkenau. Jährlich zieht es eine halbe Million Menschen an, zum großen Teil Angehörige der hier Ermordeten. Sie bekommen bloß Ausschnitte der Stätten des Grauens im Stammlager (Auschwitz I) und in Birkenau (Auschwitz II) zu sehen und erläutert; sie erfahren nichts über die Weite und die industrielle Dimension dieses SS- Reichs des Todes. Jan Grubka, einst Zwangsarbeiter auf der IG-Farben-Baustelle, Retter der Brüder Ernst und Hans Frankenthal (*), nach dem Krieg im Bunawerk tätig und am Museumsaufbau beteiligt, ab 1964 zehn Jahre lang Bürgermeister von Oswiecim, berichtet: "In Zasole hat man die Häuser abgerissen, um freies Blickfeld zu haben. Überall standen Schilder: >Achtung! Es wird geschossen!< Man durfte diese Grenze nicht überschreiten. Der große Ort Monowitz ist verschwunden. Da hat man das Lager Monowitz und die Chlor-Elektrolyse gebaut."
Am Standort der neuen Kommandantur ist zu erkennen, daß geplant war, das Lager Birkenau, das etwa die Dimensionen der Kölner Innenstadt hat, an Umfang zu verdoppeln. Das gesamte westliche Stadtgebiet von Auschwitz zwischen den Flüssen Sola und Weichsel mit dem Ortsteil Zasole als Kern und etlichen Dörfern war ein 42 Quadratkilometer großes entsiedeltes Sperrgebiet, in dem lediglich Werke deutscher Rüstungskonzerne, SS- Wirtschaftsbetriebe und SS-Unterkünfte standen. Östlich der Stadt lagen das IG-Farben-Gelände in Dwory und das IG- Farben-KZ Auschwitz III in Monowitz, zusammen eine Fläche von mehreren Quadratkilometern.
Jugendbegegnungsstätte
Am Stammlager sind die Außenbetriebe zugunsten eines riesigen Parkplatzes und diverser Souvenir- und Fast-food- Kioske abgerissen worden. Bahngleis und Rampe haben einer Umgehungsstraße weichen müssen. Zasole ist inzwischen dicht bebaut. In Monowitz, wo bloß einige Häuser und Gehöfte stehen, lassen sich die Ausmaße des Lagers noch an wenigen Gebäuden, SS-Einmannsplitterbunkern und ein paar Betonpfählen des elektrisch geladenen Zauns erkennen.
Um so notwendiger für das Begreifen, welche Verbrechen die Nazis in Auschwitz begangen haben, ist die Internationale Jugendbegegnungsstätte, in der Jahr für Jahr Tausende Jugendliche aus Polen, Deutschland und vielen anderen Ländern gemeinsam an der Erhaltung der Gedenkstätten arbeiten und über den alten und neuen Faschismus debattieren.
Leszek Szuster, der Direktor der Jugendbegegnungsstätte, argumentiert zu Recht: "Wie kaum eine andere Stadt eignet sich Auschwitz für solche Diskussionen, weil hier die Geschichte alles viel stärker widerspiegelt. Was in Auschwitz gesagt wird, hat mehr Gewicht. Es ist ein Ort, an dem man etwas über den Rechtsextremismus lernt."
Die Internationale Jugendbegegnungsstätte bringt ihre jungen Gäste auch mit Überlebenden zusammen, die mit großer Eindringlichkeit und nur schwer unterdrückten Emotionen an den Orten der Verbrechen von deren Abläufen erzählen. Ein häufiger Gast ist Stanislaw "Staszek" Hantz, ein anderer der 79jährige Henryk Mandelbaum. Der jetzt im nahen Gliwice (Gleiwitz) lebende Mandelbaum war aus dem Ghetto Sosnowiece (Sosnowitz) geflohen, verraten, wieder eingefangen und am 22. April 1944 in Birkenau eingeliefert worden. Von den 21 Juden aus Sosnowitz wurden 18 in die Gaskammer getrieben. Mandelbaum gehörte zu den drei als Arbeitssklaven Selektierten. Auf dem Todesmarsch im Januar 1945 gelang es Mandelbaum zu fliehen. Mandelbaum ist einer der wenigen Überlebenden des Sonderkommandos, das den Vergasten die Goldzähne und -plomben auszubrechen hatte, sie teils in Gruben im Freien verbrennen, teils in die Krematorien schleppen und am Ende die nicht verbrannten Knochen zermahlen mußte. Die Asche wurde in der Weichsel versenkt. Mandelbaum: "Man hat hier gearbeitet. In jedem Moment - bei der Arbeit, beim Essen, sogar im Schlaf - hat man nur daran gedacht: Wie kommt man hier raus!"
Am 26. September 1944 wurden 200 Juden des Sonderkommandos auf "Transport" geschickt, d. h. ins Stammlager gebracht und dort vergast. Die SS begann, die Zeugen ihrer Verbrechen zu liquidieren. Das blieb den restlichen 700 Häftlingen des Sonderkommandos nicht verborgen; denn innerhalb des Lagers wirkte eine weitläufige Widerstandsorganisation, die auch Kontakte zur polnischen Résistance außerhalb der Lager unterhielt. Weibliche Häftlinge, die im Werk der Weichsel-Union arbeiteten, hatten das Sonderkommando mit Sprengstoffen versorgt. Zu dem, was dann geschah, noch einmal Henryk Mandelbaum: "Die SS bediente sich der Methode, ab und zu >alte Häftlinge< auf >Transport< zu schicken. Wir erfuhren, daß weitere Kollegen auf >Transport< gehen sollten. Daraufhin haben wir das Krematorium IV in Brand gesetzt."
An den Krematorien IV und II kommt es zum Aufstand. Die Häftlinge kämpfen gegen die SS "mit Hämmern, Äxten und Steinen" und "werfen einige selbstgefertigte Granaten". Zum ersten Mal töten Häftlinge in einem KZ ihre Peiniger. Die Wachmannschaften schlagen den Aufstand schnell nieder und erschießen und erhängen 451 Häftlinge des Sonderkommandos.
Nebenan die Disko
Mir scheint, es ist für die Jugendlichen in Auschwitz nicht minder wichtig als für die ausländischen Gäste der Jugendbegegnungsstätte, zu erfahren, daß sich Juden und andere KZ-Häftlinge nicht wie Lämmer abschlachten ließen, daß sie vielmehr - wann und wo immer sich ihnen dazu eine Möglichkeit bot - Widerstand leisteten wie auch in Buchenwald. Denn das jetzt in Polen herrschende neoliberale System fordert ihnen Widerstand ab. Um so unbegreiflicher, daß die Stadtverwaltung die Aktivitäten der Internationalen Jugendbegegnungsstätte erschwert, indem sie zuließ, daß gleich nebenan in der Lederfabrik mit einer illegalen Genehmigung des Starosten, des Kreisdirektors, im Sommer 2000 eine Diskothek aufmachte. Zu dieser Diskothek befragt, weicht Stadtpräsident Krawczyk auf das ablenkende Argument aus, junge Leute brauchten doch einen Platz, um sich zu amüsieren, und fährt dann fort: "Die Entstehung der Diskothek hat der Stadtverwaltung nicht gefallen, aber wir haben keinen Einfluß darauf gehabt."
Das ist allenfalls die halbe Wahrheit. Der bis Ende 1999 gültige Flächennutzungsplan sah für das Gelände der Lederfabrik Handel und Gewerbe vor. Auf die Erstellung eines ab 2000 gültigen neuen Flächennutzungsplans verzichtete die Stadtverwaltung aus Kostengründen. Es hat aber auch keinerlei Modifikationen der Nutzungsmöglichkeiten gegeben, so daß die Diskothek an diesem Ort auch heute ein illegales Unternehmen ist. Auf das grundsätzliche Ärgernis geht der Stadtpräsident wohlweislich gar nicht erst ein: Die auch als "Gerberei" bekannte Lederfabrik war eine Zwangsarbeits- und Mordstätte der SS innerhalb des "Sperrbezirks". Sie ist eine Gedenkstätte und sollte als Mahnmal respektiert werden, fordert Stanislaw Hantz: "Mir gefällt nicht, daß das ist Diskothek. Ich war in der Lederfabrik vielleicht zwei-, dreimal überhaupt, als ich im Lager war. Aber ich habe gewußt, daß Häftlinge dort gearbeitet haben, daß sie dort getötet wurden, ermordet. Warum soll sie eine Diskothek sein?"
Nazischmierereien
Die Diskothek bewährt sich als Nährboden für den neuen Antisemitismus, der in Polen unter den arbeitslosen Jugendlichen anschwillt. Schon mehrmals gab es Nazischmierereien an der Mauer des jüdischen Friedhofs, die letzte am 9. Mai dieses Jahres. Sie sind von Bürgern der Stadt stets sofort wieder übertüncht worden. Das im Herbst 2000 eröffnete Jüdische Zentrum mit der rekonstruierten Synagoge ist bislang noch verschont geblieben. Doch Leszek Szuster, der Direktor der Jugendbegegnungsstätte, erinnert an einen Skandal, der sich, wiederum mit Genehmigung des Starosten, 1998 ereignet hat: "Skinheads marschierten in Birkenau ein. Die Demonstration verlief zwar ruhig, es gab keine Schlägerei, aber sie hatte ein enormes Echo. Man diskutierte darüber, wie es dazu kommen konnte, daß 50 Jahre nach Kriegsende an einem Ort wie Birkenau eine solche Gruppe mit antisemitischen und antihumanitären Parolen demonstrierte."
Nach dem Willen des polnischen Staatspräsidenten und des Außenministers ist die störende und die KZ-Opfer beleidigende Diskothek umgehend zu schließen. Doch es passiert nichts: Mal ist sie in dröhnendem Betrieb und Besoffene randalieren mit antisemitischen Sprüchen auf der Straße, mal nicht. Das Stadtoberhaupt spekuliert auf ein Tauschgeschäft mit deutschen Investoren: Sie sollen dort einen Hotelkomplex für Auschwitz-Touristen errichten. Soviel ist jedenfalls sicher: Von den Hoffnungen und Versprechungen der kommunalen Werbeprospekte wird kaum etwas realisiert werden. Deshalb werden die Internationale Jugendbegegnungsstätte und die dort geleistete Aufklärungsarbeit für die gesamte Stadt noch an Bedeutung gewinnen, wenn in Oswiecim die industrielle Basis wegbricht und die Arbeitslosigkeit zunimmt. Jacek Urbinski, der Vorsitzende des Stadtrats, beklagt schon jetzt: "Ich habe den Eindruck, unsere Jugend fühlt sich verloren. In diesem schwierigen Ort kann sie sich keine Zukunft vorstellen und ist frustriert."
Keine Institution in Auschwitz ist besser geeignet als die Internationale Jugendbegegnungsstätte, um gegen Rassismus und Fremdenhaß auftretende polnische Jugendgruppen - wie die im nahen Bielsko-Biala - mit gleich aktiven deutschen und anderen ausländischen Gruppen zusammenzubringen. Gemeinsam können sie mit den "frustrierten" Auschwitzer Jugendlichen arbeiten, sie die Herkunft ihrer Vorurteile und deren Folgen aus der Geschichte der Stadt begreifen lehren.
Bis 1939 haben in Oswiecim je 7 000 Katholiken und Juden polnischer Nationalität einträchtig zusammengelebt und mit vereinten Kräften die Geschicke der recht wohlhabenden Stadt gelenkt. Die jüdischen Bürger, aber auch viele katholische, sind dem Naziterror zum Opfer gefallen. Daß die Nazis aus logistischen Gründen Auschwitz als zentrale Massenvernichtungsstätte und Drehscheibe der Zwangsarbeit ausgewählt haben, belastet die Stadt, bietet ihr aber auch die Chance, zum bedeutendsten Ort der Aufklärung über den auf Menschenversklavung und Völkermord basierenden Faschismus zu werden.
(*) Hans Frankenthal: Verweigerte Rückkehr. Erfahrungen nach dem Judenmord. Frankfurt/Main 1999
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