Presse-Infos zum Fall >Engel< (1)

 

      

SS-Kriegsverbrecher Friedrich Engel

 

Dienstag, der 24. April 2001 / 16:17 Uhr

Quelle: Junge Welt

 

Der nette Herr von nebenan

 

SS-Kriegsverbrecher Engel konnte trotz Selbstanzeige jahrzehntelang unerkannt in Hamburg leben »Ein sehr netter alter Herr«, so beschreibt eine Nachbarin den 92jährigen Friedrich Engel. Seit Jahrzehnten lebt der Wissenschaftler im Ruhestand, der seine Brötchen mit Holz- Im- und -Export verdiente, als unbescholtener Bürger im Hamburger Stadtteil Lokstedt. Erst als er in italienischen Medien Schlagzeilen machte, wurden Hamburger Behörden auf ihn aufmerksam: Engel ist nicht der »nette, alte Herr« von nebenan, schließlich war er in der Zeit von 1944 bis 1945 Chef der SS und der Polizei in Genua. Im November 1999 war er in Turin von einem italienischen Militärgericht zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Er wurde für schuldig befunden, während seiner Herrschaft 246 Menschen ermordet zu haben.

Durch Berichte italienischer Medien auf den ehemaligen SS-Obersturmbannführer aufmerksam geworden, leitete die Staatsanwaltschaft Hamburg 1998 ein Ermittlungsverfahren gegen Engel ein. Im Oktober 1999 wurden die entsprechenden Akten bei der italienischen Justiz angefordert. Im Mai 2000 kamen die Unterlagen in der Hansestadt an. Bis heute passierte allerdings nicht viel; Beamte sind immer noch damit beschäftigt, die Dokumente zu übersetzen. Die Hamburger Justizbehörde stellte inzwischen fest, daß in den 60er Jahren schon einmal gegen Engel ermittelt worden war, 1969 wurde das Verfahren abgeschlossen. Was Gegenstand dieser Ermittlungen gewesen ist, ob sie im Zusammenhang standen mit den Kriegsverbrechen, aufgrund welcher Erkenntnisse und auf wessen Veranlassung hin damals der »Fall Engel« ad acta gelegt wurde, kann niemand genau sagen: Die Akten sind verschwunden.

Vor kurzem entdeckte nun auch die deutsche Presse Friedrich Engel. So interviewte das ARD-Magazin »Kontraste« einen Zeitzeugen, der ein von Engel angeordnetes Massaker überlebt hatte. Der beschrieb Engel als »besonders hart, grausam«. Laut »Kontraste« liebte es Engel, bei den Erschießungen selbst das Kommando zu führen.

Das Interview wurde vor etwa zwei Wochen ausgestrahlt. Daraufhin griffen auch Hamburger Medien das Thema auf. Friedrich Engel allerdings ist nicht zu sprechen. Bis auf eine Ausnahme: Er gab der Kollegin Elisabetta Rosapina der italienischen Zeitung Corriere della Sierra ein Interview, das in Auszügen im Hamburger Abendblatt nachgedruckt wurde. Darin bestreitet Engel die gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Er sei lediglich bei einer Exekution von 59 Zivilisten, die wegen »Aktionen gegen uns Deutsche« verhaftet worden waren, »zugegen gewesen«. Er sei mit dem Hinrichtungsbefehl nicht einverstanden gewesen, habe sich der »Sühnemaßnahme« aber nicht widersetzen können. »Ich handelte auf Befehl. Damals habe ich nicht erkennen können, ob derartige Befehle widerrechtlich und strafbar waren. Nach den Erklärungen meines Vorgesetzten seien sie durch das Kriegsrecht gedeckt gewesen«, erklärte Engel schriftlich dem Hamburger Abendblatt. 

In der ARD sagte Engel letzte Woche: »Ja, ich bin beteiligt gewesen, fühle mich dafür aber nicht voll verantwortlich (...) Es waren alles von der Wehrmacht überstellte früher an Kampfhandlungen gegen die Deutschen beteiligte Partisanen, Terroristen oder ähnlich. Sie wären also bei einer genauen Prüfung bei Prozessen und so weiter sowieso diesem Urteil verfallen gewesen.« Engel betonte zudem, daß er bei der Hamburger Staatsanwaltschaft schon einmal selbst Anzeige erstattet habe, danach sei aber nichts passiert.

Der Fall Friedrich Engel wirft eine Menge Fragen auf. Die Grünen-Abspaltung »Gruppe Regenbogen - für eine neue Linke« stellte sofort nach Bekanntwerden dieses Falls eine Anfrage an die Hamburger Bürgerschaft, um etwas Licht in das Dunkel um diesen Justizskandal zu bringen.

Regenbogen- Sprecherin Heike Sudmann schüttelt fassungslos den Kopf: »Es ist unglaublich, daß dieser Mann all die Jahre unbehelligt in Hamburg leben konnte.«

 

Birgit Gärtner

 

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Der SPIEGEL, 23.04.2001

D A S   D O P P E L L E B E N   D E S   K R I E G S V E R B R E C H E R S   F R I E D R I C H   E N G E L

 

Der "Henker von Genua" als Biedermann

 

"Ja, ich war daran beteiligt. Es tut mir Leid, aber ich habe nichts zu bereuen." Das sind Worte des 92-jährigen Friedrich Engel aus Hamburg. Das Militärgericht in Turin hatte den früheren SS-Obersturmbannführer 1999 in Abwesenheit zu lebenslänglicher Haft wegen der Ermordung von 246 Zivilisten in Italien verurteilt.

 

SPIEGEL TV MAGAZIN Beitrag ansehen Wegen besonderer Grausamkeit wird Engel in Italien auch als "Henker von Genua" bezeichnet.

Mehr als ein halbes Jahrhundert lang lebte er in der Rolle des ehrbaren Kaufmanns unbehelligt in der Hansestadt. Engel räumt eine Mitverantwortung an der Erschießung von 59 italienischen Gefangenen ein, von anderen Hinrichtungen weiß er angeblich nichts.

Jetzt hat die deutsche Justiz Schwierigkeiten zu erklären, warum sie im Fall Engel bisher so zögerlich vorgegangen ist. Nach ersten Presseberichten über den italienischen Prozess hatte die Staatsanwaltschaft Hamburg zwar 1998 Ermittlungen aufgenommen. Geschehen ist weiter nichts - obwohl die Prozessunterlagen seit Mai vergangenen Jahres vorliegen. Man sei noch dabei, die Unterlagen zu übersetzen, heißt es bei der Staatsanwaltschaft.

Hinweise auf mögliche Kriegsverbrechen Engels in seiner Zeit als SS-Kommandant von Genua hat es in den vergangenen Jahrzehnten mehr als genug gegeben. Aber selbst eine Anzeige Ende der sechziger Jahre gegen Engel verlief offenbar im Sande. Die Ermittlungsakte war bislang verschollen, jetzt ist sie überraschend wieder bei den Strafverfolgern aufgetaucht. Nun will man mit Hochdruck ermitteln. Aufgrund seines hohen Alters muss Friedrich Engel aber wohl nicht mehr mit einer Haftstrafe rechnen.

Sehen Sie den SPIEGEL TV Beitrag über das furchtbare Geheimnis des ehemaligen SS-Kommandanten Engel und die Untätigkeit der bundesdeutschen Justiz.

 

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Der Spiegel, 22. April 2001

D E U T S C H E   J U S T I Z

Mit Samthandschuhen gegen Nazi-Henker

Von Marion Kraske

 

Auch mehr als 50 Jahre nach Kriegsende sind einige Nazi-Verbrecher noch immer auf freiem Fuß. Michel Friedman vom Zentralrat der Juden in Deutschland wirft der deutschen Justiz im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE streckenweise Versagen vor.

 

Jerusalem/Hamburg - Der einstige "Henker von Genua" lebt heute unbehelligt in Hamburg-Lokstedt.

Friedrich Engel soll als SS-Obersturmbannführer und als Chef der SS für mehrere Massaker in der norditalienischen Region verantwortlich sein - unter anderem für die Erschießung von 246 Menschen. 1999 wurde er in Turin zu lebenslanger Haft verurteilt.

Doch noch immer ist Engel in Hamburg auf freiem Fuß, führt in einem Einfamilienhaus samt Garten ein ganz normales Rentner-Dasein.

Auch Anton Malloth lebte bis vor kurzem unbehelligt von der deutschen Justiz. Von Montag an muss sich der 89-Jährige allerdings in München vor einem Gericht verantworten: Die Anklage wirft dem ehemaligen SS-Oberscharführer Mord in drei Fällen sowie versuchten Mord in einem Fall vor. Bei den Opfern soll es sich um Häftlinge der Kleinen Festung Theresienstadt, einem Gestapo-Gefängnis in Tschechien, gehandelt haben. 1948 wurde Malloth von einem tschechischen Gericht wegen Mordes und "unmenschlicher Quälereien" zum Tode verurteilt. In Deutschland wurden langjährige Ermittlungen dagegen 1999 eingestellt.

Zwei Fälle, zwei Debakel für die deutsche Justiz. Für Michel Friedman vom Zentralrat der Juden in Deutschland ein untragbarer Zustand.

Die deutsche Justiz sei in der Verfolgung von Nazi-Verbrechern "reaktiv, aber nicht aktiv tätig", so sein Vorwurf. Die Verfolgung der Täter sei seit den fünfziger Jahren bis heute zögerlich betrieben worden, eine flächendeckende Verfolgung aber habe es nie gegeben.

Lob vom Simon-Wiesenthal-Zentrum Zu einem positiven Urteil über deutsche Gerichtsbarkeit kommt derzeit das Simon-Wiesenthal-Zentrum in Jerusalem. In einem Bericht des Institutes erhalten vor allen anderen Ländern die USA gute Noten bei der Aufarbeitung von NS-Kriegsverbrechen. Der Studie zufolge gibt es in Amerika keinen Platz für ehemalige Nazi-Schergen. Hier sei die Bereitschaft besonders hoch. Auf den nächsten Plätzen kommen Deutschland, Frankreich und Italien. Ganz hintenan nennt das Simon-Wiesenthal-Zentrum Schweden und Syrien. Beide Länder, so die Kritik, hätten sich geweigert, die Beschuldigten auszuliefern oder die zur Zeit des Hitler-Regimes begangenen Verbrechen und Massaker aufzuklären.

Nach Meinung von Michel Friedman sagen die Ergebnisse der Studie aus Jerusalem nichts über den tatsächlichen Stand der Strafverfolgung in Deutschland aus. "Allein dass Deutschland nicht an erster Stelle steht, ist bedenklich", glaubt der Rechtsanwalt und CDU-Politiker. Ein Ranking habe zudem lediglich einen relativen Ansatz. "Mir geht es aber um das Problem im absoluten Sinn", betont er. "Was hätte man machen können, wenn man es hätte tun wollen" - das müsse der Maßstab sein.

 

Der Fall Engel

 

Wie sehr es an einer stringenten Aufklärung hapert, zeigt vor allem der Fall Engel. Selbst Rüdiger Bagger von der Hamburger Staatsanwaltschaft räumt gegenüber SPIEGEL ONLINE ein, die Anstrengungen seien bislang "nicht optimal" verlaufen. Schon in den sechziger Jahren hatten die Behörden gegen den Nazi-Verbrecher ermittelt - ohne Erfolg. Das Verfahren wurde eingestellt. Inzwischen bestätigte Bagger, dass die Ermittlungen gegen den Mörder wieder aufgenommen wurden. "Wir ermitteln seit 1998." Aus Italien seien Unterlagen angefordert worden. Nun werde geprüft, ob die Beweise für einen Prozess ausreichen.

Im Fall Engel beschuldigen sich deutsche Behörden und die italienische Justiz gegenseitig, die Ermittlungen verschleppt zu haben. "Dieser Versuch, den schwarzen Peter zwischen Italien und Deutschland hin und her zu schieben", ist aus Sicht von Michel Friedman "unerträglich". Er fordert die deutschen Gerichte auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und - wie im Fall Malloth und Engel - die Beschuldigten auch mehr als 50 Jahre nach Kriegsende für ihre Verbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Sein Credo lautet: Hätte die deutsche Justiz vorher gehandelt, müsste man nicht jetzt 90-jährigen Greisen den Prozess machen.

Doch es sind nicht nur die Alt-Nazis, mit denen die Gerichte hier zu Lande ihre liebe Not haben. Auch beim Kampf gegen den aktuellen Rechtsextremismus müssen sich deutsche Gerichte fragen lassen, ob sie ihre Verantwortung ausreichend übernehmen. 

Jüngstes Beispiel: 

Manfred Roeder. Am Mittwoch korrigierte das Schweriner Landgericht ein vorangegangenes Urteil zu Gunsten des bekannten Rechtsextremisten. Nun muss er wegen Leugnung des Holocausts nicht mehr ein Jahr in Haft, die Freiheitsstrafe wurde auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. 

Michel Friedman hält das Urteil für einen "Offenbarungseid der deutschen Justiz". Mit ihm werde der Bevölkerung das völlig falsche Signal gegeben. Der von vielen geforderte "Aufstand der Zuständigen", so Friedman, werde offensichtlich von einem Teil der deutschen Justiz nicht gewahrt.

 

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Hamburger Morgenpost, Samstag, der 21. April 2001 / 21:49 Uhr

 

"SS-Engel": Akte ist wieder aufgetaucht

Bagger: "Vermutlich keine Bedeutung für das aktuelle Verfahren"

 

Fast 32 Jahre lang lag die Ermittlungsakte gegen den ehemaligen SS-Chef von Genua, Friedrich Engel, im Archiv der Staatsanwaltschaft. Jetzt wurde sie endlich gefunden.

Im Fall des in Italien wegen 246fachen Mordes in Abwesenheit verurteilten 92-jährigen Hamburgers war die Staatsanwaltschaft wegen der verschwunden Akte in die Kritik geraten. Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger begründete das Nichtauffinden damit, dass die Engel-Akte einem anderen Großverfahren beigefügt war. 

Es handelt sich um Akten zum Fall des ehemaligen SS-Generals Bruno Streckenbach.

Das jetzige Auffinden der Akte hätte laut Bagger aber vermutlich keine Bedeutung für das aktuelle deutsche Verfahren gegen Engel. Die damaligen Ermittlungen basierten auf schriftlichen Anschuldigungen eines Bekannten Engels, der sich mit dem ehemaligen SS-Obersturmbannführer zerstritten hatte. Laut Bagger gründeten die Anschuldigungen auf Gerüchten aus den 50er-Jahren und waren wenig substanziell. Engel sei außerdem 1963 in Dortmund und 1964 in Berlin in Verfahren gegen SS-Leute als Zeuge gehört worden.

Dabei sei er auch zu seiner eigenen Rolle vernommen worden. Laut Bagger ergaben sich insgesamt "keine Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen, so dass das Verfahren am 1.7.69 eingestellt worden ist".

1972 wurde Engel im Verfahren gegen den ehemaligen SS-Brigadeführer Streckenbach erneut als Zeuge vernommen. Auch dabei sei nichts herausgekommen, was neue Ermittlungen begründet hätte. Nach Übersendung der aktuellen italienischen Akten soll jetzt die Ermittlung gegen Engel innerhalb von sechs Monaten beendet sein.

 

th

 

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Dienstag, der 17. April 2001 / 22:48 Uhr

Quelle: Süddeutsche Zeitung

Ex-SS-Offizier Engel erkennt Teilschuld an

 

Mailand (dpa) – Der frühere SS-Chef von Genua, Friedrich Engel, hat in einem Interview seine Teilschuld für Massen-Erschießungen in Italien anerkannt. Er sei für die Tötung von 59 italienischen Geiseln 1944 an der ligurischen Küste „teilweise verantwortlich" gewesen, sagte der 92-Jährige in einem Gespräch mit der Mailänder Zeitung Corriere della Sera. Zugleich forderte der römische Justizminister Piero Fassino die deutschen Behörden auf, endlich gegen Engel vorzugehen. Italienische Medien berichteten in großer Aufmachung über den Fall. Sie äußerten Befremden, dass Engel noch immer auf freien Fuß ist. Kommentatoren sprachen von einem drohenden deutsch-italienischen Konflikt. Die ARD hatte Engel kürzlich in Hamburg ausfindig gemacht. Dort lebt er seit Ende des Zweiten Weltkrieges unbehelligt. Ein Militärgericht in Turin hatte ihn 1999 wegen 246-fachen Geiselmordes in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt eigenen Angaben zufolge seit 1998. Allerdings darf Deutschland nach dem Gesetz keine eigenen Staatsangehörigen ausliefern.

 

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Tagesschau: 17.4.2001

Fall Engel: NS-Kriegsverbrecher legt Teilgeständnis ab

 

Im Interview mit ARD-Reportern hat der Nazi-Kriegsverbrecher Friedrich Engel heute ein Teilgeständnis abgelegt. Er gab außerdem an, in den fünfziger Jahren Selbstanzeige bei der Hamburger Staatsanwaltschaft erstattet zu haben. Daraufhin sei aber nichts passiert, so Engel. Der frühere SS- und Polizeichef von Genua war 1999 von einem Militärgericht in Turin wegen der Ermordung von 246 Geiseln in Abwesenheit zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das ARD-Magazin "Kontraste" hatte berichtet, dass Engel seit Ende des Zweiten Weltkrieges unbehelligt in Hamburg lebt.

 

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Quelle: Hamburger Morgenpost

Samstag, der 14. April 2001 / 10:42 Uhr

 

"Todes-Engel" durfte in Hamburg alt werden 

SS-Chef von Genua und 246-facher Mörder lebt unbehelligt in Lokstedt

 

Hamburg - Der alte Mann, der da mit Harke und Schubkarre im Garten hantiert - er sieht aus wie tausende anderer Hamburger Rentner, die rechtschaffend ihren Ruhestand genießen. Doch Friedrich Engel sollte eigentlich in Italien hinter Gittern sitzen. Der 92-Jährige wurde dort zu lebenslanger Haft verurteilt: wegen 246-fachen Mordes!

Die italienischen Behörden konnten seiner bisher nicht habhaft werden. Seit nunmehr 56 Jahren lebt der Mann unbehelligt im Hamburger Stadtteil Lokstedt, deckten Reporter des ARD-Magazins "Kontraste" auf. 

Seit 1998 ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen den Mann wegen möglicher Kriegsverbrechen.

Friedrich Wilhelm Konrad Siegfried Engel war in den Jahren 1944 und '45 der SS-Chef von Genua. In dieser Funktion soll der Obersturmbannführer gegen Ende des Zweiten Weltkriegs an Massakern beteiligt gewesen sein. Soll die Anweisung gegeben haben, wehrlose, unschuldige Geiseln zu erschießen.

Für einen der "Einsätze" wurde er sogar mit dem Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern ausgezeichnet, wie "Kontraste" im Bundesarchiv heraus fand. Für Gräuel im Kloster Benedicta, im April 1944. Statt Partisanen soll Engels Truppe dort vor allem Bauern und Fahnenflüchtige erschossen haben, die sich im Kloster versteckten. 147 Menschen starben, nur einer überlebte.

Enio Odino berichtete in der ARD: "Ich habe einen meiner Kameraden gestützt, der zuvor am Knie verletzt worden war. Er bekam all' die Kugeln ab, die eigentlich für mich bestimmt waren. Dann fiel er über mich und begrub mich unter sich. Ich war überall mit Blut beschmiert. Und so hielt mich der SS-Mann auch für tot."

Odino ist nicht der einzige Zeitzeuge, der Engel in dem Beitrag anklagte. Zwei weitere Männer, auch sie die einzigen Überlebenden bei anderen Massakern, machten den Obersturmbannführer für Gräueltaten verantwortlich: Franco Diodati (war 19, als ein SS-Kommando kurz vor Kriegsende 18 Bewohner eines Bergdorfes erschoss) und Raimondo Ricci, politischer Gefangener im Stadtgefängnis von Marassi. Er sagt: "Engel galt als besonders hart, grausam."

Engel soll in 17 Monaten Dienstzeit in Genua eine wahre Blutspur hinterlassen haben, recherchierten die Reporter. Warum lebt der Mann unbehelligt von der Hamburger Justiz? 

Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger:

"Wir haben uns die Akten aus Italien schicken lassen, die jetzt übersetzt worden sind." Zurzeit werde geprüft, ob noch zusätzliche Dokumente angefordert werden müssten.

Ausgeliefert werden kann Engel als deutscher Staatsbürger nicht - das verbietet das Gesetz. Ihm müsste in Deutschland der Prozess gemacht werden. 

Schon in den 60er Jahren gab es wegen der Exekutionen hier ein Verfahren gegen Engel. Doch das wurde 1969 eingestellt.

Warum, das ist unklar. Die Akte ist bislang verschollen.

 

Sönke Jacobs

 

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Quelle: Backnanger Kreiszeitung

Freitag, der 13. April 2001 / 01:17 Uhr

Mutmaßlicher Nazi-Kriegsverbrecher Engel enttarnt

 

Hamburg (dpa) - Der mutmaßliche Nazi-Kriegsverbrecher Friedrich Engel ist nach Informationen des ARD-Magazins «Kontraste» in Hamburg enttarnt worden.

 

Das Magazin berichtete, der jetzt 90-jährige habe seit 56 Jahren unbehelligt im Stadtteil Lokstedt gelebt. Die Hamburger Polizei konnte den Bericht nicht bestätigen. Drei Überlebende von Massakern beschuldigten Engel, als SS- Offizier an der Erschießung von Geiseln beteiligt gewesen zu sein. Italienische Behörden hätten den damaligen SS-Chef von Genua wegen 246-fachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, hieß es.

 

 

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