Berliner Zeitung Politik 1.12.2001
BERLIN - NPD-Demo nicht im früheren jüdischen Viertel
Nach Protesten: Polizei verlegt Aufmarsch-Route
BERLIN, 30. November. Die Bundesregierung hat den für diesen Sonnabend in Berlin geplanten NPD-Aufzug als "unerträgliche Provokation" bezeichnet. Die NPD will mit rund 4 000 Rechtsextremen gegen die gerade eröffnete Ausstellung über die Wehrmachtsverbrechen demonstrieren.
Der Aufmarsch wird aber nicht mehr, wie ursprünglich geplant, im historischen jüdischen Viertel Berlins stattfinden. Die Versammlungsbehörde gab den heftigen Protesten aus dem In- und Ausland und dem Drängen der Jüdischen Gemeinde zu Berlin nach und legte eine neue Strecke fest. Eine Gegenkundgebung mit Prominenten ist trotz der Routenänderung ab 13 Uhr an der Auguststraße im Bezirk Mitte geplant.
Der Sprecher der Bundesregierung, Uwe-Karsten Heye, sagte, die Bundesregierung stehe fest an der Seite der Jüdischen Gemeinde und aller Bürger, die sich der NPD am jüdischen Ruhetag Sabbat friedlich entgegenstellen würden.
Die orthodoxe Israelitengemeinde Adass Jisroel forderte unterdessen Politiker zu "persönlichen Schutzwachen vor Synagogen und jüdischen Einrichtungen" auf. "Ausgerechnet am heiligen Sabbat" würden Gefühle schamlos verletzt, hieß es in einem Brief an den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler und Berlins Regierenden Bürgermeister. Politiker sollten mit gutem Beispiel vorangehen und "unmissverständlich für alle Welt sichtbar ein persönliches Bekenntnis für das jüdische Leben in Deutschland und gegen Nazismus und Antisemitismus ablegen", schrieb Adass Jisroel.
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Berliner Zeitung Lokales 30.11.2001
Die endgültige NPD-Route ist noch geheim
Versammlungsbehörde gibt Protesten nach
M. Emmerich und A. Kopietz
Die Proteste gegen den für den heutigen Sonnabend geplanten NPD-Aufzug durch Mitte haben Wirkung gezeigt. Die etwa 4 000 Rechtsextremen, die gegen die Wehrmachtsausstellung demonstrieren wollen, dürfen nicht durch die Spandauer Vorstadt und das Scheunenviertel ziehen.
Die Versammlungsbehörde lenkt die Marschroute jetzt an dem traditionellen jüdischen Viertel vorbei.
Gegen einen Marsch durch diesen Stadtteil hatte unter anderem die Jüdische Gemeinde energisch protestiert. Mitglieder der Gemeinde und Rabbiner wollten sich dem Marsch notfalls in den Weg stellen.
"Wir gehen nach wie vor davon aus, dass die alte Route bleibt", hieß es von Seiten der NPD. Nach Informationen aus Polizeikreisen bleibt der Beginn der Demo am S-Bahnhof Friedrichstraße. Wie schon bei der NPD-Demo am 3. Oktober haben sich Veranstalter und Polizei auch dieses Mal darauf geeinigt, die wirkliche Route geheim zu halten, um Gegendemonstranten fern zu halten. Die Polizei schloss weitere Routenänderungen nicht aus: "Das alles ist ein dynamischer Prozess." 3 500 Polizisten und fast 1 000 Bundesgrenzschützer sollen für Sicherheit sorgen. Das Redeverbot für die Altnazis Friedhelm Busse, Herbert Schweiger und Wolfgang Narath wurde am Nachmittag vom Verwaltungsgericht bestätigt. Die NPD will das Rederecht jetzt vor dem Oberverwaltungsgericht durchsetzen.
Bei den Gegendemonstrationen soll es bleiben. So forderte die Initiative "Europa ohne Rassismus" alle Bürger nochmals auf, an der Kundgebung am Sonnabend um 13 Uhr in der Auguststraße teilzunehmen oder demonstrativ die Ausstellung über die Wehrmachtsverbrechen zu besuchen.
Zusätzlich kündigt das Bündnis "Gemeinsam gegen Rechts" Aktionen an. Weitere angemeldete Treffpunkte sind von 12 bis 18 Uhr am S-Bahnhof Friedrichstraße, am Bebelplatz, am S-Bahnhof Oranienburger Straße und direkt an der Auguststraße.
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Rhein Zeitung Politik 2.12.2001
Größter Neo-Nazi-Aufmarsch in Berlin
Rechtsextreme gegen Wehrmachtsausstellung - Autonome randalierten
Berlin - Beim größten Aufmarsch von Rechtsextremen in Berlin seit dem Zweiten Weltkrieg haben am Samstag rund 3300 NPD-Anhäger gegen die neue Wehrmachtsausstellung demonstriert. Allerdings zogen die Neonazis nicht wie geplant direkt durch das historische jüdische Viertel der Hauptstadt, wo die Ausstellung am Dienstag eröffnet worden war.
Am Rande einer Gegendemonstration mit nach Angaben der Polizei 4500 Teilnehmern vor der neuen Synagoge in Berlin-Mitte kam es zu Ausschreitungen. Eine randalierende Minderheit von vermummten Autonomen schleuderte Steine und Flaschen auf Polizeibeamte. Diese reagierten mit dem Einsatz von Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken.
Wowereit nennt Ausstellung "wichtig"
Mehrere tausend Menschen folgten unterdessen einem Aufruf des DGB zu einem massenhaften Besuch der Wehrmachtsausstellung in der Auguststraße an der Rückseite der Synagoge, um sie durch ihre bloße Anwesenheit vor NPD-Demonstranten zu schützen. Unter den Besuchern waren der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und führende Vertreter der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien sowie Bundesfamilienministerin Christine Bergmann (SPD). Ausstellungsdirektor Klaus Briesenbach sagte, allein am Morgen seien 1.000 Besucher gezählt worden. Die Berliner PDS unterbrach einen Landesparteitag, um die Ausstellung besuchen zu können.
Wowereit sagte zu der Wehrmachtsschau: "Die Ausstellung ist wichtig, weil sie ein Stück deutsche Geschichte aufarbeitet, was viele verdrängt haben." Der Aufmarsch der NPD zeige, dass noch nicht alle die Lehren aus der Geschichte gezogen hätten.
Paul Spiegel: "Provokation ungeheuerlichen Ausmaßes
Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, nannte die NPD-Demonstration eine "Provokation ungeheuerlichen Ausmaßes". Der Aufmarsch von Rechtsextremisten vor Denkmälern, Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager oder in Zentren jüdischen Lebens sei "auch ein Angriff auf die Demokratie und ihre bürgerlichen Freiheitsrechte". Zuvor hatten zahlreiche jüdische Organisationen protestiert, dass der von der NPD als größter Aufmarsch von Rechtsextremisten nach dem Krieg in Deutschland geplante Umzug noch dazu am Sabbat von den deutschen Behörden nicht verhindert worden sei.
Innensenator verteidigt Taktik
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte, die NPD-Demonstration sei von Anfang an als Provokation angelegt gewesen. Daher habe die Innenverwaltung die angemeldete Route, die an der Ausstellung vorbei und damit mitten durch das alte jüdische Viertel führen sollte, nicht zulassen können. Die NPD sei seit dem 6. November darüber informiert gewesen, dass die genehmigte Route nicht durch das Viertel führen werde.
Siehe auch: Hoffen auf Verbot der NPD
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... Größter Neo-Nazi-Aufmarsch in Berlin
Polizei verteidigt Geheimhaltung der Route
Hoffen auf NPD-Verbot
Körting verteidigte einerseits die Geheimhaltung der Route, weil sonst das Polizeikonzept nicht durchsetzbar gewesen wäre, Demonstranten und Gegendemonstranten auseinander zu halten. Er räumte aber indirekt auch Fehler bei der Kommunikation ein.
Künftig müsse überlegt werden, wie bei solchen Ereignissen zu verfahren sei, sagte Körting. Ein Verbot des Aufmarsches sei nicht möglich gewesen, weil die NPD keine verbotene Partei sei. Er hoffe, dass das Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zügig beendet werde.
Vizepolizeipräsident Gerd Neubeck sagte, zu keiner Zeit habe die Polizei die NPD durch das jüdische Viertel marschieren lassen wollen. Er sprach zugleich von einem der schwierigsten Polizeieinsätze der vergangenen Jahre. Die Gegendemonstration sei erheblich von gewaltbereiten Autonomen durchsetzt gewesen. Er nannte es beschämend, dass sich die Gewalt der linken Demonstranten auch gegen Objektschutzkräfte der Polizei vor den jüdischen Einrichtungen gerichtet habe.
Die Polizei nahm 17 Teilnehmer der NPD-Demonstration sowie 13 Gegendemonstranten fest, sagte Einsatzleiter Gernot Piestert in einer ersten Bilanz. Acht Beamte wurden bei den Ausschreitungen verletzt. Zur Zahl der verletzten Demonstranten gab es zunächst keine Angaben.
Neo-Nazis aus dem ganzen Bundesgebiet
Die Rechtsextremisten waren aus dem ganzen Bundesgebiet angereist. Empörte Bürger riefen dem Zug "Haut ab" und "Nazis raus" entgegen. Die neue Wehrmachtsausstellung mit dem Titel "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944" zeigt die systematische Beteiligung des deutschen Militärs an der Hinrichtung von Millionen Zivilisten und der Ermordung von Juden in Ost- und Südosteuropa.
dpa, AP; Fotos: dpa, AP
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Mitteldeutsche Zeitung Politik 2.12.2001
3300 NPD-Anhänger marschierten durch Berlin
Schwere Ausschreitungen - Flaschen auf Polizeibeamte
Berlin/dpa. Beim größten Aufmarsch von Rechtsextremen in Berlin seit dem Zweiten Weltkrieg haben am Samstag rund 3300 NPD-Anhänger entlang des historischen jüdischen Viertels gegen die neue Wehrmachtsausstellung demonstriert. Bei einer Gegendemonstration vor der neuen Synagoge in Berlin-Mitte, an der nach Polizeiangaben 4500 Menschen teilnahmen, kam es zu schweren Ausschreitungen. Steine und Flaschen wurden auf Polizeibeamte geschleudert. Diese reagierten mit dem Einsatz von Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken.
Aus Protest gegen den NPD-Aufmarsch besuchten Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und weitere Prominente zeitgleich die am Dienstag eröffnete Wehrmachtsausstellung, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. Zahlreiche Gegendemonstranten riefen den aus dem gesamten Bundesgebiet angereisten Neonazis «Haut ab» und «Nazis raus» entgegen.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot von 4000 Beamten im Einsatz. Darunter waren auch rund 1500 Polizisten des Bundesgrenzschutzes und aus anderen Bundesländern. Große Teile der Innenstadt waren abgesperrt.
17 Teilnehmer der NPD-Demonstration sowie 13 Gegendemonstranten wurden festgenommen, sagte Einsatzleiter Gernot Piestert in einer ersten Bilanz. Acht Beamte wurden bei den Ausschreitungen verletzt.
Zur Zahl der verletzten Demonstranten gab es zunächst keine Angaben.
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte, die NPD-Demonstration sei von Anfang an als Provokation angelegt gewesen. Daher habe die Innenverwaltung die angemeldete Route, die an der Ausstellung vorbei und damit mitten durch das alte jüdische Viertel führen sollte, nicht zulassen können. Die NPD sei seit dem 6. November darüber informiert gewesen, dass die genehmigte Route nicht durch das Viertel führen werde.
Körting verteidigte einerseits die Geheimhaltung der Route, weil sonst das Polizeikonzept nicht durchsetzbar gewesen wäre, Demonstranten und Gegendemonstranten auseinander zu halten. Er räumte aber indirekt auch Fehler bei der Kommunikation ein. Künftig müsse überlegt werden, wie bei solchen Ereignissen zu verfahren sei, sagte Körting. Ein Verbot des Aufmarsches sei nicht möglich gewesen, weil die NPD keine verbotene Partei sei. Er hoffe, dass das Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zügig beendet werde.
Die überarbeitet Wehrmachtsausstellung mit dem Titel «Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944» zeigt die systematische Beteiligung des deutschen Militärs an der Hinrichtung von Millionen Zivilisten und der Ermordung von Juden in Ost- und Südosteuropa. Schon gegen die erste Wehrmachtsausstellung hatten Neonazis immer wieder demonstriert, weil sie früheren Wehrmachtsangehörigen ihrer Meinung nach Unrecht tut.
Zu dem Protestzug gegen die NPD hatte ein «Bündnis gegen Rechts» aufgerufen. Zu den Ausschreitungen kam es, als einzelne Teilnehmer eine Polizeiabsperrung durchbrechen wollten. Die PDS will einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dem Polizeieinsatz beantragen.
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Netzeitung Politik 2.12.2001
Proteste gegen NPD-Demo angekündigt
30. Nov 2001 18:08, ergänzt
Die Bundesregierung hat sich gegen die NDP-Demo durch Berlin gewandt. Sie unterstütze alle Berliner, die sich dem Aufzug entgegenstellen.
«Eine ziemlich unerträgliche Provokation»: Mit diesen scharfen Worten hat sich Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye gegen den für Samstag geplanten Aufzug von Rechtsextremen in Berlin gewandt. Die NPD-Demonstration führe an einem jüdischen Feiertag an der Synagoge vorbei, begründete Heye am Freitag seine Entrüstung.
Die Bundesregierung stehe an der Seite der jüdischen Gemeinde und aller Berliner, die sich am Samstag friedlich gegen diese Demonstration stellten, hieß es weiter.
Auseinandersetzungen zwischen den 3500 aufgebotenen Polizisten und Gegendemonstranten dürften dabei nicht ausbleiben. Darauf richtet sich zumindest schon Annetta Kahane von der jüdischen Gemeinde ein. Es würde «interessant sein zu sehen, wie die deutsche Polizei Juden wegträgt, um den Weg für eine Demonstration der Neonazis freizumachen», so Kahane. Ihre Gemeinde wolle den Aufmarsch durch die Oranienburger Straße, in der die Neue Synagoge liegt, blockieren.
Gegendemonstrationen angekündigt
Widerstand kommt auch aus autonomen Szene. Die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) rief zu einer Gegendemonstration unter dem Motto «Deutsche Täter sind keine Opfer - Gegen Faschismus und Krieg» auf. Entlang der Aufmarschstrecke der NPD seien mehrere Kundgebungen geplant. Der Marsch durch das Berliner Scheunenviertel solle so verhindert werden.
Der Aufmarsch hat die Diskussion über das Verbot der rechtsextremen NPD neu entfacht. Ein entsprechendes Verfahren läuft zurzeit vor dem Bundesverfassungsgericht. Der PDS-Politiker Gregor Gysi forderte dazu auf, dem Treiben der NPD auch rechtlich den Boden zu entziehen.
Kritik an Innensenat
«Neonazis verdienen Abscheu, aber solange sich Extremisten im Rahmen der Gesetze bewegen, solange sie keine Straftaten begehen, dürfen sie auch demonstrieren», sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz. Daher sei die Entscheidung der Berliner Innenverwaltung nachvollziehbar, die Demonstration nicht zu verbieten. Allerdings kritisierte Wiefelspütz, dass die Behörde die Route des Aufmarsches nahezu unverändert gelassen habe. Es gebe «da sehr wohl Gestaltungsräume».
Der Innensenat hatte der NPD am Donnerstag hohe Auflagen für die Demonstration gegen die wiedereröffnete Wehrmachtsausstellung erteilt. Außerdem dürfen der Ex-Chef der verbotenen Freiheitlichen Arbeiter Partei (FAP), Friedhelm Busse, der ehemalige Führer der ebenfalls aufgelösten Wiking-Jugend, Wolfgang Nahrath, sowie der österreichische Rechtsextremist Herbert Schweiger nicht auf der Abschlusskundgebung sprechen. Nach eigenen Angaben hat die Partei inzwischen gegen die Redeverbote geklagt.
Route geheim
Die NPD will am Samstag zwischen 13 und 18 Uhr durch die so genannte Spandauer Vorstadt und das Scheunenviertel ziehen. Rund 4000 Rechtsextreme werden erwartet. Die Route der Demonstration hält der Innensenat geheim, um Gegendemonstranten fernzuhalten. Es könne auch kurzfristig noch zu Änderungen kommen, erklärte die Polizeiführung am Freitagabend. (nz)
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Netzeitung Politik 2.12.2001
NPD darf nicht durch jüdisches Viertel ziehen
Die Proteste haben offenbar Wirkung gezeigt: Die NDP darf am Samstag nicht durch das Scheunenviertel in Berlin-Mitte ziehen. Die genaue Route bleibt geheim.
Die Polizei hat offenbar die Route der NPD-Demonstration gegen die Wehrmachtsaustellung in Berlin verlegt. Nach einem Bericht der «Berliner Zeitung» dürfen die Rechtsextremisten nicht durch das jüdische Viertel – die so genannte Spandauer Vorstadt und das Scheunenviertel - in Berlin-Mitte ziehen.
Am Samstag werden in der Hauptstadt etwa 4.000 Rechtsextreme erwartet, die gegen die Ausstellung «Verbrechen der Wehrmacht» demonstrieren wollen. Diese soll am Dienstag nach einer Neugestaltung wieder eröffnet werden.
Die Versammlungsbehörde lenke den Marsch an dem traditionellen jüdischen Viertel vorbei, schreibt die Zeitung. Gegen die Route hatte die Jüdische Gemeinde und zahlreiche andere Organisationen protestiert. Lediglich der Auftakt der Demonstration soll weiterhin am S-Bahnhof Friedrichstraße stattfinden. Näheres über den aktuell geplanten Routenverlauf sei noch nicht bekannt.
Die Polizeiführung schloss laut «Berliner Zeitung» weitere Routenänderungen nicht aus. Wie schon am 3. Oktober wollen Veranstalter und Polizei die wirkliche Route geheim halten, um Gegendemonstranten zu verwirren. (nz)
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Kölner Stadt-Anzeiger Politik 2.12.2001
Trotz heftiger Proteste NPD-Demo in Berlin
erstellt 29.11.01, 17:57h
Berlin - Trotz heftiger Proteste aus dem In- und Ausland darf die NPD am kommenden Samstag erneut in der Bundeshauptstadt demonstrieren. «Ein Verbot der Versammlung ist rechtlich ausgeschlossen», sagte die Sprecherin der Innenverwaltung, Svenja Schröder-Lomb, am Donnerstag. Die NPD will nach eigenen Angaben mit mehreren tausend Teilnehmern gegen die Wehrmachtsausstellung protestieren, die seit Wochenbeginn im historischen jüdischen Viertel zu sehen ist. Es könnte damit der größte Neonazi-Aufmarsch in Berlin seit Kriegsende werden.
Bürgerinitiativen, Politiker und Prominente riefen zu Gegenaktionen auf. Das Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles mit weltweit hunderttausenden Mitgliedern forderte am Donnerstag das Verbot der Demonstration. Rabbiner und der Vorstand der Jüdischen Gemeinde zu Berlin kündigten an, sich den Rechtsextremisten in den Weg zu stellen.
Zum genauen Ort der Demonstration wollte sich die Innenverwaltung nicht äußern. Damit ist nach wie vor unklar, ob die Rechtsextremisten tatsächlich durch die Spandauer Vorstadt und das Scheunenviertel in Berlin-Mitte laufen dürfen, wo vor dem Holocaust viele Juden lebten und inzwischen wieder leben. Sprecherin Schröder-Lomb sagte lediglich: «Wir haben Sorge getragen, dass der besonderen Symbolik des betroffenen Raumes Rechnung getragen wird.»
«Solange die NPD nicht vom Bundesverfassungsgericht verboten ist, hat sie dieselben Rechte wie jede andere Partei und kann sich auf das Versammlungsrecht berufen», begründete sie die Entscheidung der Versammlungsbehörde. Die Innenbehörde habe den Auftritt dreier Redner sowie das Tragen von Fackeln und Uniformen und das Abspielen von Marschmusik verboten.
Nach Angaben der Polizei werden 3500 Beamte im Einsatz sein.
«Das Wiesenthal-Center ist schockiert von der unvernünftigen Entscheidung, Neonazis einen Marsch durch das historische jüdische Viertel von Berlin zu erlauben», hieß es in einem Brief des internationalen Dokumentationszentrums an die Bundesregierung und den Berliner Senat. Es sei unfassbar, dass die 12 000 Juden in Berlin am Shabbat vor ihren Gotteshäusern mit aufmarschierenden Nazis konfrontiert würden.
Gewerkschaften, Politiker, Bürgerinitiativen sowie kirchliche und jüdische Einrichtungen vom Berliner Bündnis «Europa ohne Rassismus» erneuerten am Donnerstag ihren Aufruf an die Bevölkerung, möglichst zahlreich zu der Wehrmachtausstellung in die Auguststraße zu kommen. Durch großen Besucherandrang soll die Polizei gezwungen werden, den Zug der Rechten umzuleiten. (dpa)
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Kölnische Rundschau Politik 2.12.2001
Am Rande von umstrittener NPD-Demonstration - Schwere Krawalle in Berlin
Berlin (AP) Schwere Krawalle haben Proteste gegen den größten Aufmarsch von Rechtsextremisten nach dem Krieg in Berlin begleitet. Etwa 2.000 Autonome und Linke versuchten am Samstag in der Innenstadt, zu den mehr als 3.300 NPD-Anhängern durchzustoßen, die gegen die neu konzipierte Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht auftraten.
Die Polizei verhinderte den geplanten NPD-Marsch durch das historische jüdische Viertel, der schon zuvor international Proteste ausgelöst hatte.
Die Gegendemonstranten bewarfen die Polizei am Hackeschen Markt und nahe der Neuen Synagoge mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern und versuchten, Barrikaden zu errichten. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Tränengas und den Schlagstock ein. Das Gewaltpotenzial sowohl auf Seiten der NPD als auf Seiten der Gegendemonstranten wurde von Sicherheitsexperten als hoch eingeschätzt.
Rund 30 Personen, davon 17 NPD-Anhänger wurden vorläufig festgenommen. Nach ersten Angaben wurden rund acht Polizeibeamte leicht verletzt. Autonome kippten drei Polizeifahrzeuge um und warfen 20 Schaufensterscheiben ein. In einer Bilanz erklärte Innensenator Erhart Körting (SPD), trotz der Ausschreitungen sei eine offene Konfrontation zwischen NPD-Anhängern und Gegendemonstranten verhindert worden. Die NPD habe ihren Aufmarsch von Anfang an als Provokation angelegt. Zwt: Schutz durch Anwesenheit
Mehrere tausend Menschen folgten unterdessen einem Aufruf des DGB zu einem massenhaften Besuch der Wehrmachtsausstellung in der Auguststraße an der Rückseite der Synagoge, um sie durch ihre bloße Anwesenheit vor NPD-Demonstranten zu schützen.
Unter den Besuchern waren der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und führende Vertreter der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien.
Ausstellungsdirektor Klaus Briesenbach sagte, allein am Morgen seien 1.000 Besucher gezählt worden. Die Berliner PDS unterbrach für einen demonstrativen Ausstellungsbesuch einen Landesparteitag.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, nannte die NPD-Demonstration eine "Provokation ungeheuerlichen Ausmaßes". Er sagte in der "Berliner Morgenpost" (Samstagausgabe), der Aufmarsch von Rechtsextremisten vor Denkmälern, Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager oder in Zentren jüdischen Lebens sei "auch ein Angriff auf die Demokratie und ihre bürgerlichen Freiheitsrechte".
Zuvor hatten zahlreiche jüdische Organisationen protestiert, dass NPD-Umzug durch Scheunenviertel und Spandauer Vorstadt noch dazu am Sabbat von den deutschen Behörden nicht verhindert worden sei.
Die NPD wurde auf einer bis zuletzt geheim gehaltenen Route nach Norden weiter- und aus der Innestadt hinausgeleitet. Die Geheimhaltung stieß allerdings auf Kritik, weil offenbar unklar blieb, ob jüdische Einrichtungen geschützt werden sollten. Polizeivizepräsident Gerd Neubeck sagte danach, zu keiner Zeit habe die Polizei die NPD durch das jüdische Viertel marschieren lassen wollen.
Neubeck sprach zugleich von einem der schwierigsten Polizeieinsätze der vergangenen Jahre. Er nannte es beschämend, dass sich die Gewalt der linken Demonstranten auch gegen Objektschutzkräfte der Polizei vor den jüdischen Einrichtungen gerichtet habe.
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Zürich, 20 Minuten Politik 2.12.2001
Berlin: Krawalle bei Neonazi-Marsch
BERLIN - Etwa 3500 Rechtsextreme sind in der grössten Neonazi-Demo seit dem Krieg durch die Innenstadt marschiert. Bei der Gegendemo kam es zu Krawallen.
Die NPD-Anhänger protestierten gegen die neue Wehrmachtsausstellung in Berlin. Der Demonstrationszug der Rechtsextremisten setzte sich kurz nach 13.00 Uhr am S-Bahnhof Friedrichstrasse in Bewegung. Entgegen der Planung der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) führe die Demonstration nicht durch das historische jüdische Viertel und an der Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht vorbei, sagte ein Sprecher der Polizei.
Bei einer Gegendemonstration mit rund 1200 Teilnehmern kam es am Mittag zu Ausschreitungen. Dutzende Randalierer warfen unweit der Neuen Synagoge Steine auf Polizisten. Diese reagierten mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken. Mehrere Menschen wurden verletzt, es gab auch Festnahmen.
Die Polizei ist mit einem Grossaufgebot von 4000 Beamten im Einsatz, um ein Zusammentreffen von NPD-Anhängern und Gegendemonstranten zu verhindern.
Der Aufmarsch der NPD richtet sich gegen die Anfang der Woche in Berlin neu eröffnete Ausstellung über die Verbrechen der deutschen Wehrmacht in Zweiten Weltkrieg. Die Demonstration war im In- und Ausland auf heftige Proteste gestossen. Ein Verbot war laut Innenbehörde nicht möglich.
QUELLE: SDA
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FOCUS Politik 2.12.2001
Schwere Krawalle in Berlin
M it massiven Ausschreitungen haben Autonome die umstrittene NPD-Demonstration gegen die Wehrmachtsausstellung begleitet. Am Hackeschen Markt und nahe der Neuen Synagoge setzte die Berliner Polizei am Samstag Wasserwerfer und Tränengas gegen Steinewerfer ein, die Barrikaden errichten wollten. Die 2800 NPD-Sympathisanten aus dem gesamten Bundesgebiet wurde am Betreten des historischen jüdischen Viertels gehindert.
Mehrere tausend Menschen folgten unterdessen einem Aufruf des DGB zu einem massenhaften Besuch der Wehrmachtsausstellung in der Auguststraße an der Rückseite der Synagoge, um sie durch ihre bloße Anwesenheit vor NPD-Demonstranten zu schützen. Unter den Besuchern waren der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und führende Vertreter der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien.
Ausstellungsdirektor Klaus Briesenbach sagte, allein am Morgen seien 1000 Besucher gezählt worden. Die Berliner PDS unterbrach einen Landesparteitag, um die Ausstellung besuchen zu können. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, nannte die NPD-Demonstration eine „Provokation ungeheuerlichen Ausmaßes".
Ausstellung dokumentiert Vernichtungskrieg
Die überarbeitete Ausstellung mit dem Titel „Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944" ist mit 1000 Quadratmetern fast doppelt so groß wie die erste Schau von 1995. Sie dokumentiert den Vernichtungskrieg der Deutschen während des Dritten Reiches in der früheren Sowjetunion und Südosteuropa. Beschrieben werden unter anderem der Völkermord an den sowjetischen Juden, das Massensterben der Kriegsgefangenen, Repressalien und Geiselerschießungen.
Lob vom Hauptkritiker
Die erste Version der Ausstellung war wegen fehlerhafter Texte zu den gezeigten Fotos in die Schlagzeilen geraten und deshalb von den Machern – dem Hamburger Institut für Sozialforschung unter der Leitung von Jan Philipp Reemtsma – gestoppt worden. Der polnische Historiker Bogdan Musial, der die Fehler entdeckt hatte, lobte die überarbeitete Ausstellung: „Die Schau ist weitaus wissenschaftlicher, exakter, als die erste", sagte er der „Bild"-Zeitung vom Donnerstag. „Falsch deklarierte Fotos habe ich nicht gesehen."
01.12.01, 18:35 Uhr
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Financial Times Deutschland Politik 2.12.2001
ftd.de, aktualisiert: Sa, 1.12.2001, 15:05
Ausschreitungen bei NPD-Demonstration in Berlin
Schwere Ausschreitungen haben am Samstag einen NPD-Aufmarsch gegen die neue Wehrmachtsausstellung in Berlin begleitet. Die Neonazi-Demonstration fand trotz heftiger Proteste aus dem In- und Ausland statt.
Die Anhänger der rechtsextremen Partei setzten sich am Bahnhof Friedrichstraße in Bewegung. Die Polizei sprach von rund 3000 Demonstranten, Beobachter schätzten ihre Zahl auf bis zu 4000. Bei der genehmigten Demonstration, die entgegen der ursprünglichen Planung nicht durch das jüdisch geprägte Viertel im Stadtteil Mitte zog, blieb es zunächst ruhig. Dagegen kam es bei einer Gegendemonstration autonomer Gruppen und anderer Gegner der rechtsextremen Partei zu Ausschreitungen. Die Ausstellung selbst war nach Aufrufen von NPD-Gegnern zum Besuch der Schau völlig überfüllt.
Die NPD-Anhänger zogen vom Bahnhof Friedrichstraße aus in nördlicher Richtung. Ursprünglich wollte die NPD durch das jüdisch geprägte Viertel an der Neuen Synagoge und anderen jüdischen Einrichtungen vorbei ziehen. Die Route wurde nach Protesten von Politikern, Kirchen, der jüdischen Gemeinde und anderen gesellschaftlichen Gruppen, die zu Gegendemonstrationen aufgerufen hatten, umgelegt. "Sie können sicher sein, dass die NPD-Demonstration hier nicht vorbei kommt", sagte ein Polizeisprecher.
Wasserwerfer eingesetzt
Ein großer Teil der Gegendemonstranten kam aus dem autonomen und dem linken Spektrum. Bei der Kundgebung kam es immer wieder zu Schlägereien und Handgemengen mit der Polizei, die mehrere Teilnehmer festnahm. Als die Polizei die rund 600 NPD-Gegner unmittelbar vor der Neuen Synagoge aufhielt und zur Auflösung der Demonstration aufforderte, wurde sie mit Steinen und Flaschen beworfen.
Die Polizei setzte Wasserwerfer ein und drängte die Demonstranten zurück. Diese schlugen bei zwei Polizeiautos Scheiben ein und kippten ein Auto um. Auch Schaufenster von zwei Banken und einem Modegeschäft wurden eingeschlagen.
Die mit über 3500 Beamten angerückte Polizei hatte das Scheunenviertel und das Gebiet um den Bahnhof Friedrichstraße weiträumig abgesperrt. Die S-Bahnen hielten nicht mehr im unterirdischen Teil des Bahnhofs, Straßenbahnen wurden umgeleitet. Über dem Gebiet kreisten Hubschrauber.
"Unerträgliche Provokation"
Die Wehrmachtsausstellung war am Samstag überfüllt. Unter den Besuchern waren auch der Regierende Bürgermeister Berlins, Klaus Wowereit (SPD), und PDS-Chefin Gabi Zimmer. NPD-Gegner hatten zu solchen demonstrativen Besuchen aufgerufen. Vor dem Eingang bildete sich eine Schlange von rund 200 Menschen. Die Stimmung in den Berliner Kunst-Werken nahe der Synagoge, wo die Ausstellung gezeigt wird, war ruhig. Es gab mehrere kleine antifaschistische Kundgebungen.
Die Bundesregierung hatte die NPD-Demonstration als unerträgliche Provokation bezeichnet.
Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye hatte am Freitag erklärt, die Bundesregierung stehe an der Seite der Jüdischen Gemeinde und aller Bürger, die sich dem NPD-Protestmarsch am jüdischen Sabbat friedlich entgegenstellen wollten.
Die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung beschäftigt sich mit der Beteiligung von Wehrmachtssoldaten an Verbrechen der Nationalsozialisten. Die Schau war nach massiver Kritik wegen fälschlich der Wehrmacht zugeordneter Fotos komplett überarbeitet worden.
© 2001 Reuters Limited. Nutzerbeschränkungen
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Welt, Die Politik 2.12.2001
Gewalttätige Proteste bei NPD-Marsch durch Berlin
Politiker drängen auf Verbot der rechtsextremen Partei. CDU wirft dem Innensenator Versäumnisse vor - Von Martin Lutz
Berlin - Beim größten Aufmarsch von Rechtsextremen in Berlin seit dem Zweiten Weltkrieg haben am Samstag rund 3300 NPD-Anhänger entlang dem historischen jüdischen Viertel gegen die neue Wehrmachtsausstellung demonstriert. Bei einer Gegendemonstration vor der neuen Synagoge in Berlin-Mitte, an der nach Polizeiangaben 4500 Menschen teilnahmen, kam es zu schweren Ausschreitungen. Linksextremisten warfen Steine und Flaschen auf Polizeibeamte. Diese reagierten mit dem Einsatz von Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken.
Die Berliner CDU kritisierte Innensenator Ehrhart Körting (SPD). "Es ist untragbar, wenn die Polizei zwischen die Fronten, zwischen linke Steinewerfer und rechte Chaoten, gerät", sagte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Kai Wagner der WELT und forderte die SPD auf, Verbote durchzusetzen. Der frühere Regierungspartner erhalte jetzt die Quittung für die versäumte Unterstützung des ehemaligen CDU-Innensenators Eckart Werthebach, der entsprechende Initiativen gestartet hatte.
Nachfolger Körting, der die Zahl der gewaltbereiten Gegendemonstranten auf "250 plus" bezifferte, räumte Versäumnisse ein. Es sei möglicherweise ein "Fehler" gewesen, die Öffentlichkeit nicht über den Streckenverlauf der Demonstration aufzuklären. Die Polizei habe nie daran gedacht, einen Marsch der Neonazis durch das frühere jüdische Viertel an der Wehrmachtsausstellung vorbei zuzulassen. Dies sei der NPD bereits am 6. November deutlich gemacht worden. Körting appellierte an das Bundesverfassungsgericht, dem "braunen Spuk" ein schnelles Ende zu bereiten. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit drängte auf ein NPD-Verbot, damit solche Aufmärsche in ganz Deutschland künftig nicht mehr stattfinden können. Mit anderen Politikern besuchte er demonstrativ die Wehrmachtsausstellung, hatte dort jedoch einen schweren Stand. "Warum habt ihr die Nazi-Demo nicht verboten?", rief ihm eine Frau empört zu. Auch andere Bürger äußerten darüber ihre Wut und Enttäuschung.
"Es ist wirklich an der Zeit, die NPD zu verbieten, dann hören solche Demonstrationen auf", forderte auch Artur Süsskind, der Vorsitzende der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, nannte die NPD-Demonstration eine "Provokation ungeheuerlichen Ausmaßes". Der Aufmarsch von Rechtsextremisten vor Denkmälern, Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager oder in Zentren jüdischen Lebens sei "ein Angriff auf die Demokratie und ihre bürgerlichen Freiheitsrechte", sagte Spiegel der "Berliner Morgenpost".
Rund 4000 Polizisten wehrten den geplanten Marsch der NPD durch das historische jüdische Viertel ab, der zuvor international Proteste ausgelöst hatte. Berlins Polizeivizepräsident Gerd Neubeck sprach von einem der schwierigsten Einsätze der vergangenen Jahre. Es sei "beschämend", dass sich die Gewalt aus den Reihen der 4500 Gegendemonstranten auch gegen Objektschutzkräfte der Polizei vor den jüdischen Einrichtungen gerichtet habe. Acht Polizisten wurden verletzt, 17 rechte und 13 linke Demonstranten festgenommen. Der PDS-Politiker Gregor Gysi versuchte per Megafon die Lage zu beruhigen. Nach Verhandlungen mit der Einsatzleitung der Polizei rief er die Demonstranten auf, friedlich zur Wehrmachtsausstellung zu ziehen.
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Junge Welt Vermischtes 2.12.2001
Nazibanden verhöhnen Antifa’s
Till Meyer
Berlin: Größter Aufmarsch von Faschisten seit 1945.
Polizeieinsatz gegen Gegendemonstranten
»Daß so was nicht verhindert wird und daß dieses Verbrecherpack wieder durch die Straßen marschieren kann, das kann ich nicht verstehen.« Die alte Dame lehnt am Geländer der Weidendammer Brücke nahe dem S-Bahnhof Friedrichstraße und schüttelt immer wieder den Kopf. »Das haben wir doch schon einmal gehabt«, sagt sie noch und wischt sich die Tränen aus den Augen. Die Brücke über die Spree ist heute Sammelpunkt für Tausende von Neonazis, mitten in Berlin. Es ist Samstag kurz vor 12 Uhr Mittag, und noch ist das braune Pack längst nicht vollzählig versammelt. Es werden immer mehr, am Ende sind es über 3000. Alle Klischees treffen zu: Springerstiefel, Bomberjacken, Glatzen, Milchbubis in der Mehrheit. Nazi-Embleme sind ebenso verboten wie rot-weiß-schwarze Reichsfahnen, Trommeln und Fackeln. Dafür dominiert die Skinheadkluft. Die Polizei ist massenhaft vertreten und filzt die pausenlos aus dem Bahnhof Friedrichstraße strömenden jungen Nazis. Von der S-Bahn-Unterführung bis zum entgegengesetzten Ende der Weidendammer Brücke baut sich ihr Zug auf. »Kameradschaft Nordrhein«, »Gau Sachsen«, »Kameradschaft Hessen« und so weiter ist auf den Fahnen zu lesen. Die Nazis grölen den wenigen Gegendemonstranten am Straßenrand ins Gesicht: »Antifa Hahaha«, immer wieder »Antifa Haha.« Neben ein paar NPD-Fahnen flattern die Flaggen aus fast allen Bundesländern. Aus den Lautsprecherwagen, Leihwagen der Berliner Firma »Prietzel GmbH«, rufen die Organisatoren die einzelnen »Kameradschaften« dazu auf, sich zu formieren. »Kameraden«, tönt es, »wir sind heute hier, um gegen die neomarxistische Hetzausstellung gegen unsere Väter zu demonstrieren.« Gejohle und der Sprechchor: »Deutsche Soldaten – Heldentaten!«
Der Weg zur Neuen Synagoge in der nahen Oranienburger Straße ist von der Polizei hermetisch abgeriegelt. Auch Pressevertreter werden genauestens kontrolliert. Massives Polizeiaufgebot vor der Synagoge und in allen Straßen des alten Scheunenviertels. Weiter hinten in Richtung Hackescher Markt ein Meer von roten Fahnen. Die Polizei hat auch hier abgeriegelt. Der Pressesprecher der Polizei vor Ort, Nittmann, umreißt die Hauptaufgaben des heutigen Einsatzes: »Die Linken von den Rechten fernhalten.« Im Einsatz sind 4500 Polizisten. Über die Route der Nazis sagt Nittmann nichts. »Das ist geheim.« Vor der Wehrmachtsaustellung in der Auguststraße stehen einige hundert Antifaschisten mit Transparenten: »Nie wieder Faschismus«. Die Polizei läßt zu diesem Zeitpunkt niemanden, vor allem keine Gegendemonstranten mehr in die Auguststraße und umgekehrt niemanden mehr zum Ort des Naziaufmarsches durch. Menschen mit Schildern »Gegen Nazis« stehen vor der Polizeisperre und kämpfen mit den Tränen: »Warum darf ich hier nicht gegen Faschismus demonstrieren?«
Um 13 Uhr kommt aus dem Nazilautsprecher eine Durchsage: »Das dürfen wir doch wohl spielen«. Es ertönt die Internationale. Hohngelächter von Tausenden Glatzköpfen.
Und sie skandieren: »Ruhm und Ehre – dem deutschen Soldat.« In der ersten Reihe der Rechtsanwalt Horst Mahler und der NPD-Vorsitzende Udo Voigt. Vor ihnen das Transparent: »Gott mit uns – alles für Deutschland.« Die größte Demonstration von Faschisten nach 1945 in Berlin setzt sich in Richtung Synagoge in Bewegung. In der Nähe des Zuges nur sehr wenige Gegendemonstranten, die Polizei hat ganze Arbeit geleistet.
Aus den Fenstern vieler Häuser aber hängen Transparente: »Nazis haut ab! Nie wieder Faschismus!« und es ertönt laute Popmusik. An der Kreuzung Torstraße Ecke Friedrichstraße stoppt der Zug. »Die machen hier eine Zwischenkundgebung«, erklärt der Polizeisprecher. Stimmt nicht. Es stellt sich heraus, daß dies die Hauptkundgebung sein wird. Bewußt von den Nazis so gewählt – in Sichtweite der Synagoge. »Die Wehrmacht war ein deutsches Heer – den Amis dient die Bundeswehr!« schallt es bis in die Oranienburger Straße, die von der Polizei mit Panzerfahrzeugen abgeriegelt ist. Ein Grußwort eines SS-Oberscharführers wird verlesen. Jubel, Applaus und wieder Sprechchöre: »Deutsch, sozial und national!« Eine kleine Gruppe von Antifaschisten versucht mit Trillerpfeifen und Sprechchören »Nazis raus!« dem braunen Mob etwas entgegen zu setzen. Die Polizei kreist sie sofort ein. »Macht den Wanderzirkus dicht – Reemtsmas Lügen wollen wir nicht!« grölen die braunen Gangster. Mahler und NPD-Chef Voigt stehen mit roten Binden vor dem Mund, Aufschrift » Sprechverbot«, auf dem Lautsprecherwagen. Sie lassen andere reden. Die Hetzreden wollen kein Ende nehmen. Über eine Stunde dauert die Kundgebung. »Die Wehrmachtsausstellung ist Dreck, eine Verunglimpfung unserer Heldenväter«, und ähnliches kommt pausenlos aus dem Lautsprecher. Die Nazis werden nicht gestört. Im Gegenteil. Polizisten in Zivil, die in ihrem Outfit aussehen wie die Nazis, vermitteln zwischen der NPD-Leitung und der Polizeiführung. Ständig laufen sie hin und her und tauschen sich aus.
Es riecht plötzlich nach Tränengas. »Schwere Krawalle mit den Antifas vor der Synagoge«, sagt der Polizeipressesprecher. Das haben auch die Nazis mitbekommen. »Antifa Haha!« schreien sie. Ein Redner kündigt an, Anzeige gegen das »rote Pack« wegen Nötigung stellen zu wollen, denn die hätten ja verhindert, daß man, wie geplant, an der Synagoge vorbei demonstrieren konnte. In der Oranienburger Straße hat die Polizei unterdessen ihren Hauptfeind gefunden. Wasserwerfer und Schlagstockeinsatz gegen die viertausend Gegen-Demonstranten, die den Naziumzug verhindern wollten. »Deutsche Polizisten schützen die Faschisten!« skandiert eine Gruppe von etwa zehn Antifaschisten in der Chausseestraße, durch die inzwischen die Nazis marschieren, nach wie vor flankiert von Polizeieinheiten. Am Nordbahnhof ist dann der Aufmarsch der Faschisten zu Ende. Noch ein Absingen aller drei Strophen des Deutschlandlieds, und die Nazis sind weg.
Sonderzüge der S-Bahn kutschieren die Glatzköpfe ohne Halt bis vor der Tore Berlins. »Vor dem Bahnhof Wannsee hält der Zug nicht an«, sagt die Polizei. Die Torstraße und die nahe Oranienburger Straße sind mit Steinen übersät. Die Polizei hat es wieder mal geschafft, der skandierten Naziparole »Straße frei - hier kommt die NPD« Geltung zu verschaffen. Es gibt zahlreiche Verletzte unter den Antifaschisten und 13 Festnahmen. Die Jüdische Gemeinde und mit ihr Tausende von Antifaschisten sind über das Vorgehen der Polizei empört.
»Das war alles andere als gespenstisch, das war real. Das Nazipack muß verboten werden, sonst gibt es demnächst noch Tote«, sagt ein Mitglied der Jüdischen Gemeinde vor der Synagoge einem japanischen Kamerateam ins Mikrophon.
Recht hat er.
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Junge Welt Vermischtes 2.12.2001
NPD-Aufmarsch in Berlin: Was tun gegen staatliche Untätigkeit?
Interview: Harald Neuber
junge Welt sprach mit Friedel Chamozzi. Er ist Mitglied der SPD im brandenburgischen Neuruppin. Sie gehört zu den Initiatoren einer Aktionsgemeinschaft in Wittstock, die sich für ein rasches Verbot der NPD einsetzt
F: Sie haben auf der Demonstration gegen den NPD-Aufmarsch am Samstag in Berlin Unterschriften für ein beschleunigtes Verfahren zum Verbot der neofaschistischen Partei gesammelt. Ein Thema, um das es recht still geworden ist.
Und eben dadurch fühlen sich die Nazis ermutigt und marschieren immer häufiger auch in Berlin zu Plätzen, die eine große symbolische Bedeutung haben. Dazu gehört nicht nur die Synagoge und das ehemalige jüdische Scheunenviertel, dazu zähle ich auch die Straße Unter den Linden. Als die NPD dort zuletzt zum Brandenburger Tor zog, standen Touristen am Straßenrand und hatten vor Ohnmacht Tränen in den Augen, weil sie nicht verstanden, wie so etwas möglich ist. Wie können an diesen Orten jemals wieder Nazis aufmarschieren?
Hier ist in erster Linie die Justiz gefordert. Weil an dieser Stelle zu wenig geschieht, wären am Wochenende beinahe Nazis an der Synagoge vorbeigezogen. Allein die Vorstellung ist unerträglich. Aber wenn Sie sich dann mit den Menschen unterhalten, wird immer wieder auf den legalen Status der NPD hingewiesen.
F: Ist die Tatsache, daß die Nazidemonstration nicht vor die Synagoge gelangte, sondern umgeleitet wurde, ein Erfolg für Sie?
Ja, natürlich, jeder Schritt, den die Nazis zurückgedrängt werden, ist ein Erfolg. Trotzdem ist es schlimm genug, daß die überhaupt aufmarschiert sind. Schlimm genug ist auch, daß die Polizei die Straßen absperrt hat und die Leute so daran gehindert wurden, dem Aufmarsch etwas entgegenzusetzen.
F: Das ist keine ermutigende Bilanz: Die Justiz untätig, die Gegendemonstranten von der Polizei aufgehalten.
All das birgt die Gefahr, daß die Leute entmutigt werden. Deshalb habe ich die Initiative zu der Unterschriftensammlung ins Leben gerufen. Wir bekommen doch immer wieder zu hören, die Justiz habe keine rechtliche Handhabe, eine Demonstration der NPD zu verbieten. Also weisen wir sie auf ihre Möglichkeiten hin. Selbst wenn die Polizei derzeit einen Aufmarsch verbietet, gibt es nachträglich vom Gericht immer wieder die Erlaubnis, und letzten Endes resignieren selbst fortschrittliche Polizeibeamte, die durchaus auch etwas unternehmen wollen. Wenn zum Beispiel demnächst im thüringischen Nordhausen die Nazis demonstrieren wollen, dann wird das gar nicht erst verboten, weil die zuständigen Gerichte das sowieso wieder kassieren würden.
F: Halten Sie ein Parteienverbot für ausreichend?
Das ist die Frage. Es gibt Gruppen in unserem Aktionsbündnis, die mit den Leuten reden wollen und sie so zu überzeugen hoffen. Andere stellen sich auf den Standpunkt, daß diese jungen Leute nach vier, fünf Jahren wieder vernünftig werden.
Faschismus ist aber keine Jugenddummheit. Sehen Sie, 1932 und 1933 sind die Leute auch davon ausgegangen, daß der Spuk schnell vorbei sein wird.
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Bonner Rundschau Politik 2.12.2001
Am Rande von umstrittenener NPD-Demonstration
Schwere Krawalle in Berlin
Berlin (AP) Schwere Krawalle haben Proteste gegen den größten Aufmarsch von Rechtsextremisten nach dem Krieg in Berlin begleitet. Etwa 2.000 Autonome und Linke versuchten am Samstag in der Innenstadt, zu den mehr als 3.300 NPD-Anhängern durchzustoßen, die gegen die neu konzipierte Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht auftraten.
Die Polizei verhinderte den geplanten NPD-Marsch durch das historische jüdische Viertel, der schon zuvor international Proteste ausgelöst hatte.
Die Gegendemonstranten bewarfen die Polizei am Hackeschen Markt und nahe der Neuen Synagoge mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern und versuchten, Barrikaden zu errichten. Die Polizei setzte Wasserwerfer, Tränengas und den Schlagstock ein. Das Gewaltpotenzial sowohl auf Seiten der NPD als auf Seiten der Gegendemonstranten wurde von Sicherheitsexperten als hoch eingeschätzt.
Rund 30 Personen, davon 17 NPD-Anhänger wurden vorläufig festgenommen. Nach ersten Angaben wurden rund acht Polizeibeamte leicht verletzt. Autonome kippten drei Polizeifahrzeuge um und warfen 20 Schaufensterscheiben ein. In einer Bilanz erklärte Innensenator Erhart Körting (SPD), trotz der Ausschreitungen sei eine offene Konfrontation zwischen NPD-Anhängern und Gegendemonstranten verhindert worden. Die NPD habe ihren Aufmarsch von Anfang an als Provokation angelegt. Zwt: Schutz durch Anwesenheit
Mehrere tausend Menschen folgten unterdessen einem Aufruf des DGB zu einem massenhaften Besuch der Wehrmachtsausstellung in der Auguststraße an der Rückseite der Synagoge, um sie durch ihre bloße Anwesenheit vor NPD-Demonstranten zu schützen.
Unter den Besuchern waren der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und führende Vertreter der im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien.
Ausstellungsdirektor Klaus Briesenbach sagte, allein am Morgen seien 1.000 Besucher gezählt worden. Die Berliner PDS unterbrach für einen demonstrativen Ausstellungsbesuch einen Landesparteitag.
Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, nannte die NPD-Demonstration eine "Provokation ungeheuerlichen Ausmaßes". Er sagte in der "Berliner Morgenpost" (Samstagausgabe), der Aufmarsch von Rechtsextremisten vor Denkmälern, Gedenkstätten ehemaliger Konzentrationslager oder in Zentren jüdischen Lebens sei "auch ein Angriff auf die Demokratie und ihre bürgerlichen Freiheitsrechte".
Zuvor hatten zahlreiche jüdische Organisationen protestiert, dass NPD-Umzug durch Scheunenviertel und Spandauer Vorstadt noch dazu am Sabbat von den deutschen Behörden nicht verhindert worden sei.
Die NPD wurde auf einer bis zuletzt geheim gehaltenen Route nach Norden weiter- und aus der Innestadt hinausgeleitet. Die Geheimhaltung stieß allerdings auf Kritik, weil offenbar unklar blieb, ob jüdische Einrichtungen geschützt werden sollten. Polizeivizepräsident Gerd Neubeck sagte danach, zu keiner Zeit habe die Polizei die NPD durch das jüdische Viertel marschieren lassen wollen.
Neubeck sprach zugleich von einem der schwierigsten Polizeieinsätze der vergangenen Jahre. Er nannte es beschämend, dass sich die Gewalt der linken Demonstranten auch gegen Objektschutzkräfte der Polizei vor den jüdischen Einrichtungen gerichtet habe.
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Stuttgarter Zeitung Politik 2.12.2001
Innenpolitik
3300 Rechtsextreme marschierten durch Berlin
Demonstration von NPD-Anhängern - Verletzte bei Krawallen
Berlin - Beim größten Aufmarsch von Rechtsextremen in Berlin seit dem Zweiten Weltkrieg haben am Samstag rund 3300 NPD-Anhänger entlang des historischen jüdischen Viertels gegen die neue Wehrmachtsausstellung demonstriert. Bei einer Gegendemonstration vor der neuen Synagoge in Berlin-Mitte, an der nach Polizeiangaben 4500 Menschen teilnahmen, kam es zu schweren Ausschreitungen. Steine und Flaschen wurden auf Polizeibeamte geschleudert. Diese reagierten mit dem Einsatz von Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken.
Aus Protest gegen den NPD-Aufmarsch besuchten Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) und weitere Prominente zeitgleich die am Dienstag eröffnete Wehrmachtsausstellung, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. Zahlreiche Gegendemonstranten riefen den aus dem gesamten Bundesgebiet angereisten Neonazis "Haut ab" und "Nazis raus" entgegen.
Die Polizei war mit einem Großaufgebot von 4000 Beamten im Einsatz. Darunter waren auch rund 1500 Polizisten des Bundesgrenzschutzes und aus anderen Bundesländern. Große Teile der Innenstadt waren abgesperrt.
17 Teilnehmer der NPD-Demonstration sowie 13 Gegendemonstranten wurden festgenommen, sagte Einsatzleiter Gernot Piestert in einer ersten Bilanz. Acht Beamte wurden bei den Ausschreitungen verletzt. Zur Zahl der verletzten Demonstranten gab es zunächst keine Angaben.
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte, die NPD-Demonstration sei von Anfang an als Provokation angelegt gewesen. Daher habe die Innenverwaltung die angemeldete Route, die an der Ausstellung vorbei und damit mitten durch das alte jüdische Viertel führen sollte, nicht zulassen können. Die NPD sei seit dem 6. November darüber informiert gewesen, dass die genehmigte Route nicht durch das Viertel führen werde.
Körting verteidigte einerseits die Geheimhaltung der Route, weil sonst das Polizeikonzept nicht durchsetzbar gewesen wäre, Demonstranten und Gegendemonstranten auseinander zu halten. Er räumte aber indirekt auch Fehler bei der Kommunikation ein. Künftig müsse überlegt werden, wie bei solchen Ereignissen zu verfahren sei, sagte Körting. Ein Verbot des Aufmarsches sei nicht möglich gewesen, weil die NPD keine verbotene Partei sei. Er hoffe, dass das Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zügig beendet werde.
Die überarbeitet Wehrmachtsausstellung mit dem Titel "Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944" zeigt die systematische Beteiligung des deutschen Militärs an der Hinrichtung von Millionen Zivilisten und der Ermordung von Juden in Ost- und Südosteuropa. Schon gegen die erste Wehrmachtsausstellung hatten Neonazis immer wieder demonstriert, weil sie früheren Wehrmachtsangehörigen ihrer Meinung nach Unrecht tut.
Zu dem Protestzug gegen die NPD hatte ein "Bündnis gegen Rechts" aufgerufen. Zu den Ausschreitungen kam es, als einzelne Teilnehmer eine Polizeiabsperrung durchbrechen wollten. Die PDS will einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu dem Polizeieinsatz beantragen.
dpa - 02.12.2001 - aktualisiert: 02.12.2001, 11:42 Uhr
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Bild Politik 2.12.2001
Berlin - Schwere Krawalle bei der Nazi-Demo - - Bild.de News
Brennende Abfallcontainer, umgekippte Polizeiwagen, Pflastersteinhagel – Berlin war gestern im Ausnahmezustand.
2800 Neonazis demonstrierten gegen die neue Ausstellung über Verbrechen der Wehrmacht, marschierten mit NPD-Fahnen durch die Straßen. Viertausend Polizisten waren im Einsatz, um 2200 Gegendemonstranten vom größten Neonazi-Aufmarsch in Berlin seit dem Zweiten Weltkrieg fern zu halten. Ausgerechnet vor der Berliner Synagoge eskalierte die Demonstration: Autonome lieferten sich Straßenschlachten mit der Polizei. Letztere setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, nahm mehrere Personen fest. Es gab mehrere Verletzte.
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Rheinpfalz Online Politik 2.12.2001
Massive Proteste bei NPD-Aufmarsch durch Berlin
Begleitet von teilweise gewalttätigen Protesten und einem massiven Polizeiaufgebot sind am Samstag rund 3500 Anhänger der rechtsextremen NPD durch die Berliner Innenstadt marschiert. Die Polizei verhinderte durch eine kurzfristige Routenänderung, dass die größte Neonazi-Demonstration seit Kriegsende durch das traditionelle jüdische Viertel führte. Am Rande kam es wiederholt zu Ausschreitungen; der Großteil der 4500 Gegendemonstranten
protestierte aber friedlich. Hunderte von Berlinern besuchten unterdessen demonstrativ die neu konzipierte Wehrmachtsausstellung. Die Demonstration endete am späten Nachmittag am Nordbahnhof, wo die Rechtsextremen unter Polizeischutz zu den S-Bahn-Zügen geleitet wurde. Die NPD-Anhänger waren gegen Mittag vom Bahnhof Friedrichstraße in nördliche Richtung gezogen. Bei den Krawallen linker Gegendemonstranten nahe der Neuen Synagoge in der Oranienburger Straße setzten die Randalierer Mülltonnen in Brand und beschädigten Fahrzeuge. In der Nähe wurde später auch Blockaden errichtet. Die Polizei, die mit über 4000 Beamten im Einsatz war, setzte Wasserwerfer ein.
Mindestens 30 Menschen seien in Gewahrsam genommen worden, darunter 17 rechte Demonstranten und 13 Gegendemonstranten, sagte Landespolizeichef Gernot Piestert. Den NPD-Anhängern wurde unter anderem das Tragen verfassungsfeindlicher Zeichen und Missachtung des Uniformverbots vorgeworfen. Acht Beamte seien leicht verletzt worden.
Innensenator Ehrhart Körting (SPD) sagte zu den tagelangen Spekulationen über die Route, zahlreiche Mitglieder der jüdischen Gemeinde hätten gewusst, dass die Demonstration nicht durch das Scheunenviertel gehe. Die Polizei habe die Sprachregelung gewählt, dass "auf Empfindlichkeiten Rücksicht genommen werde". Es solle allerdings in Zukunft überlegt werden, wie dies besser vermittelt werde. "Wir werden über die Kommunikation nachdenken", sagte der Innensenator.
Dem Aufruf des Bündnisses "Europa ohne Rassismus", die Wehrmachtsausstellung massenhaft zu besichtigen, folgten auch zahlreiche Politiker, darunter der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). Die Schau des Hamburger Institutes für Sozialforschung unter der Leitung von Jan Philipp Reemtsma war am Dienstag nach kompletter Überarbeitung neu eröffnet worden. Sie dokumentiert die Kriegsverbrechen der Wehrmacht in der früheren Sowjetunion.
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Neue Presse Politik 2.12.2001
Krawalle begleiten NPD-Aufmarsch
„Warum habt Ihr die Demo nicht verboten?"
Skandierende Neonazis in Springerstiefeln, Krawalle vor der neuen Synagoge, Tränengaseinsätze der Polizei – Berlin war am Samstag erneut auch Hauptstadt des deutschen Rechtsextremismus. 3300 NPD-Anhänger marschierten durch die Innenstadt.
Der Geschäftsmann aus München hatte auf der Friedrichstraße rasch einen Kaffee getrunken. Doch als er den Imbiss verlassen wollte, prallte er gegen ein Dutzend Polizisten, die mit verschränkten Armen den Eingang blockierten. „Ich muss zu einer Vertragsunterzeichnung!" empörte sich der Münchner, aber die Beamten würdigten ihn keines Blickes.
Erst eine Stunde später, als die NPD-Anhänger weitergezogen waren, durften die Kunden das Schnellrestaurant verlassen.
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatte einen schweren Stand. Im dichten Gedränge vor den „Kunst-Werken" im Stadtbezirk Mitte sprach er einem Kamerateam erneut die Forderung nach dem „Aufstand der Anständigen" in das Mikrofon. Die Umstehenden konnte das nicht so recht überzeugen. „Warum habt Ihr die Nazi-Demo nicht verboten?" rief eine ältere Frau empört.
Anlass für die NPD, mit etwa 3300 Anhängern in der Hauptstadt aufzumarschieren, war die neu konzipierte Wehrmachtsausstellung. Glatzen, Springerstiefel und NPD-Fahnen prägten das Bild des Demo-Zuges. Aus dem ganzen Bundesgebiet waren die Neonazis angereist. Bei ihrem Marsch skandierten sie antiamerikanische Parolen und zeigten Bilder von Wehrmachtssoldaten.
Aus Protest gegen die Neonazis hing vom Balkon eines Wohnhauses eine US-Fahne. Andere Anwohner protestierten gegen den NPD-Zug, indem sie aus Fenstern heraus die Straße per Lautsprecher mit Hip-Hop- und Reggae-Musik beschallten. Aufgebrachte Menschen reagierten mit „Haut ab"- und „Nazis raus"-Rufen.
Rund 4000 Polizeibeamte waren im Einsatz, am Treffpunkt S-Bahnhof Friedrichstraße zogen einige Hundertschaften auf. Hubschrauber kreisten in der Luft. Anders als ursprünglich vorgesehen führte die NPD-Demonstration dann doch nicht durch das frühere jüdische „Scheunenviertel".
Doch was zunächst wie eine Verlegung in letzter Minute aussah, war schon seit Wochen entschieden. Innensenator Erhart Körting (SPD) hatte sich bereits am 6. November mit den Veranstaltern auf eine neue Strecke geeinigt. Diese sei jedoch nicht bekannt gegeben worden, um linken Gewalttätern möglichst wenig Zeit zur Vorbereitung von Angriffen auf die NPD zu geben.
Politiker und jüdische Repräsentanten aus dem In- und Ausland hatten erbittert gegen den Aufzug durch das jüdische Viertel protestiert. Rabbiner und Mitglieder der jüdischen Gemeinde blockierten denn auch trotz Routenänderung demonstrativ die Straße vor der Neuen Synagoge. Dort hatten sich etwa 2200 Menschen zum Protest gegen den Neonazi-Aufmarsch versammelt.
Als die Beamten den Demonstrationszug stoppen wollten, kam es zu Ausschreitungen. Steine flogen, die Polizei reagierte mit Wasserwerfern und Tränengas. Unverständnis auf beiden Seiten: „Sie schützen das Grundgesetz nicht, Sie treten es mit den Füßen", rief ein älterer Mann einem Beamten zu. Ein Polizeisprecher äußerte sich enttäuscht, dass es gerade da zu Gewalttätigkeiten komme, „wo man eine Gegenkraft gegen rechts vermutet".
Mitglieder der Aktion „Gesicht zeigen!" sammelten derweil Unterschriften für einen Appell an das Bundesverfassungsgericht. Das Gericht möge doch zügig ein Verbot der NPD aussprechen, heißt es darin. Damit es eine juristische Handhabe gibt, um NPD-Demonstrationen künftig zu untersagen.
BERLIN, onl. - www.gesichtzeigen.de
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Tagesspiegel Vermischtes 2.12.2001
NPD-Aufmarsch: Zwischen den Fronten die Bürger
Die Polizeitaktik bei der NPD-Demonstration war für viele Berliner eine Zumutung
Von Gerd Appenzeller
Die NPD ist eine ziemlich ekelhafte Partei. Rechtsextreme Demonstrationen entlang einer Route mit Erinnerungsstätten an das jüdische Leben in Berlin, vorbei an der Synagoge und dem Centrum Judaicum, wären ausgesprochen widerwärtig. Ein von der NPD organisierter Aufzug durchs Scheunenviertel müsste jeden Demokraten empören. Zu verhindern war diese Anhäufung von Scheußlichkeiten bis gestern Morgen angeblich nicht. Plötzlich ging es dann doch. Dennoch war das Ergebnis alles andere als befreiend, ganz im Gegenteil.
Wir haben verstanden: Das Demonstrationsrecht gilt auch für die Feinde des Rechtsstaates, so lange das Verfassungsgericht ihnen nicht die Betätigung verboten hat. Aber was in jedem Fall zu verhindern gewesen wäre, war das völlige Chaos nördlich der Hackeschen Höfe, die Verwirrung und Gefährdung zehntausender von Menschen. Die Polizeitaktik der totalen Verschleierung mag für die Ordnungsmacht selbst die eleganteste gewesen sein. Für die Bürger wuchs sie sich zur Zumutung aus. In der Mitte Berlins wirkte ein ganzer Stadtteil wie im Belagerungszustand. Hilflose Menschen versuchen - orientierungslos und von der Polizei ganz bewusst auch in völliger Ratlosigkeit gelassen - sich von der Demonstration weg zu bewegen: weg von einer Demonstration, von der sie nicht wissen, wo sie überhaupt stattfand.
Schon seit Tagen mehrten sich die Anzeichen dafür, dass die Polizei in letzter Stunde den Marsch der Rechtsextremisten auf der von der NPD in bewusst provokativer Absicht gewählten Route verhindern, einen anderen Weg vorschreiben würde. Für dieses Spiel auf Zeit mochte es gute Gründe geben. Zum Beispiel den, gewaltbereiten linken Gegendemonstranten die Möglichkeit zu nehmen, sich vorbereitete Stellungen entlang der Marschroute zu suchen. Dass rechtlich eine Verlegung nicht möglich sein würde, hat vermutlich nicht einmal der Polizeisprecher wirklich geglaubt. Krakelende Nazis vor der Synagoge - so weit reicht denn nun auch die überstrapazierte Toleranz des Versammlungsrechtes (hoffentlich) nicht. Ob die erhoffte Trennung von rechten und linken Extremisten durch diese Taktik dauerhaft gelang, wird man wohl erst heute früh endgültig abschätzen können.
Fest steht: Die Unklarheit über den tatsächlichen Verlauf der Demonstrationsroute brachte Menschen in Gefahr. Dass die Polizei jede Auskunft dazu verweigerte, wird sie taktisch begründen. Unverantwortlich war es dennoch. Die oberste Aufgabe der Polizei wäre hier der Schutz Unschuldiger und Unbeteiligter gewesen. Völlig rätselhaft auch der Umgang mit hunderten von Berlinern, die einem Aufruf des DGB folgten und demonstrativ die Wehrmachtsausstellung besuchen wollten. Wenn man kein bekanntes Gesicht als Erkennungszeichen vorzeigen konnte - Klaus Wowereit kam natürlich herein - hatte man wenig Chancen und blieb in den Polizeikontrollen hängen.
Und wieder einmal gingen die eigentlichen Krawalle von linken Autonomen aus, denen die Rechten herzlich egal sind, die nur eine neue Gelegenheit zu Ekzessen suchten. Friedliche Demonstranten gegen die NPD gerieten so gestern im Scheunenviertel zwischen alle Fronten: hier skandierende Rechte, dort Steine werfende Linke. Natürlich sollen und wollen aufrechte Demokraten Gesicht zeigen. Nach dem gestrigen Tag muss aber die Frage erlaubt sein, ob sich das zwingend in einer direkten Gegendemonstration zu artikulieren hat. Ob es nicht vernünftiger und effektiver wäre, die Krawallmacher roter und brauner Couleur sich selbst und der Polizei zu überlassen.
Wenn sie niemand zur Kenntnis nimmt, werden sie vielleicht im öffentlichen Raum wieder werden, was sie in Wirklichkeit sind: Randgruppen, Minderheiten, die nicht für dieses Land stehen.
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Tagesspiegel Lokales 2.12.2001
NPD-Aufmarsch: Protest gegen Demo eskaliert zur Straßenschlacht
Die Gewalt bricht aus, nachdem die Polizei einen Gegenmarsch linker Demonstranten in Mitte verhindert - Rechte und Linke konsequent getrennt - fan/ha/cs
Steinehagel, zerstörte Polizeiwagen, brennende Barrikaden und Reizgas in der Luft: Im traditionsreichen jüdischen Viertel zwischen Oranienburger Straße und Torstraße in Mitte lieferten sich gestern mehrere hundert Linke Straßenschlachten mit der Polizei. Insgesamt 4000 Nazi-Gegner protestierten gegen den NPD-Aufmarsch in Mitte. Geschützt durch ein massives Aufgebot von 4000 Polizisten zogen unterdessen 3500 Rechtsextremisten vom Bahnhof Friedrichstraße zum Nordbahnhof, wo sie mit Sonderzügen der S-Bahn weggebracht wurden. Rechte und linke Demonstranten gerieten kaum aneinander. 30 Personen wurden festgenommen: 17 Neonazis und 13 Gegendemonstranten.
Vor der Synagoge in der Oranienburger Straße setzten sich Rabbiner und Mitglieder der jüdischen Gemeinde am Mittag demonstrativ auf die Straße. Ihre Sitzblockade richtete sich aber nicht nur symbolisch gegen die Nazis, sondern auch gegen den massiven Polizeieinsatz vor der Synagoge. An der Kreuzung Oranienburger Straße / Tucholskystraße hielten einige hundert Beamte die linke Gegendemonstration auf, nachdem die Innenverwaltung den geplanten weiteren Marsch zur Wehrmachts-Ausstellung in der Auguststraße untersagt hatte. "Wir dürfen hier nicht demonstrieren - und das unter Rot-Grün", schallte es aus dem Lautsprecherwagen.
Minuten, nachdem die Demonstration die Kreuzung erreicht hatte, flogen Steine und Flaschen auf Polizisten. Eine halbe Stunde später, als sich die Auseinandersetzungen direkt vor die Synagoge verlagert hatten, riefen empörte Demonstranten "Schämt Euch!" zu den Polizisten, die junge Leute wegtrugen, die sich neben den Rabbinern auf die Straße setzten. Die Mitglieder der jüdischen Gemeinde fasste kein Beamter an. Rund um die Sitzblockade entwickelte sich ein regelrechter Straßenkampf. Die Polizei setzte Wasserwerfer und Reizgas ein. Schließlich gelang es, die meisten Protestierer in Nebenstraßen abzudrängen. Viele strebten ohnehin der Chausseestraße zu, weil sich die neue NPD-Route herumgesprochen hatte. Die Polizei hatte jedoch die Straßen zum Nordbahnhof abgeriegelt.
Teilweise auf Sichtweite marschierte die NPD an den Randalierern vorbei. An der Spitze des Zuges trugen Rechtsextremisten ein gelbes Transparent mit der Aufschrift: "Gott mit uns! Und alles für Deutschland". Dahinter liefen der einstige RAF-Terrorist und jetzige NPD-Anwalt Horst Mahler, der NPD-Vorsitzende Udo Voigt und andere Parteifunktionäre.
In ihrem Gefolge marschierten Neonazi-Gruppen wie die "Kameradschaft Rostock" und der "Thüringer Heimatschutz". Die Menge skandierte vor allem "Ruhm und Ehre der Wehrmacht", aber auch die früher nur von Linken gerufene Parole "USA - internationale Vökermordzentrale". Bei der Zwischenkundgebung an der Kreuzung Friedrichstraße / Torstraße attackierten Voigt und der Neonazi-Liedermacher Frank Rennicke die in Mitte gezeigte Wehrmachts-Ausstellung. Der italienische Rechtsextremist Roberto Fiore hielt eine Ansprache und rief "long live Italy".
Am Nordbahnhof verzichteten die Neonazis unter dem Druck der Polizei auf eine größere Abschlusskundgebung und stiegen nach dem Absingen der drei Strophen des Deutschland-Liedes gegen 16 Uhr in S-Bahn-Sonderzüge. Vor der Synagoge hatte sich die Lage eine Stunde früher beruhigt. Da tauchte plötzlich Gregor Gysi bei den Rabbinern auf, die noch immer auf der Straße saßen. Der PDS-Mann überredete sie zum "gemeinsamen demonstrativen Besuch" der Wehrmachts-Ausstellung.
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Tagesspiegel Vermischtes 2.12.2001
NPD-Demo: Viel verlangt
Warum die NPD-Demonstration nicht verboten werden kann
Von Barbara Junge
Demokratie ist eine Zumutung. Artikel 14 Grundgesetz etwa mutet den Besitzenden zu, dass der Gebrauch des Eigentums dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll. Das Grundgesetz fordert es der Gesellschaft ab, zu ertragen, dass jedermann seine Meinung frei äußern und sie bei öffentlichen Versammlungen kundtun darf. Aufmärsche von Rechtsextremisten sind abstoßend. Erst recht rechtsextreme Demonstrationen, die durch ein ehemals jüdisches Viertel führen.
Das ruft zu Recht den politischen Widerspruch vieler Bürger, insbesondere auch der jüdischen Bevölkerung, hervor. Es gibt aber keine rechtliche Grundlage, die für heute geplante Demonstration junger Neonazis und Ewiggestriger gegen die Wehrmachtsausstellung zu verbieten. Auch nicht an diesem Ort. Wie der angesehene Verfassungsrechtler Dieter Grimm in seinem jüngsten Gutachten für den Bundesinnenminister schreibt, bietet das Grundgesetz keine Handhabe, alle rechtsextremen Demonstrationen - und nur die - per se zu verbieten. Genauso wenig kann man nach Grimms Auffassung die Orte, an denen Neonazis nicht demonstrieren dürfen, definieren. Die einzige Ausnahme hiervon sind Holocaust-Mahnmale.
Das generelle Verbot wäre schwer zu vereinbaren mit den Kerngedanken der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Nationalsozialistische Symbole sind ohnehin verboten. Gewalt, die von einer Demonstration ausgeht oder ausgehen könnte, kann ein Verbot der Versammlung begründen. Außerdem wird das Demonstrationsrecht dadurch eingeschränkt, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht in Gefahr geraten darf. Damit jedoch kann man eine Versammlung nicht an sich verbieten. Eine indirekte Handhabe indes gibt es: Angesichts des Engagements vieler gesellschaftlicher Gruppen könnte es eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit bedeuten, wenn Demonstranten und Gegendemonstranten aufeinander träfen. Das Gesetz bietet hier die Grundlage, den geschichtsträchtigen Ort vor Zusammenstößen zu schützen.
Die Demokratie fordert, gegensätzliche Meinungen und Ideologien zu ertragen. Sie verlangt die aktive Auseinandersetzung mit ihnen. Und sie zwingt die Bürger, den Zwiespalt zu ertragen, dass man zwar Neonazis verabscheuen, ihnen jedoch nicht generell die Grundrechte absprechen kann. Eine Zumutung eben - aber eine notwendige.
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Tagesspiegel Lokales 2.12.2001
NPD-Demo: Bis zuletzt Verwirrung um Marschroute der Nazis
Hinweise auf Verlegung der NPD-Demonstration / Senat äußert sich nicht / Jüdische Gemeinde plant weiter Blockade / 3000 Linke erwartet
Von Frank Jansen
Marschieren die Neonazis heute durch das einst von Zehntausenden Juden bewohnte Scheunenviertel? Trotz wachsender Unruhe vor dem Aufmarsch mehrerer tausend NPD-Anhänger gegen die Wehrmachts-Ausstellung haben Senat und Polizei auch gestern die Bevölkerung im Unklaren gelassen. Bei den Verlautbarungen war nur herauszuhören, dass eine Verlegung der Demonstration erwogen wird.
"Mir liegt keine Alternativroute vor, doch das heißt nicht, dass es keine gibt", sagte Jörg Nittmann von der Polizeipressestelle. Nach unbestätigten Informationen werden die Neonazis nicht an der Synagoge in der Oranienburger Straße vorbeilaufen, sondern ab 13 Uhr vom Startplatz Bahnhof Friedrichstraße zum Nordbahnhof oder auf Umwegen zum Alexanderplatz geleitet.
Die Jüdische Gemeinde geht weiterhin von einem Nazi-Aufzug durch das Scheunenviertel aus und will, wie berichtet, die Oranienburger Straße blockieren. Mit prominenter Hilfe: Uwe-Karsten Heye, Sprecher der Bundesregierung und Vorsitzender des Vereins "Gesicht zeigen", hat gegenüber dem Tagesspiegel seine Bereitschaft erklärt, sich "als Staatsbürger" auf die Oranienburger Straße zu stellen. Ähnlich äußerte sich Senatssprecher Helmut Lölhöffel. "Ich stehe an der Seite der Jüdischen Gemeinde", sagte Lölhöffel, "der Rechtsextremismus muss aktiv aufgehalten werden."
"Wir sind glücklich, wenn es Anständige gibt, die wirklich aufstehen", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Moishe Waks. Eine Verlegung der NPD-Marschroute forderte Paul Spiegel, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Die Israelitische Synagogen-Gemeinde Adass Jisroel schrieb einen Brief an Bundespräsident Rau, Bundestagspräsident Thierse, Bundeskanzler Schröder und den Regierenden Bürgermeister Wowereit. Die Politiker werden zu einer "Schutzwache" vor jüdischen Einrichtungen während der NPD-Demonstration aufgefordert. Eine Antwort habe Adass Jisroel nicht bekommen, sagte eine Sprecherin der Gemeinde.
Wowereit will heute um 13 Uhr mit mehreren Senatsmitgliedern demonstrativ die Wehrmachts-Ausstellung besuchen. "Ich bin wütend und beschämt, wenn ich die widerlichen Bilder der Aufmärsche von Neonazis sehe", sagte Wowereit dem Tagesspiegel und betonte die Notwendigkeit eines baldigen Verbots der NPD. Die PDS und das Bündnis "Europa ohne Rassismus" rufen auch dazu auf, sich um 13 Uhr in der Auguststraße vor der Ausstellung in den Räumen des Vereins "Kunst-Werke" zu versammeln.
Grafik: Einrichtungen im Scheunenviertel
Linke Gruppen wollen den NPD-Aufzug angreifen. Zu der schon um 10 Uhr 30 am Hackeschen Markt beginnenden Gegendemonstration würden 3000 Teilnehmer aus Berlin und dem Bundesgebiet erwartet, sagte ein Sprecher der "Antifaschistischen Aktion Berlin". Die Polizei ist mit 3500 Beamten im Einsatz. Der NPD wurden weitere Auflagen mitgeteilt: Neonazi-Barde Frank Rennicke darf 13 seiner Lieder nicht vortragen. Das Verwaltungsgerichte bestätigte außerdem das Redeverbot gegen drei Alt-Nazis.
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Berliner Morgenpost Lokales 2.12.2001
Polizei wehrt sich gegen Vorwürfe
Nach der NPD-Demo: Bilanz der Krawalle, Streit um das Konzept des Innensenators
Von Dirk Banse
Wegen der Randale anlässlich des NPD-Aufmarsches am Sonnabend hat die Polizei scharfe Kritik eingesteckt. Mitglieder links-autonomer Gruppen sowie Abgeordnete von PDS und Bündnis 90/Grüne werfen der Polizei vor, überreagiert zu haben. Während die PDS Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zu einer Stellungnahme auffordert, weist die Polizeiführung alle Vorwürfe als haltlos zurück. Sie hatte am Sonnabend 4000 Beamte eingesetzt.
Rund um die Neue Synagoge an der Oranienburger Straße war es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der linken Szene und Polizisten gekommen.
Die Gegendemonstranten zum NPD-Aufzug, der um die Synagoge herumgeleitet worden war, hatten 23 Schaufensterscheiben eingeworfen, drei Funkwagen beschädigt sowie Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper auf die Beamten geworfen. Die Polizei war mit Schlagstöcken, Wasserwerfern und Tränengas gegen die Randalierer vorgegangen. Nach vorläufigen Angaben wurden acht Polizisten verletzt und 13 Krawallmacher festgenommen. Wie viele Verletzte es unter den Demonstranten gegeben hatte, war gestern nicht bekannt.
In der Nacht zu gestern verhinderte die Polizei zudem eine Schlägerei zwischen Rechten und Linken vor einem Lokal in Lichtenberg.
«Uns wird immer vorgeworfen, auf dem rechten Auge blind zu sein. Allein die Tatsache, dass wir 17 NPD-Anhänger festgenommen haben, beweist das Gegenteil. Die Gewalt in der Oranienburger Straße ging jedoch von Linken aus. Wir mussten deshalb reagieren», erklärt Landesschutzpolizeidirektor Gernot Piestert, der den Einsatz am Sonnabend leitete. «Die Gegendemonstration der Linken sollte auf der Oranienburger Straße, etwa 50 Meter vor der Auguststraße, enden. Einige Krawallmacher wollten jedoch die Absperrungen überwinden und warfen Steine auf die Polizisten. Wir hatten keine andere Wahl, als zu reagieren», erläutert der Polizeiführer. Besonders betrübt zeigte sich Piestert darüber, dass ausgerechnet Gegendemonstranten die Objektschützer vor der Synagoge angegriffen haben.
Auch Polizeivizepräsident Gerd Neubeck nahm seine Mitarbeiter in Schutz. «Sie mussten einen der schwierigsten Einsätze der vergangenen Jahre bewältigen.
Viele von ihnen wurden sogar verunglimpft. Dabei haben sie nur ihre Aufgabe erfüllt. Ich halte es auch aus polizeilicher Sicht für richtig, die Route der NPD-Demonstration geheim zu halten. Sonst hätte es mit Sicherheit Schlägereien zwischen Linken und Rechten gegeben.» Neubeck versichert, es habe der Berliner Polizei keinen Spaß gemacht, die NPD-Anhänger zu schützen. «Doch wir müssen uns an die Rechtslage halten. Die Polizei, daran gibt es keinen Zweifel, steht fest auf dem Boden des Grundgesetzes.»
Dennoch wird ihr Einsatz von der PDS-Innenexpertin Marion Seelig als unverhältnismäßig kritisiert. Ihr Kollege von Bündnis 90/Grüne, Volker Ratzmann, nennt das Verhalten der Polizei ungeschickt. «Die Gegendemonstranten nicht zur Wehrmachtsausstellung durchzulassen und sie ausgerechnet vor der Neuen Synagoge zu stoppen, ist für mich nicht nachvollziehbar.» Dagegen verteidigt die sicherheitspolitische Sprecherin der SPD, Heidemarie Fischer den Polizeieinsatz: «Die Gewalt ging eindeutig von den Demonstranten aus.»
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Frankfurter Allgemeine Zeitung Politik 2.12.2001
NPD-Kundgebung - Ausschreitungen in Berlin
1. Dez. 2001 Begleitet von teilweise gewalttätigen Gegenprotesten und einem massiven Polizeiaufgebot sind am Samstag knapp 3000 Anhänger der rechtsextremen NPD durch die Berliner Innenstadt marschiert. Die Demonstration endete am späten Nachmittag am Nordbahnhof, wo die Rechtsextremen unter Polizeischutz zu den S-Bahn-Zügen geleitet wurde.
Die Polizei verhinderte durch eine kurzfristige Routenänderung, dass die größte Neonazi-Demonstration seit Kriegsende in Berlin durch das traditionelle jüdische Viertel führte. Bei Gegendemonstrationen kam es zu schweren Ausschreitungen. Anhänger der linksautonomen Szene versuchten, Absperrungen zur NPD-Demo zu überwinden und warfen mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern. Die Polizei nahm 30 Personen fest. Dabei handelt es sich um 17 Teilnehmer der NPD-Demo sowie 13 linke Demonstranten, sagte Einsatzleiter Gernot Piestert.
Prominente besuchten Ausstellung
Hunderte von Berlinern, darunter auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), besuchten unterdessen demonstrativ die neu konzipierte Wehrmachtsausstellung, gegen die sich der NPD-Marsch richtete. Die neue Wehrmachtsausstellung mit dem Titel „Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941- 1944" war Anfang der Woche in Berlin eröffnet worden. Sie zeigt die systematische Beteiligung des deutschen Militärs an der Hinrichtung von Millionen Zivilisten und der Ermordung der Juden in Ost- und Südosteuropa.
Route geändert
Der Marsch der NPD-Anhänger führte entgegen der Planung der NPD nicht direkt durch das historische jüdische Viertel Berlins und an der Wehrmachtsausstellung vorbei. Die Polizei leitete die NPD- Anhänger vom S-Bahnhof Friedrichstraße nach Norden, um ein Zusammentreffen mit den Gegendemonstranten unweit der Neuen Synagoge in Berlin-Mitte zu verhindern. Aufgebrachte Bürger riefen dem Zug „Haut ab" und „Nazis raus" entgegen.
2800 Teilnehmer bei NPD-Aufmarsch
Die Polizei war mit einem Großaufgebot von 4000 Beamten im Einsatz. Große Teile der Ost-Berliner Innenstadt wurden abgesperrt. Ein Verbot des NPD-Aufmarsches war laut Innenbehörde nicht möglich gewesen. Die Polizei sprach zunächst von 3500 Teilnehmer bei der NPD-Demonstration, später von 2800. Die Demonstranten aus dem ganzen Bundesgebiet waren mit Sonderzügen der S-Bahn in die Innenstadt gekommen.
2200 Gegendemonstranten
Zu dem Protestzug gegen die NPD hatte ein „Bündnis gegen Rechts" aufgerufen. Teilnehmer skandierten „Nazis raus" und hängten an eine Hauswand ein Plakat mit der Aufschrift „Deutsche Täter sind keine Opfer". Die Zahl der überwiegend friedlichen Gegendemonstranten gab die Polizei mit 2200 an.
Rabbiner versuchten, Eskalation zu verhindern
Zu den Ausschreitungen kam es, als einzelne Teilnehmer eine Polizeiabsperrung durchbrechen wollten. Rabbiner, die eigentlich die Synagoge schützen wollten, versuchten, eine Eskalation zu verhindern. Bei den Krawallen wurde ein Polizeiauto umgestoßen. Die PDS kritisierte den Polizeieinsatz bei der Gegendemonstration. Es sei ein Skandal, dass die Polizei unmittelbar vor der Synagoge in der Oranienburger Straße Demonstranten weggeprügelt habe, sagte der PDS-Bundestagsabgeordnete Carsten Hübner.
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TAZ Lokales 2.12.2001
Unerträgliche Provokation
Die NPD will heute gegen die Wehrmachtsausstellung marschieren - mitten durch das jüdische Viertel in der Spandauer Vorstadt. Bei den Anwohnern regt sich Protest. - Ein Stimmungsbericht von M. DRAEKE, F. GRÄFF und U. SCHULTE
"Scheiße", sagt die junge Frau im Leinenkontor in der Tucholskystraße hinter ihrer Nähmaschine. "Im April, an Führers Geburtstag, haben sie mir schon mal die Scheibe eingeschlagen", erzählt sie und meint die Neonazis, die heute ab 13 Uhr von der Friedrichstraße aus in der Spandauer Vorstadt gegen die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht - Dimensionen des Vernichtungskriegs" demonstrieren wollen.
Die Leinenhändlerin ist nicht allein mit ihrer Wut über den angekündigten NPD-Marsch gegen die Wehrmachtsausstellung. Karsten-Uwe Heye, Sprecher der Bundesregierung, sprach am Freitag von einer "unerträglichen Provokation". In der Jüdischen Gemeinde der Stadt herrsche "totales Unverständnis", so Andreas Nachama, Rabbiner und Direktor der Stiftung "Topographie des Terrors". Die Partner der künftigen Ampelkoalition wollen die heutigen Verhandlungen unterbrechen, um geschlossen die Ausstellung zu besuchen. Dennoch mochte sich die Innensenatsverwaltung gestern nicht zu einer Änderung der NPD-Route äußern. Die Anwohner bleiben im Ungewissen: Die junge Frau im Leinenkontor hat ihre Kunden gebeten, Bestellungen erst nach 18 Uhr abzuholen. "Diese Demo ist doch Hohn und Spott für die Leute, die hier wohnen."
Auch der Verkäufer im Baustoffladen nebenan ist strikt gegen die Demo. "Das hat nichts mehr mit freier Meinungsäußerung zu tun", sagt er und schüttelt den Kopf mit dem grünen Käppi. "Das hier ist ein jüdisches Viertel - es hat eine fatale Außenwirkung, wenn hier Neonazis demonstrieren." Und dann fragt er: "Was sind das für Bilder, wenn die Polizei die streikenden Rabbis wegtragen müsste?" Anetta Kahane, Sprecherin der jüdischen Gemeinde, kündigte ein jüdisches Minchah-Gebet an. "Mitten auf der Straße, über die die NPDler ziehen werden."
In der allgemeinen moralischen Entrüstung fällt nur der Blumenhändler aus der Reihe. Zwischen Lilien und Anemonen klagt er über den "immensen Geschäftsausfall". Daran hätte die Senatsverwaltung doch denken sollen, als sie die Neonazi-Demonstration billigte.
Die Wehrmachtsausstellung selbst rechnet heute mit großem Andrang. "Wir stellen uns auf viele Besucher ein", bestätigte Beate Barner, Sprecherin der "Kunst-Werke" in der Auguststraße. Es werde mehr Personal als sonst eingesetzt. In der Nachbarschaft hängen in vielen Fenstern Plakate - "Gesicht zeigen" steht darauf. An einem Baugerüst flattert ein Transparent mit der Aufschrift "Mitte stellt sich quer". Der Student Stefan, der in iner Kneipe um die Ecke arbeitet, findet es "saumäßig ärgerlich", dass die Demos der Neonazis immer wieder genehmigt würden. Besondere Vorkehrungen für den Fall, dass die Rechtsradikalen vorbeimarschierten, treffe seine Kneipe aber nicht. Schulterzuckend sagt er: "Wer hier reinguckt, sieht schon am Publikum, dass wir das nicht unterstützen."
Viele Besucher der Wehrmachtausstellung befremdet der Gedanke, dass am Samstag möglicherweise bis zu 4.000 Neonazis direkt an den Veranstaltungsräumen vorbeimarschieren könnten. "Ich verstehe nicht, dass wir das nicht in den Griff bekommen", meint ein älterer Besucher kopfschüttelnd. Er selbst ist 1931 geboren. "Ich weiß, was damals passiert ist. Wir müssen uns an die eigene Nase fassen."
Vor der Ausstellung studiert eine junge Frau an einer Hauswand den Aufruf zur Gegendemonstration. Sie ist aus Bielefeld angereist, der nächsten Station der Ausstellung. Dort möchte sie selbst Führungen machen. "Ich dachte, es würde diesmal nicht so brisant", meint sie im Hinblick auf die Überarbeitung der Ausstellung. "Die Neonazi-Demonstration hier stattfinden zu lassen, fände ich unverantwortlich", sagt sie entrüstet.
Während sich Mitte auf marschierende Rechte vorbereitet, hat Josef Asche aus Prenzlauer Berg bereits einschlägige Erfahrungen. Vor sechs Wochen hatten ihm Unbekannte NPD-Aufkleber an die Tür geklebt. "Berlin, wir kommen" stand darauf. Am Donnerstagnachmittag seien zwei Gestalten an seinem Laden vorbeigezogen, die ihm "Heil Hitler" zugerufen hätten, erzählt er. "Ihr mich auch", habe er geantwortet. Spät abends rief ihn dann eine Freundin an: Das Fenster des Antiquariats sei eingeworfen worden. "Materielle Schäden sind zu beheben", meint Asche lakonisch. Die Eisenstange lehnt noch vor seinem antifaschistischen Buchantiquariat in der Dunckerstraße, die Schaufensterscheibe ist zersplittert. Ein Polizeisprecher wollte gestern einen rechtsextremen Hintergrund weder bestätigen noch ausschließen. Fest steht: Das Landeskriminalamt 5, zuständig für Staatsschutz, ermittelt.
Buchhändler Asche wird nicht gegen die Neonazis protestieren:
"Ich kann meine Kollegin jetzt nicht allein lassen, wir müssen den Laden beschützen."
taz Berlin lokal Nr. 6615 vom 1.12.2001, Seite 33, 159 Zeilen
(TAZ-Bericht), M. DRAEKE / F. GRÄFF / U. SCHULTE
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TAZ Politik 2.12.2001
Auch Regierung gegen NPD-Demo
BERLIN rtr/afp Die Bundesregierung hat die heutige Demonstration der rechtsextremen NPD gegen die Wehrmachtsausstellung in Berlin als "unerträgliche Provokation" bezeichnet. Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye sagte gestern, die Regierung stehe an der Seite der Jüdischen Gemeinde und aller Bürger, die sich dem geplanten Protestmarsch durch das ehemalige jüdische Viertel friedlich entgegenstellen wollten. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Peter Ramsauer bezeichnete die Wehrmachtsausstellung dagegen als "rot-grüne Geschichtsklitterung", die unfair sei und dem Selbstbewusstsein einer gereiften, demokratischen Nation schade. Die NPD erwartet bis zu 4.000 Rechtsextreme aus dem In- und Ausland, womit es die größte Demonstration von Rechtsextremisten in Berlin seit dem Zweiten Weltkrieg werden könnte. Die Polizei ist mit rund 3.500 Beamten im Einsatz.
taz Nr. 6615 vom 1.12.2001, Seite 7, 31 Zeilen (Agentur)
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Neues Deutschland Lokales 2.12.2001
Antifa will NPD-Marsch verhindern
Senat hält NPD-Route weiter geheim / Polizei kündigt »Neutralität« an
Von Rainer Funke
Ungeachtet dessen, dass der Innensenat offenkundig mit der NPD-Führung eine von deren Anmeldung abweichende und streng geheim gehaltene Marschroute vereinbart hat, finden sämtliche Protestaktionen gegen den Neonazi-Aufmarsch wie angekündigt statt. Aufgerufen haben bekanntlich Gewerkschaften, die Parteien des Abgeordnetenhauses, darunter die PDS, sowie Kirchen, Bürgerinitiativen und Antifa-Gruppen.
So wird um 10.30 Uhr am Hackeschen Markt eine Demo der Antifa Aktion Berlin beginnen. Anschließend will man versuchen, den Nazi-Aufzug zu verhindern. Die Initiative »Europa ohne Rassismus« hat aufgerufen, sich in der Wehrmachtsausstellung in der Auguststraße und drum herum zu versammeln und auf diese Weise »der Geschichtsklitterung der Ewiggestrigen entgegenzutreten«. Der Bund der Antifaschisten hat Kundgebungen in der August- und in der Großen Hamburger Straße, am Bahnhof Friedrichstraße und auf dem Alex organisiert.
PDS-Landesvorsitzende Petra Pau hofft, dass möglichst viele Bürger sich dem Protest anschließen und auf diese Weise »den rechten Parolen eine lebendige Kultur entgegensetzen«. Die PDS werde ihren Landesparteitag unterbrechen, damit die 160 Delegierten und Gäste, darunter Gregor Gysi und PDS-Chefin Gabi Zimmer, an Gegenaktionen teilnehmen können.
Mittes Bezirksbürgermeister Joachim Zeller (CDU) ist empört über den Neonazimarsch durch seinen Bezirk. Das habe er auch dem Innensenator mitgeteilt, sagte er dem ND. Diesen Aufzug dürfe man nicht zulassen. Er werde sich um 13 Uhr im Umfeld der Wehrmachtsausstellung befinden: Eine Betroffenenvertretung hat in der Auguststraße ein Straßenfest geplant. Zeller bezweifelt, ob alle Verbots-Möglichkeiten für den NPD-Zug ausgeschöpft wurden. Dennoch müsse vom Innensenat eine Demo-Route weitab von der Spandauer Vorstadt angeordnet werden.
Wie der Polizeipräsident gestern erklären ließ, werde die Polizei das Demonstrationsrecht sicherstellen. Dabei sei sie »zur Neutralität verpflichtet« – unabhängig von eigener politischer Meinung. Vor diesem Hintergrund seien alle – nicht näher bezeichneten – Polizeimaßnahmen zu betrachten. Der Bürger möge sich »nicht zu unüberlegtem Handeln hinreißen lassen«, warnte der Polizeipräsident.
(ND 01.12.01) © ND GmbH 2001
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Bieler Tagblatt Politik 1.12.2001
Deutschland
Umstrittene Demo
Die deutsche Regierung hat die für heute geplante NPD-Grossdemonstration in Berlin offiziell verurteilt.
ap. Der Marsch der Rechtsextremisten, der Protest gegen die neue Wehrmachtsausstellung ausdrücken soll, sei eine «unerträgliche Provokation», sagte Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye. Der CSU-Politiker Peter Ramsauer richtete seine Kritik hingegen nur gegen die Ausstellung. Nach einem Bericht der «Berliner Zeitung» dürfen die Rechtsextremisten aber nicht wie geplant durch das jüdische Viertel ziehen. Die Versammlungsbehörde lenke die Route an der Spandauer Vorstadt und dem Scheunenviertel vorbei.
Der Senat für Inneres wollte zu dem Bericht gestern Abend keine Stellung nehmen. Das Verwaltungsgericht Berlin bestätigte gestern Abend Auflagen für die Demonstration, zu der die NPD bis zu 4000 Teilnehmer aus dem In- und Ausland erwartet. Damit wäre es der grösste rechtsextreme Aufmarsch in Berlin seit dem Krieg. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, hatte offiziell gegen deren Bewilligung protestiert.
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Hamburger Abendblatt Politik 1.12.2001
NPD-Zug "unerträglich"
Berlin - Die Bundesregierung hat den für Sonnabend geplanten Demonstrationszug der rechtsextremen NPD durch jüdisch geprägte Viertel Berlins als unerträgliche Provokation bezeichnet. Zur NPD-Demonstration gegen die in Berlin laufende Wehrmachtsausstellung werden mehrere Tausend Rechtsextremisten erwartet. (dpa)
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Zeitungsgruppe WAZ Vermischtes 1.12.2001
Regierung nennt Demonstration der NPD [30.11.2001]
Regierung nennt Demonstration der NPD unerträgliche Provokation Rechtsextreme wollen durch altes jüdisches Viertel marschieren
Von Winfried Dolderer Berlin.
Der Hauptbetroffene gibt sich gelassen: "Jeder hat das Recht, gegen eine Ausstellung zu demonstrieren", ließ sich Jan-Philipp Reemtsma Anfang der Woche vernehmen, "auch wenn er sie nicht kennt".
Soviel Gelassenheit mag sich der Regierungssprecher nicht gestatten. Eine "unerträgliche Provokation" nennt Uwe-Karsten Heye das Vorhaben der rechtsextremen NPD, heute in Berlin gegen die neue Wehrmachtsausstellung zu demonstrieren, für die sich Reemtsma als Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung verantwortlich zeichnet.
Bis zu 5000 Teilnehmer erwarten die Veranstalter des Umzugs. Provozierend ist vor allem, welchen Weg sie zum Alexanderplatz nehmen wollen. Unter anderem durch die Oranienburger und die nahegelegene Auguststraße, wo in einem zum Kulturzentrum veredelten Altbaukomplex die Ausstellung zu sehen ist, soll die Demonstration führen - und damit ausgerechnet durch ein Viertel, das zu den Schauplätzen der jüdischen Geschichte in Berlin gehört. In der Oranienburger Straße steht seit dem 19. Jahrhundert die Neue Synagoge, heute Sitz eines jüdischen Forschungs- und Kulturzentrums. In der Umgebung ließen sich vor 1933 vorzugsweise jüdische Zuwanderer aus Osteuropa nieder, und haben sich in den vergangenen Jahren erneut jüdische Restaurants und Geschäfte angesiedelt.
"Dass alte und neue Nazis an diesen Orten entlang demonstrieren", sei besonders empörend, erklärt die Initiative "Europa ohne Rassismus", die ihrerseits einige tausend Gegendemonstranten erwartet. Der Berliner DGB, die Schauspielerin Iris Berben, der Musiker Udo Lindenberg zählen zu den Initiatoren. Die Gegendemonstranten wollen die Marschroute der Rechtsextremisten im Stadtteil um die Synagoge blockieren - und die weiteren Geschehnisse der "Eigendynamik vor Ort" überlassen.
Ein Aufgebot von 3500 Polizisten soll die Eigendynamik bändigen. Die Innenbehörde verhängte Auftrittsverbote gegen drei der vier vorgesehenen NPD-Redner, sah sich jedoch zu einem Verbot der Demonstration selbst nicht in der Lage. Damit bestand auch keine Handhabe, im voraus die von den Veranstaltern gewünschte Route zu ändern. Allerdings werde, so eine Senatssprecherin, "der besonderen Symbolik der Örtlichkeit Rechnung getragen". Mit anderen Worten: Die Polizei wird, wenn es darauf ankommt, den Rechtsextremem nicht den Weg durch das alte jüdische Viertel bahnen.
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Financial Times Deutschland Politik 2.12.2001
Chronologie: Rechtsextreme Aufmärsche in Berlin
Rechtsextreme Aufmärsche in Berlin lösen seit zwei Jahren immer wieder Empörung im In- und Ausland aus. Zugleich werden Forderungen nach einem Verbot der Aufzüge an historisch sensiblen Orten lauter. Hier die Dokumentation einiger Vorfälle.
29. Januar 2000: Erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg marschieren 500 Rechtsextremisten aus Protest gegen das geplante Holocaustmahnmal durch das Brandenburger Tor. Die Bilder der wehenden Flaggen in den Farben des Deutschen Reichs rufen Erinnerungen an den Fackelmarsch bei der Machtergreifung Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 wach.
12. März 2000: Am Jahrestag des Hitler-Einmarsches in Österreich vor 62 Jahren demonstrieren 500 Anhänger der NPD an der Westseite des Brandenburger Tores. Es kommt zu Ausschreitungen, als Gegendemonstranten Steine auf NPD-Anhänger und Polizisten werfen.
1. Mai 2000: Rund 1200 Anhänger der NPD demonstrieren in Berlin-Hellersdorf. Knapp 200 Menschen aus dem linken Spektrum wenden sich mit Rufen und Pfiffen gegen die Versammlung.
4. November 2000: 1200 Sympathisanten der NPD demonstrieren im Zentrum Berlins. Gegen die Versammlung protestieren rund 500 Menschen. Es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.
25. November 2000: Die Polizei beendet eine Demonstration der NPD vorzeitig am Alexanderplatz. Grund war die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Hunderte Gegendemonstranten hatten den Aufzug der rund 1400 Rechten zuvor blockiert.
1. Mai 2001: Der damalige Innensenator Eckart Werthebach (CDU) verbietet eine durch Berlin-Mitte angemeldete NPD-Demonstration für den 1. Mai. Nach einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes demonstrieren etwa 1000 Rechtsextreme in Hohenschönhausen am nordöstlichen Stadtrand.
3. Oktober 2001: Rund 900 Neonazis marschieren zum Tag der Deutschen Einheit über den Kurfürstendamm. Zahlreiche Schaufenster auf der Einkaufsmeile wurden aus Protest verhängt.
8. Oktober 2001: Rund 100 NPD-Anhänger demonstrieren in der Nähe der US-Botschaft gegen die amerikanischen Bombenangriffe in Afghanistan.
© dpa
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