Potsdamer Neueste Nachrichten Wirtschaft 9.11.2001
6000 Polizisten bewachen 3000 Neonazis
NPD plant Aufmarsch zur Wehrmacht-Austellung / Route soll durch Mitte führen -- von Frank Jansen
Berlin steht der größte rechtsextreme Aufmarsch seit 1945 bevor. Am 1. Dezember will die NPD mit mindestens 3000 Anhängern, darunter auch Rechtsextremisten aus Belgien und Spanien, gegen die neu konzipierte Ausstellung über den Vernichtungskrieg der Wehrmacht demonstrieren. Die von der Partei genannte Teilnehmerzahl ist nach Ansicht der Sicherheitsbehörden "durchaus realistisch". Zu erwarten seien sogar bis zu 4000 Demonstranten. Angesichts der einkalkulierten Proteste von Linken und anderen Nazi-Gegnern wird der Einsatz von etwa 6000 Polizisten geplant. "Das wird der absolute Ausnahmezustand", hieß es bei den Sicherheitsbehörden. Ein Verbot der rechtsextremen Demonstration wird offenbar nicht erwogen. Nach Ansicht der Behörden gibt es kaum Chancen, gegen eine Beschwerde der NPD vor den Verwaltungsgerichten bestehen zu können.
Am Dienstagabend hat bereits ein so genanntes Kooperationsgespräch zwischen Polizei und NPD-Leuten stattgefunden. "Wir werden die üblichen Auflagen bekommen", sagte am Mittwoch der Bundesgeschäftsführer der Partei, Frank Schwerdt. Die Demonstranten dürfen unter anderem keine schwarz-weiß-roten Fahnen mit sich führen und müssen auf Uniformen und uniformähnliche Bekleidung verzichten. Laut Schwerdt sind als Redner Parteichef Udo Voigt, Horst Mahler, die Neonazi-Anführer Christian Worch und Thomas Wulff sowie "zwei Vertreter der alten Kriegsgeneration" vorgesehen. Gegen Mahler hatte die Polizei vor dem letzten NPD-Aufmarsch in Berlin am 3. Oktober ein Redeverbot ausgesprochen. Dies sei auch für den 1. Dezember zu erwarten, hieß es bei den Behörden.
Die NPD will an dem Sonnabend von 13 bis 18 Uhr quer durch Mitte marschieren. In der Anmeldung, die der Polizei seit Anfang August vorliegt, nennt die Partei folgende Route:
Bahnhof Friedrichstraße, Oranienburger Straße, Auguststraße, Rosenthaler Straße, Torstraße, Karl-Liebknecht-Straße, Alexanderplatz. Damit kämen die Neonazis der Ausstellung über den Vernichtungskrieg der Wehrmacht bedrohlich nahe. Die Bilder und Texte werden in der Auguststraße in den Räumen des Vereins "Kunst-Werke Berlin" gezeigt. "Wir hoffen, dass die Strecke noch geändert wird", sagte Kunst-Werke-Sprecherin Beate Barner. Sie verwies auch auf das Umfeld: Sollten die Neonazis die beabsichtigte Route einschlagen dürfen, könnten sie auch nahe der jüdischen Synagoge ihre Parolen skandieren.
Die so genannte Wehrmachtsausstellung ist permanent von Rechtsextremisten, aber auch von Konservativen heftig attackiert worden. Im März 1997 zogen 4500 Neonazis durch München, um dort zu protestieren - dies war einer der größten rechten Aufmärsche in der Geschichte der Bundesrepublik. "München" möchte die NPD nun in Berlin wiederholen. Das Motto lautet, wie 1997, "Unsere Väter waren keine Verbrecher".
Die Ausstellung war 1999 vom Hamburger Institut für Sozialforschung wegen einiger Mängel zurückgezogen worden. In der neu konzipierten Form ist sie nun erstmals in Berlin zu sehen, vom 28. November bis zum 13. Januar 2002.
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Junge Welt Politik 8.11.2001
Berliner Normalität
NPD plant in der Hauptstadt Aufmarsch gegen Wehrmachtsausstellung mit 3000 Teilnehmern
Die NPD plant für den 1. Dezember den größten Naziaufmarsch in der Berliner Nachkriegsgeschichte. Mit mindestens 3000 Teilnehmern will die Partei gegen die Neuauflage der Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht demonstrieren, wie NPD-Sprecher Klaus Beier am Donnerstag bestätigte. Die Neonazis wollen den Angaben zufolge quer durch das Berliner Regierungsviertel und den Stadtbezirk Mitte ziehen. Die Route soll vom Bahnhof Friedrichstraße über Friedrich-, Oranienburger-, August-, Rosenthaler- und Torstraße zum Alexanderplatz führen und würde dabei an der Neuen Synagoge vorbeiführen. Als Redner sind nach Angaben eines Parteisprechers NPD-Chef Udo Voigt sowie der Rechtsanwalt Horst Mahler vorgesehen. Eine Sprecherin der Innenbehörde wollte sich nicht näher über mögliche behördliche Maßnahmen gegen den Aufmarsch äußern. Sie bestätigte lediglich ein erstes so genanntes »Kooperationsgespräch« am vergangenen Dienstag mit den Veranstaltern. Über ein Demonstrationsverbot oder Auflagen sei noch nicht entschieden Die Wehrmachtsausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung wird vom 28. November bis zum 13. Januar in Berlin gezeigt.
Nach NPD-Angaben sind der Partei für den Aufmarsch bisher noch keine Auflagen erteilt worden. Beier rechnet aber damit, daß Fahnen nicht mitgeführt werden dürften. Auch über ein mögliches Redeverbot für den NPD-Anwalt Horst Mahler werde verhandelt. Ein solches Redeverbot für Mahler, der zur Zeit auf seiner Internetseite die Anschläge in New York als »anti-judaische Befreiungstat« feiert, hat es schon beim letzten Aufmarsch der NPD in Berlin am 3.Oktober gegeben.
Bereits bei Eröffnung der Wehrmachtsausstellung 1997 in München protestierten 6000 NPD-Anhänger gegen die Schau. Der NPD war es seinerzeit gelungen, Gegner der Dokumentation der Gräueltaten der deutscher Wehrmacht bis weit ins konservative Lager hinein zu mobilisieren. Auch in den folgenden Monaten und Jahren gab es immer wieder Proteste und sogar Anschläge auf die Ausstellung.
Der jetzt geplante NPD-Aufzug steht unter dem Motto: »Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht« und spielt damit auf den zwischenzeitlichen Rückzug der Ausstellung aufgrund dokumentatorischer Mängel im Herbst 1999 an.
(ddp/AP/jW)
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