Antisemitismus – gestern und heute

(Referat-Beitrag von Chaim Frank, in München am 6.5.2001)

 

 

 

Themen- bzw. Frage-Komplex:

 

-  >Gibt es heute noch Antisemitismus?<

Der Begriff  >Antisemitismus< 

Antisemitismus in München damals und heute

Antifaschistischer Widerstand 1933-45

jüdische Gegenwehr gegen Antisemitismus und Rassismus

 

 

 

>Gibt es heute noch Antisemitismus?<

 

Die Frage: »Gibt es heute noch Antisemitismus?« ist und war eigentlich immer schon einfach zu beantworten: Sobald es >etwas< gibt, wie z.B. Juden, Schwarze, Ausländer, Rote Fahnen, Schwule und Lesben, Zeitungen, Fernsehen, Autos und dergleichen (um nur ein paar Beispiele erwähnt zu haben) ... so gibt es sogleich dafür auch Gegner.

Das ist eine alte, möchte sagen fast natürliche Tatsache in der Menschheitsgeschichte – und die Deutschen sind, mit ihrer schrecklichen Vergangenheit, nicht einmal das Maß aller Dinge (!) –, denn das Ausrotten und Vernichten von Völkern und Volksgruppen oder –Stämme (sofern es nicht Naturkatastrophen bereits taten) ist seit dem frühesten Altertum bekannt.

Denn da galt eben das Prinzip: der Stärkere hat die Macht. Inzwischen aber – so meint man zumindest – hatte die Menschheit einen Wandel erfahren, einen Wandel zur Menschlichkeit, um nicht das vergewaltigte Wort >Demokratie< zu gebrauchen. 

In einer modernen Zeit wie dieser, der heutigen, und nach all den zwischenmenschlichen Katastrophen, also dem Genozid am Armenischen Volk und die Shoah, bei dem Juden wie Zigeuner gleichsam aus rassistischen Gründen vernichtet werden sollten, möchte man meinen, dass die Menschen aus diesen Tragödien gelernt hätten. Man hat es aber leider nicht!

Insofern wird es den Antisemitismus ebenso, wie den Rassismus weiterhin geben – die Frage dabei ist nur, wie man mit solchem Menschheitsübel in der sozialen Praxis umgeht.

Dabei ist es ganz klar verständlich, dass in einem hochkomplizierten sozialen Gefüge es immer wieder zu Spannungen kommt – und auch hinkünftig kommen wird – doch es gilt: Wie kann man Hass und Intoleranz (als Gruppe oder aus einer Gruppe heraus) unterdrücken!

Hierfür hilft nur ein einziges Rezept: nämlich Lernen und akzeptieren. Das heißt nichts anderes, als die Gewohnheiten, die Art und Weise des anderen kennen lernen und ihn so, wie er ist zu akzeptieren. Nicht mehr und nicht weniger! Man braucht sich dabei nicht – so wie es etwa in den 70er Jahren einmal >Mode< war – unentwegt zu fraternisieren, denn das – wie man sehen konnte – führte ebenfalls zu nichts. Bloßes Interesse und Akzeptanz reichen schon zur Genüge!

Als Jude hat man, auf Grund der unzähligen Erfahrungen, gelernt – oder besser gesagt man sog es bereits mit der Muttermilch auf – dass man nicht überall gemocht war. Das kann jeder Jude, der im sozialistisch und kommunistisch geprägten Osteuropa aufwuchs ebenso bestätigen, wie jene älteren Juden, die in der kapitalistischen Welt benachteiligt oder sogar verfolgt waren. Die Judophobie oder der Antisemitismus kennt nämlich keine speziellen Parteien oder politische Richtungen – dieses Phänomen ist und war in allen Gesellschaften und Strukturen vertreten.

Insofern, um nun die Frage »Gibt es heute noch Antisemitismus?« abschließend zu behandeln muss gesagt werden: es wird ihn – so bedauerlich es ist – auch zukünftig geben.

 

 

Begriff: >Antisemitismus<

 

Ehe ich auf die nächste Frage eingehe, möchte ich kurz den Begriff >Antisemitismus< erörtern:

Es mag nun der eine oder andere diese Ausführung als >spitzfindig< betrachten, aber ich meine man muss das Übel richtig definieren, um es hernach auch entsprechend erkennen und bekämpfen zu können.

Was heißt nun der Begriff >Anti-Semitismus<?

Der Begriff setzt sich aus zwei Wörtern, nämlich >anti< und >Semitismus< zusammen.

>anti< ist ein griechisches Wort und bedeutet nicht – wie die meisten denken >gegen< sondern vielmehr >anstatt<. Und die Wort-Wurzel >Semiten< leitet sich zwar vom biblischen Namen >Sem< ab, meint aber nach Genesis 10 die Hebräer, Aramäer und Araber gleichermaßen; also alle diejenigen, die der >semitischen Sprache< angehören.

Der gesamte Begriff >Antisemitismus< hat sich aber erst im 19. Jahrhundert behauptet, und zwar genauer gesagt seit 1879, durch den Deutschen, Willhelm Marr, der diesen Begriff prägte vor allem mittels seiner ab 1880 erschienenen Broschüre »Zwanglose antisemitische Hefte«.

Der Begriff >Antisemitismus< setzt sich durch die üblichen Bezeichnungen >Juden-Hass< und >Judophobie< insofern ab, indem er eben damit – zum Unterschied des klassischen >christlich-religiösen Konkurrenz-Empfindens< oder dem >Wirtschafts-Neid< – eindeutig seinen >Rassen-Hass< zum Ausdruck bringt.

Das will sagen, dass es sehr wohl gravierende Unterschiede gibt, in der Darstellung und Wirkung der Gegnerschaft der Juden. Das ist wichtig zu erkennen, um sie auch entsprechend behandeln und bekämpfen zu können. Denn es wäre sinnlos einem >Brotneider<, der sich über einen ’wohlhabenden Juden’ mokiert, seinen Hass darüber etwa gar als >Antisemitismus< bezeichnen zu wollen. Wohingegen der sogenannte >Anti-Zionismus< sehr wohl als eine abseitige Form des rassistischen >Antisemitismus< zu sehen ist, der sich gegen die nationalen Juden, bzw. gegen den Staat Israel, also der Nation der >Zionisten< richtet.

Abschließend sei noch dringend zu bemerken, dass die Judenheit gewiss keine >Rasse< ist – und daher auch keinerlei ähnliche Merkmale aufweisen kann, denn zu unterschiedlich ist nicht bloß ihre Herkunft sondern gleichzeitig auch ihr Aussehen und Auftreten.

Schließlich gibt es nachweislich orientalische wie europäische Juden, als auch schwarze, indische, asiatische und afrikanische Juden – sowie zuzüglich der Über-Begriff: Aschkenasische bzw. Sephardische Juden! Wenn wir einmal von den sogenannten >Chasaren< absehen wollen, die außerdem, etwa um 669 als gesamtes Volk zum Judentum übergetreten sind. (siehe Arthur Koestler: Der dreizehnte Stamm).

 

 

>Antisemitismus in München damals und heute<

 

Der Antisemitismus oder die Feindlichkeit den Juden gegenüber war hier in München nicht viel anders als in den übrigen Ländern und Städten, deren Mehrheit aus Christen bestand. Der einzige Unterschied lag vielleicht darin, dass im Gegensatz zur den hierzulande verhassten Preußen, die eher kühl und berechenbar – also vom Kopf heraus, in Form von protestantischer Lehrstuhl-Mechanik (siehe Treitschke und Co) – ihren Antisemitismus propagierten, wo hingegen in München die bayrisch-österreichische ergo katholisch-fromme Boshaftigkeit breiten Fuß fassen konnte. 

Beide Arten aber schmerze den deutschen Juden gleichsam sehr.

Historisch gesehen waren aber die Juden in Preußen wesentlich früher emanzipiert – also bürgerlich gleichgestellt, nämlich durch die Verfassung von 1812 – doch in Bayern (wie immer) gingen die Uhren langsamer, so dass sie erst nach 1875 – zumindest auf dem Papier – ihre Gleichberechtigung erhielten. Die Gleichstellung hieß aber noch lange nicht, dass sie sich zum einen als gleichberechtigt fühlen konnten und ferner blieben durch den Numerus Clausus der größte Teil von interessanten Studienfächern lange versperrt. So belegt sich auch die Tatsache, dass zur Jahrhundertwende es gerade hier in München zahlreiche jüdische Juristen aber auch Mediziner gab, da diese beiden Fächer ohne Benachteiligung studiert werden konnten. Erst kurz vor dem I. Weltkrieg wurden die rigorosen Bestimmungen gelockert, so dass die Juden – sogar die weiblichen – mehr oder weniger uneingeschränkt dass studieren konnten, für das sie sich befähigt hielten.

Über die Zeit nach dem I. Weltkrieg schrieb Albert Einstein in seinen Erinnerungen: 

 

»Als die Deutschen den von ihrer herrschenden Klasse angezettelten Weltkrieg verloren hatten, wurde sofort und mit ausgesprochenem Erfolg versucht, die Schuld an der Anstiftung des Krieges und die Niederlage dem Juden zugeschrieben. Der gegen die Juden erzeugte Hass schützte nicht nur die privilegierte Klasse, sondern ermöglichte es zudem einer skrupellosen, verwegenen kleinen Gruppe, das deutsche Volk in den zustand völliger Knechtschaft zu versetzen

Einstein meinte mit der »skrupellosen, verwegenen kleinen Gruppe « natürlich die Nationalsozialisten, die bereits nach 1918 ihre ersten größeren Umtriebe veranstalteten.

Ein anderer Zeitzeuge, nämlich Werner Cahnmann, der bis 1933 dem >Central-Verein<, einem Vorläufer des heutigen Zentralrats der Juden in Deutschland angehörte, schildert eine andere tragische Geschichte, die einen gewissen Teil der Juden in Bayern betraf:

Seit dem 26. 9. 1923 ist Gustav von Kahr zum Generalstaats-Kommissar von Bayern ernannt ...

 

»Kahr setzte das Gesetz zum Schutz der Republik außer Kraft, verweigerte Haftbefehlen gegen Hochverräter den Vollzug, und löste sozialdemokratische Selbstschutzverbände auf. Mit nationalsozialistischen Verbänden arbeitete er zusammen. Um Hitler in der Antisemitismus-Sache den Rang abzulaufen, ging Kahr gegen die Juden nicht-deutscher Staatsangehörigkeit vor. Ausländer hatten keinen Rechtsanspruch auf Wohnsitz oder Aufenthalt und konnten daher gegen die willkürlichen Ausweisungsverfügungen, die Kahr ergehen ließ, nur an die bessere Einsicht des Generalkommissars oder der Polizeidirektion appellieren. Gegenüber dem Rabbiner Dr. Heinrich Ehrentreu versicherte Kahr, er sei kein >Antisemit<, er wolle nur gegen >Schädlinge< vorgehen. Welcher Art diese >Schädlinge< waren, geht aus einer Ausweisungsverfügung gegen einen 60-jährigen Zigaretten-Fabrikanten hervor [die bei Löwenfeld zitiert ist. 17],

>Sie sind im Jahre 1887 als armer Tabakarbeiter in München eingewandert. Sie besitzen nach hier getroffenen Feststellungen nunmehr eine gutgehende Fabrik und drei Häuser in München. Auch wurden bei einer Haussuchung bei Ihnen zwei goldene Uhren gefunden. Sie sind demgemäss ein Schädling des bayerischen Volkes und waren auszuweisen ...

Sie haben Ihren Betrieb binnen einer Woche einem vom Generalstaatskommissar zu ernennenden Sequester zu übergeben, widrigenfalls er entschädigungslos zugunsten des bayerischen Volkes eingezogen wird.<

Verfügungen dieser Art hinderten Hitler nicht, Kahr in der bekannten Versammlung im Bürgerbräukeller die Pistole auf die Brust zu setzen und ihn am 30.6. 1934 ermorden zu lassen  

[Ende des Zitats]

Nun, wie man sieht brauchte es erst gar nicht einen Hitler. Die hiesige Gesinnung, wie auch die der Österreicher z.B. die der Dollfuß-Regierung, waren die besten Vorarbeiter für die kommende mörderische Katastrophe, die wir im Nachhinein mit dem fast banalen Begriff »Holocaust« umschreiben.

 

Dass die sogenannte »Entnazifizierung« der frühen Nachkriegszeit sich letztlich als erfolglos abzeichnete, beweist nicht bloß die Tatsache allein, dass spätestens ab 1952 alle involvierten Verbrecher wieder an ihren alten Stellen zu finden waren, sondern dass bereits ab 1947 wieder fleißig jüdische Friedhöfe und jüdische Einrichtungen wie auch Synagogen geschändet wurden. Andrerseits sprachen die großen Siege der NPD bei den Wahlen Mitte bis Ende der 60er Jahre ebenso für sich, die eigentlich bloß als Konkurrenz zu den großen, bestehenden Volksparteien gesehen, die alle auch nur konservative Nachfolge-Organisationen der NSDAP waren. Darum bekämpfte man die NPD bis heute nicht wegen deren Gesinnung, sondern viel mehr weil durch sie ein gewisses Wählerpotential den anderen Parteien verloren ging. Denn es gilt das Motto: »Rechts von der CSU kann und darf es nichts mehr geben.« Und dieser völkische Zeitgeist weht ungebrochen aus ihrer Postille, dem berüchtigten »Bayern-Kurier«, der den rechts-faschistischen Blättern um nichts nachsteht, bloß, dass es alles sauberer formuliert.

 

Was nun den gegenwärtigen >Antisemitismus< betrifft, so kann ich hauptsächlich über den Zeitraum berichten, den ich selber – nämlich seit 1984 – erlebt habe, seit dem ich hier in München wohne.

Nicht bloß dass unsere IKG-München tagtäglich mit >sonderbarer< Post belästigt wird, derer es sich zum Teil gar nicht lohnt sie zur Anzeige zu bringen – zumal dies enorme Summen für Prozesskosten und Anwälte verschlingen würde – denn im Gegensatz zu früher schreiben die deutsch-nationalen Bürger ihre perfiden Machwerke nicht einmal mehr anonym.

Eines der Hauptvorwürfe dabei betrifft immer wieder die sogenannte >Wiedergutmachung<, dass Juden unentwegt nur absahnen und profitieren würden.

Andere Schriftstücke beziehen sich mit wüsten Beschimpfungen auf Israel, was ebenso ein Idiotismus ist, zumal die örtlichen Gemeinden weder den Staat Israel noch dessen Politik in Deutschland vertreten. Dafür gibt es ja Botschaften ...

Ich selber erhielt Post bezüglich unseres rituellen Schächten – was eigentlich ein uralter und ebenso blödsinniger Vorwurf ist – und dass ich das >meinen jüdischen Leuten< endlich beibringen solle.

Ein anderer Fall, und er liegt in den frühen 90er Jahren, betraf das jüdische Altersheim, wo an alle Bewohner – das sind ausschließlich Menschen, welche die Shoah zufällig, aus irgendwelchen glücklichen Umständen überlebt hatten – ein Schreiben erging, wo unter anderem hervorging, dass Hitler noch lebe und seine unvollendete Tat vollenden wird. Solche Schreiben könnten eher – wenn man bedenkt dass auch ein Hitler altert – in den Mülleimer der Zeitgeschichte geworfen werden, brachte aber riesige Aufregung und etliche Nervenzusammenbrüche unseren alten jüdischen Bewohnern.

Hier könnten noch etliche Beispiele erwähnt werden, die ich mir und auch Ihnen aus zeitlichen Gründen aber ersparen will.

 

 

>Antifaschistischer Widerstand 1933-1945<

 

Zur Frage nach einem >antifaschistischen Widerstand< zwischen 1933-1945 gibt es auch einiges zu berichten – und zwar weniger über das was er tat (da gibt es leider sehr wenig zu sagen) aber um so mehr dafür, was er hätte tun können.

Nach eigenen Studien, und darüber habe ich etliche Vorträge gehalten, gab es in Deutschland so gut wie fast keinen richtigen – oder besser gesagt entscheidenden Widerstand, weder von Links noch von jüdischer Seite. Aber um dies entsprechend abhandeln zu können, so müsste ein eigener Vortrag in diesem Zusammenhang erfolgen ...

Die wenigen Widerstände, die es tatsächlich dann gab, wurden entweder aus Eigennutz (z.B. Edelweis-Piraten; Weise Rose; u.a.) oder zum Selbstzweck (Aufstand der Generäle am 20. Juli 1944) betrieben. Der einzige wahre Kämpfer, das war der Attentäter Elsner, mit dem aber die Linken (weil er kein Kommunist war) wie auch die Liberalen (weil er bloß ein Arbeiter war) nichts anfangen konnten. Er passte eben nicht in irgend ein Konzept oder politisches Klischee – er war ein tapferer bayrischer Einzelkämpfer (da gibt es keinen zweiten!), und der von den Nazis 1945 in Dachau ermordet wurde.

Bei den Sozialisten und Kommunisten gab es etliche Ansätze zu einem Widerstand, aber sie endeten zumeist durch Verrat in den eigen Reihen, so dass sich diese Helden sehr bald in irgend welchen KZ und Vernichtungslagern wiederfanden.

Dieses düstere Kapitel ist weder von der SPD noch von der KPD und ihren Randgruppen aufgearbeitet worden. Wer sich für dieses Thema interessieren sollte und darüber recherchieren möchte – was ich jedoch kaum annehme – der kann sehr gerne zu mir ins Archiv kommen und daran arbeiten!

Und doch gibt es viel, meiner Meinung nach zuviel Literatur über den >antifaschistischen Widerstand<, aus dem aber weniger entscheidende Fakten als die hinlänglich bekannte >Selbstbeweihräucherung< hervorgeht.

Die entscheidendenden Fakten eines tatsächlich stattgefunden deutschen Widerstandes wäre – nach meiner Meinung – gewesen, dass 

 

a) das 1000jährige Reich viel schneller hätte zu ende gehen müssen,    und ...

b) dass demnach auch Millionen von Opfer den Holocaust überlebt hätten.

Ich denke dabei weniger nur an die Juden und Zigeuner, sondern an alle Opfer des sogenannten III. Reichs! Das war aber nicht der Fall, denn wie man ja feststellen kann fanden viel zu viele an dieser nationalen Form des Sozialismus gefallen: Denn plötzlich gab es die berühmten NS-Suppenküchen, Wohnungen und Geschäfte für die Arier und auch Arbeit gab es (auch wenn sie für viele andere unter Zwang erfolgte) ... der liederliche Wohlgenus machte frei von Kritik, Anstand und Charakter.            (Siehe auch das Buch von Gellately: Backing Hitler)

Und – auch das muss man eingestehen – etliche Sozialisten und Kommunisten konnten ohnehin die Juden, geschweige denn Zigeuner oder die bourgeoisen Homos und Freidenker schon nie leiden. Dies setzte sich übrigens später auch in der Lager-Hierarchie der KZ weiter fort – wie man es eindeutig aus entsprechenden Dokumenten und Berichten von Überlebenden entnehmen kann.

Dies ist ebenfalls ein Kapitel, dass so gut wie nicht bewältigt worden ist.

 

Einen antifaschistischen Wiederstand – ja freilich den gab es überall, in Frankreich, in Spanien, in Polen, Tschechien, in Ungarn, Rumänien, am Balkan, in der Sowjetunion und sonst wo in den von den Nazis besetzten Gebieten – aber nicht ausreichend in Deutschland und nochweniger in Österreich, der Immer-noch-Heimat des Führers.

 

 

 

>Jüdische Gegenwehr gegen Antisemitismus und Rassismus<

 

Die jüdische Gegenwehr gegen Antisemitismus und Rassismus fiel hier in Deutschland – wie zuvor im anderen Zusammenhang erwähnt – ebenfalls sehr, sehr mager aus.

Die Probleme lagen vor allem darin, dass nicht wenige Menschen erst einmal gar nicht wussten, dass sie Juden waren, zumal ihre Eltern bereits in überaus assimilierten Verhältnissen lebten – und für sie daher weder politisches noch gesellschaftliches Thema war.

Sie wurden erst durch die faschistischen Machthaber (>Wer Jude ist bestimme ich!<) und darum auch durch die brav-folgsame Jasager-Bevölkerung wieder >zu Juden<.

Andere wiederum waren bewusste Juden, erkannten was kommen wird und verschwanden noch rechtzeitig nach Palästina, USA, Südamerika, Sowjetunion oder wo man es sonst (und das war sowieso nur wenige Staaten) zuließ, die Juden einwandern zu lassen.

Der größte Teil der europäischen und osteuropäischen Juden hatten weder die Kraft und noch weniger das Geld nach irgendwo hin ein Ticket zu kaufen oder gar die später immer höher werdende >Fluchtsteuer< bezahlen zu können. Sie verschwanden auch, und zwar vor den Augen aller, mittels Deportation, in die zahlreichen Vernichtungs- und Todes-Lager, was wenige überhaupt überleben konnten!

Hierzu schwieg die gesamte Mehrheit der deutschen – mit eingeschlossen die Münchner Bevölkerung, und etliche mehr, jene nämlich die auch hätte aufstehen können dagegen.

Die von den Nazis als >Bolschewisten< und von den Linken als >Kapitalisten-Schweine< betitelten Juden blieben daher weitgehend auf sich alleine gestellt.

Hinzu kam noch, per national-sozialistischer Gesetzgebung, dass die jüdischen Gemeinden an der Zusammenstellung von Transporten (sie erhielten die Listen von den Nazis) zwangsweise und unter Androhung von weiteren Repressalien quasi mitwirken mussten.

 

Unter diesem Aspekt und der ständigen Angst des Verrats hatte es aber doch einen – wenn auch kleinen aber immerhin effizienten – jüdischen Widerstand gegeben. Jedoch nicht in München, nicht in Hamburg Frankfurt oder Wien, sondern ausschließlich in Berlin. Die Rede ist von der berühmten >Herbert-Baum-Gruppe<, denen die ehemalige DDR-Regierung (noch unter Ulbrich – und unter der eisernen Verschwiegenheit, dass es fast nur Juden waren) weit draußen, am Friedhof Weißensee ein Denkmal errichtet und eine Straße benannt.

Um Herbert Baum, der einer kommunistischen Bewegung angehörte, scharte sich eine Gruppe gleichgesinnter jüdischer Jugendlicher. Im Ganzen waren es 12 Menschen, die mit ihren Aktionen und Spreng-Anschlägen versuchten, dass für einige Zeit wenigstens die täglichen Deportationen aus Berlin gestoppt würden. Zwischen 1941 bis Sommer 1942 – wo auch zahlreiche Deportationen stattfanden – legten sie etliche Bahngleise lahm, so dass tatsächlich jeweils über mehrere Tage keine Transporte in den Osten erfolgen konnten.

Es gibt leider – und das ist ja das bedauerliche in dieser Zeit – keine vergleichbaren Aktionen, weder von den sozialistischen noch von den kommunistischen Reihen. Vielmehr wurden die mutigen Aktionen der Herbert-Baum-Gruppe von ihren Genossen mit Verrat belohnt. Sämtliche Mitglieder wurden ausnahmslos schwer misshandelt und hernach zwischen März und Juli 1943 hingerichtet.

Eine andere mutige Tat war die der Ehepartner der zum Transport bestimmten Menschen, von 1943, was später (und zwar sehr viel später) als >Aufstand in der Rosenstraße< rühmlich in die Geschichte einging, und mit dem sich die >Historiker des Widerstands< gerne schmückend bereichern. Genauer betrachtet war es aber kein Widerstand (als solcher) sondern die erfolgreiche Forderung, den/ die Ehepartner/ -in aus dem Sammellager in der Rosenstraße herauszurücken. Die Nazis mussten diesem Druck nachgeben und etliche bereits zur Deportation vorbereiteter kamen dadurch wieder frei.

Niemals stimmt es aber – wie ich ebenfalls in einigen >Widerstand<-Büchern lesen musstedass jemand, der bereits im Viehwaggon auf dem Weg nach Auschwitz, Treblika, Maidanek oder einem anderen Vernichtungslager befand, jemals freigekommen wäre.

Und da gab es – um das Kapitel abzurunden – auch noch etliche kleinerer, zum Teil sogar effiziente Aktionen von einzelnen Zionisten oder kleiner zionistischen Gruppen.

Das also ist die traurige Bilanz, zum Thema Widerstand in Deutschland, sei er von links oder von den Opfern selber.

Wesentlich anders hingegen – wie ich es schon vorhin erwähnte – war es wiederum in allen besetzten Gebieten. Hier – anfangs noch etwas spärlich – gab es einen großen, ja man muss sogar sagen auch heftigen Widerstand der Juden. Die entweder als eigene Gruppen oder zwischen den Reihen der Partisanen kämpften.

Mein lieber, geschätzter bekannter, Arno Lustiger hatte den jüdischen Widerständlern ein überaus wertvolles Buch gewidmet, mit dem Titel: »Zum Kampf auf Leben und Tod! Vom Widerstand der Juden 1933-45«, das 1994 erschienen ist.

 

Hierüber, über diesen Widerstand der Juden könnte sehr viel erzählt werden, was ich bereits mittels Dokumente und Zeugnissen tat. Und auch hier gab es unzähligen Verrat und schrecklichen Anti-Judaismus in den Reihen der Widerständler, die in den europäischen Ländern zwischen Frankreich und Sowjetunion, zwar gegen den Hitler-Faschismus kämpften aber andrerseits ihre Juden den Henkern auslieferten.

 

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!